DGB Demo am 1. Mai: Fünf Minuten gegen Hartz IV

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Manifest der Erwerbslosen in Stadt und Land: Traktat zum 1.Mai 2008 gegen Hartz IV- Diktat

Hannover. Fünf Minuten Redezeit hatten die Erwerbslosen-Organisationen (unabhängige, gewerkschaftliche, kirchliche u.a. Einrichtungen) in den letzten Jahren seit Hartz IV in Hannover nach zähem Ringen erlangen können. Vom Hauptpodium auf der DGB-Abschlußkundgebung, als letzter Redner nach dem Oberbürgermeister und der DGB-Ansprache. In diesem Jahr fiel diese Aufgabe ganz unerwartet mir zu, weil der im örtlichen ver.di ELO-Kreis dazu einstimmtig ausgewählte Kollege nicht auf das erforderliche Wohlwollen des hiesigen DGB-Vorstandes gestoßen war. Die "formalen Gründe" konnten weder von dem ELO-Kreis außer Kraft gesetzt werden, noch von anderen, aktiven aber unabhängigen Arbeitslosengruppen, da es sich um gewerkschaftsinterne Angelegenheiten zu handeln schien.

Der unabhängige "Arbeitskreis Arbeitslose Linden", als größte hannoversche Erwerbsloseninitiative (Ø-lich 2 Dutzend Aktive 4-5 mal mtl.), hielt es für unverzichtbar, daß die Stimme der Erwerbslosen auf dem 1.Mai-/DGB-Auftritt sprechen müsse. Wenn wir eineN geeigneteN, freiwilligeN "Kandidaten/-IN" kurzfristig (4.April) fänden, wollten wir dieseN dem DGB als definitiveN ErsatzrednerIN melden. Also meldete ich mich, da ich mich als Hartz IV-prekärer Poet sehr wohl und öfter mit der Thematik befaßt hatte. Und ganz unerwartet, nach 3 Tagen war alles unter Dach und Fach ("Wir wollen doch keinen ausgrenzen!"), obwohl es für den Wortbeitrag der Arbeitslosen "ja keinen ‘Automatismus’ gäbe". Na klar, genauso, wie unser Oberbürgermeister auch keinen Automatismus hat, auf der ArbeitNEHMER- Kundgebung zu sprechen, er tut es halt nur immer.

Wir Erwerbslose hingegen reklamieren für uns ‘nur ‘eine wichtige und NOT-wendige, mithin eine gute Tradition seit ein paar Jahren. Grund genug, dies auch beizubehalten. Für die Rede stellte ich den Anspruch, daß alle unsere Haupt- Forderungen und alle wesentlichen Eckpunkte kämpferisch und entschieden, aber nicht sektiererisch einzuarbeiten sind. Da ich selbst die Möglichkeit habe, Dank Talent und Kraft des Wortes, dies in Duktus und Versmaß zu kleiden, wollte ich die fünf, vielleicht auch sechs Minuten lange Rede in ausschließlich lyrischen Versen dennoch zu einem flammenden Fanal schmieden.

Hier das komplette Werk, das ich zusätzlich mit markanten Illustrationen versehen (die ich ‘bänkelsängerähnlich’ in A3 Größe, farbig aus meinem Konzept-"Block" [in A3] heraus) vom Stehpult herunterblätterte. Nachfolgend mit (*) markiert, wo die nächste Abb. zum Einsatz kam: t(*) [1. Mai 2008 – Aufgestanden – Aufgewacht!]

Am Montag hatt’ ich einen Wasserrohrbruch in der Nacht. Der Klempner kam mit Praktikant, am andern Morgen früh, klingelt um halb Acht: Drei volle Jahre er nicht mehr im Urlaub war, In der Pause, der Altgeselle mir verrät, u(*) [Preisspirale] Daß sein Reallohn gesunken sei rapide gar und die Preisspirale dreht Sich unaufhaltsam immer wieder, Jahr für Jahr. Statt Azubis sein Boss nimmt lieber den „12-Monats-Praktikanten“, Der erhält anstatt Entgelt aus so genannten Fördermitteln vom Arbeitsamt das Fahrgeld kaum erstattet. Dem Chef das gut gefällt, weil es mehr Spiel-Raum ihm gestattet – Gleichwohl den Fachkräfte- Mangel er beklagt. Wir sind doch Millionen Kräfte, und vom Fach (!), Die ohne Arbeit sind. Wird hier mein Amt für Arbeit wach: v(*) [einen Euro] Und gibt 4.000 ganz geschwind für einen Euro ab. Wer wagt Zu protestieren, sich zu wehren, werden sie zum Brotentzug bekehren, Sie zwingen uns, Papier zu sammeln, in den städtischen Rabatten – Grünflächenamt-Vollzeit-Stellen wir irgendwann mal dafür hatten.

