16.05.2012
Im ยง 15 des SGB II ist die Eingliederungsvereinbarung geregelt. Wรถrtlich heiรt es dort: “Die Agentur fรผr Arbeit soll im Einvernehmen mit dem kommunalen Trรคger mit jeder erwerbsfรคhigen leistungsberechtigten Person die fรผr ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Die Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere bestimmen,
1. welche Leistungen die oder der Erwerbsfรคhige zur Eingliederung in Arbeit erhรคlt,
2. welche Bemรผhungen erwerbsfรคhige Leistungsberechtigte in welcher Hรคufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen mรผssen und in welcher Form diese Bemรผhungen nachzuweisen sind,
3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Trรคger anderer Sozialleistungen, erwerbsfรคhige Leistungsberechtigte zu beantragen haben. Die Eingliederungsvereinbarung soll fรผr sechs Monate geschlossen werden. Danach soll eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden. Bei jeder folgenden Eingliederungsvereinbarung sind die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berรผcksichtigen. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen. (2)
In der Eingliederungsvereinbarung kann auch vereinbart werden, welche Leistungen die Personen erhalten, die mit der oder dem erwerbsfรคhigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Diese Personen sind hierbei zu beteiligen. (3) Wird in der Eingliederungsvereinbarung eine Bildungsmaรnahme vereinbart, ist auch zu regeln, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen die oder der erwerbsfรคhige Leistungsberechtigte schadenersatzpflichtig ist, wenn sie oder er die Maรnahme aus einem von ihr oder ihm zu vertretenden Grund nicht zu Ende fรผhrt.”
Der Gesetzgeber spricht ausdrรผcklich nur davon, dass die Regelungen des Satzes 2 per Verwaltungsakt festgelegt werden kรถnnen. Wenn also eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt, soll ein Verwaltungsakt festlegen, welche Bemรผhungen erwerbsfรคhige Hartz IV-Leistungsberechtigte in welcher Hรคufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen mรผssen und in welcher Form diese Bemรผhungen nachzuweisen sind. Der Gesetzgeber sieht keineswegs vor, dass weitergehende Inhalte einer Eingliederungsvereinbarung, etwa die Zuweisung in eine Bildungsmaรnahme oder eine Arbeitsgelegenheit durch Verwaltungsakt ersetzt werden kรถnnen.
Durch seinen expliziten Hinweis auf Satz 2 schlieรt er solche Verwaltungsakte sogar ausdrรผcklich aus. Dennoch versuchen die Jobcenter, und vor Ihnen die Argen, immer wieder die Eingliederungsvereinbarung als eine Art Zwangsentmรผndigung zu missbrauchen. Statt sich auf die vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelungen nach Satz 2 des ยง 15 zu beschrรคnken, wird versucht auch die sonst in einer freiwilligen Vereinbarung mรถglichen Regelungen einseitig und ohne Rechtsgrundlage in einem Verwaltungsakt zu erzwingen. Diese Regelungen bedรผrfen aber unbedingt der Freiwilligkeit, da ansonsten etwa eine Arbeitsgelegenheit den Charakter einer staatlich verordneten Zwangsarbeit annehmen wรผrde.
Das solch eine nicht vom Gesetzgeber vorgesehene Anwendung des Instruments des Verwaltungsaktes zu zahlreichen Klagen fรผhren muss, erscheint nicht verwunderlich. Umso unverstรคndlicher erscheint es, dass sich vor diesem Hintergrund weder die Legislative noch die Judikative gefordert sieht, hier endlich fรผr eine grundsรคtzliche Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu sorgen. Auch der von den Jobcentern hรคufig benutzte Terminus: โEingliederungsvereinbarung per Verwaltungsaktโ ist sachlich falsch.
Die Vereinbarung bedarf, im Gegensatz zu einem Verwaltungsakt immer der Freiwilligkeit, und kann somit nicht per Verwaltungsakt einseitig erlassen werden. Ein Verwaltungsakt kann immer nur im Rahmen und unter Beachtung geltenden Rechts erfolgen. Dies gilt auch fรผr einen Verwaltungsakt zur Festlegung der Regelungen nach ยง 15 des SGB II, der sich, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, nur auf die Regelungen des ยง 15.1 Satz 2 beschrรคnkt. Die geltenden Bestimmungen des Datenschutzes und des Persรถnlichkeitsrechts kรถnnen auch in einem solchen Verwaltungsakt nicht ignoriert oder umgangen werden. Somit sind Regelungen in Verwaltungsakten, die etwa die Vorlage der kompletten Korrespondenz mit potentiellen Arbeitgebern unter Sanktionsandrohungen erzwingen, rechtswidrig. (Dietmar Brach, Wiesbaden)