Einkommensanrechnung der Witwenrente soll abgeschafft werden – sagen Experten

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Die Einkommensanrechnung bei der Witwenrente sorgt seit Jahren fรผr Diskussionen und Unmut bei den Betroffenen. Peter Knรถppel, Rechtsanwalt und Rentenexperte, berichtet von Beschwerden, die an ihn herangetragen wurden.

So habe ihm ein Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung Einblick in die alltรคglichen Probleme gegeben, die immer wieder mit der Einkommensanrechnung einhergehen.

Insbesondere Witwen beklagen, dass ihr eigenes Einkommen auf die Witwenrente angerechnet wird, was zu einer erheblichen finanziellen Belastung fรผhrt und sich negativ auf ihre Erwerbstรคtigkeit auswirkt.

Viele Witwenrentnerinnen und Witwenrentner fragen sich daher, warum sie รผberhaupt arbeiten gehen sollen, wenn ihr Einkommen ohnehin angerechnet wird und die Hinterbliebenenrente dadurch sinkt.

Wie wird die Witwenrente aktuell angerechnet?

Bei der Einkommensanrechnung der Witwenrente wird ein Freibetrag berรผcksichtigt. Vom darรผber hinausgehenden Einkommen werden 40 Prozent auf die Rente angerechnet.

Zur Berechnung des anrechenbaren Einkommens wird zunรคchst das Bruttoeinkommen in ein pauschalisiertes Nettoeinkommen umgerechnet. Hierbei zieht die Rentenversicherung pauschal bestimmte Prozentsรคtze vom Bruttoeinkommen ab.

Beispielberechnung fรผr eine Anrechnung des Einkommens bei der Witwenrente

Betrachten wir das konkrete Beispiel von Petra T., die in den alten Bundeslรคndern ab dem 1. Juli 2023 eine Witwenrente erhรคlt:

  • Petra T. bekommt eine monatliche Witwenrente von 400 Euro.
  • Zusรคtzlich verdient sie monatlich brutto 1.700 Euro.

Zur Berechnung des anrechenbaren Einkommens wird das Bruttoeinkommen von 1.700 Euro zunรคchst pauschal um 40 Prozent reduziert. Dies ergibt einen Abzug von 680 Euro, wodurch ein pauschalisiertes Nettoeinkommen von 1.020 Euro resultiert.

Von diesem Nettoverdienst wird der Freibetrag abgezogen, der fรผr die alten Bundeslรคnder 992,64 Euro betrรคgt. Es verbleibt ein Restbetrag von 27,36 Euro. Von diesem Betrag werden nun 40 Prozent, also 10,94 Euro, auf die Witwenrente angerechnet.

Hinweis: Ab dem 1. Juli 2024 sollen sich jedoch die Freibetrรคge bei der Witwenrente erhรถhen.

Die Auswirkungen auf die Rente

Nach der Einkommensanrechnung reduziert sich die monatliche Witwenrente von Petra T. um 10,94 Euro. Somit erhรคlt sie statt der ursprรผnglichen 400 Euro nur noch 389,06 Euro monatlich.

Was sind die Hauptkritikpunkte an der Einkommensanrechnung?

  1. Erwerbsfeindlichkeit: Viele Witwen und Witwer sehen sich gezwungen, ihre Erwerbstรคtigkeit einzuschrรคnken oder ganz aufzugeben, da zusรคtzliche Einkรผnfte zur Kรผrzung der Witwenrente fรผhren. Dies fรผhrt zu einer paradoxen Situation, in der die Betroffenen durch ihre Arbeit wirtschaftlich nicht profitieren, sondern bestraft werden.
  2. Bรผrokratische Hรผrden: Die Anrechnung ist mit einem erheblichen bรผrokratischen Aufwand verbunden. Von der Beantragung der Witwenrente bis hin zur jรคhrlichen รœberprรผfung des Einkommens durch Arbeitgeber, Finanzamt und andere Behรถrden โ€“ der Prozess ist komplex und zeitaufwendig.
  3. Unnรถtige Belastung: Die Anrechnung stellt eine unnรถtige finanzielle und emotionale Belastung fรผr die Betroffenen dar, insbesondere in einer ohnehin schwierigen Lebensphase nach dem Verlust des Partners.

Welche Alternativen zur aktuellen Regelung werden vorgeschlagen?

Peter Knรถppel fordert eine umfassende Reform der Einkommensanrechnung. Hierbei stellt er mehrere mรถgliche Ansรคtze vor:

  1. Abschaffung der Einkommensanrechnung: Die komplette Streichung der Einkommensanrechnung bei der Witwenrente wรคre eine radikale, aber effektive Lรถsung. Dies wรผrde Witwen und Witwern ermรถglichen, uneingeschrรคnkt zu arbeiten und sich aktiv am Arbeitsmarkt zu beteiligen, ohne finanzielle EinbuรŸen befรผrchten zu mรผssen.
  2. Einfรผhrung eines generellen Freibetrags: Ein pauschaler Freibetrag von beispielsweise 2.000 Euro netto, der nicht auf die Witwenrente angerechnet wird, kรถnnte eine sinnvolle Zwischenlรถsung darstellen. Dieser Freibetrag sollte zudem dynamisiert werden, um inflationsbedingte Anpassungen automatisch zu berรผcksichtigen.
  3. Anrechnungsmoratorium: Ein zeitlich begrenztes Moratorium von drei bis fรผnf Jahren, in dem keine Einkommensanrechnung erfolgt, kรถnnte den Betroffenen eine รœbergangszeit ermรถglichen, um sich finanziell zu stabilisieren und ihre Erwerbssituation zu organisieren. Danach kรถnnte ein hรถherer Freibetrag gelten, bevor Einkรผnfte teilweise angerechnet werden.

Was sind die Vorteile einer Reform?

Eine Reform der Einkommensanrechnung hรคtte mehrere positive Effekte:

  1. Erhรถhung der Erwerbsbeteiligung: Durch die Abschaffung oder Reduzierung der Einkommensanrechnung wรผrden Witwen und Witwer motiviert, weiterhin oder verstรคrkt berufstรคtig zu sein. Dies kรถnnte zur Linderung des Fachkrรคftemangels beitragen und die Arbeitsmarktintegration verbessern.
  2. Bรผrokratische Entlastung: Eine Vereinfachung der Regelungen wรผrde den bรผrokratischen Aufwand fรผr Betroffene und Behรถrden erheblich reduzieren. Dies spart Zeit und Ressourcen und erhรถht die Effizienz der Verwaltung.
  3. Finanzielle Sicherheit: Witwen und Witwer kรถnnten eine bessere finanzielle Absicherung und Planungssicherheit erhalten, was ihre Lebensqualitรคt und psychische Gesundheit positiv beeinflussen wรผrde.

Ob jedoch die Witwenrente einmal dahingehend reformiert wird, steht wortwรถrtlich in den Sternen.