Kohldampf schieben, betteln, stehlen oder im Kalten wohnen: w(*) [ein Cent] Nimmst du nicht jeden miesen Job, sogar noch ohne ein Cent Geld, Droht dir des Staates Apparat von Amteswegen mit „Sanktionen“! Vom Munde geht schon lange nicht einen Cent mehr abzusparen – xj(*) [345,- Euro] 345,- Euro -monatlich- dir lassen keine Würde plus 2,-Euro für Teuro rung von fast 3 Jahren wer die Existenzsicherung für uns Erwerbslose will noch mehr minimieren, läßt uns überhaupt nichts mehr zum Leben, nur um gezielt in den frühen Tod zu vegetieren. Denn heute schon macht in Eueren Betrieben die Angst vor Harz IV die Runde, Tarifverträge können Reallohnsenkung längst nicht mehr verhindern, k(*) [„gute Arbeit muß drin sein“] noch die Leistungsverdichtung mindern, so dass die Wochen-Arbeitstundenzahl heute schon im Schnitt die 48- Stunden-Qual wird signalisieren, Wenn wir heut’ immer mehr Arbeitnehmerrecht verlieren!

Höchste Zeit am 1. Mai, nicht nur, aber auch, daß unsre Sprache, aus unsrem Munde unsre Solidarität bekunde. um zu kämpfen, streiken und gemeinsam aufzustehen, auch: Eure Solidarität zu fordern und auch zu erlangen, braucht es nicht nur am 1. Mai unsre Stimme, um mit euren Stimmen zu verlangen: y(*) [… „Losarbeiten“ …] So darf und wird’s nicht weitergehen! Ich schämte mich für diese Stadt, z(*) [HUNGER] die – allein für Kinder – mehr als 3 Suppenküchen nötig hat, wo nicht 100 Kinder hungern, sondern 1000 und ein Kind, weil die privaten Einrichtungen heut’ am Feiertag geschlossen sind (*) [KINDERARMUT] Nur satt gegessene Eltern können ihre Kinder gut ernähren! l(*) [„Weg mit Hartz IV!“] Hartz IV muß weg, sein einz’ger Zweck, die Armut zu vermehren und Streikbrecher jederzeit an jedem Ort in jeder Zahl euch zu bescheren |(*) [„555,-€ …] Fünfhundert (fünfundfünfzig) €uro als absolutes Minimum braucht des Menschen Würde, der Existenz zur Sicherung!- m(*) Dreißig Stunden in der Woche – und dann ist Schicht ! Als Lohndrücker mißbrauchen: lassen wir uns NICHT! (*) Zum Mindestlohn unsre Forderung bleibt besteh’n : (*) [Zehn Euro] Zehn Euro, die wir als aller-unterniedrigste versteh’n! äund n(*) Solidarisch mit den Noch-Arbeitenden, Seit’ an Seite 8 / 10 / 12% müssen her, nicht eine Arbeitsminute mehr! (*) Deswegen fordern wir: „Weg mit der »Agenda Zwanzig – Zehn!«“, die unsre Arbeit stiehlt und flächendeckend Jobs macht prékär, wenn mancheR heute schon bei über 40 Stunden Arbeit nicht mehr überleben kann!? (*)

Deshalb müssen wir die 30-Stunden-Woche mit echten Löhnen auf die Fahnen schreiben, damit nicht 8 – wenn nicht bald 10 – Millionen Arbeit suchend auf der Strecke bleiben, (*) die man hungernd, frierend, krank, 20 Jahre eher sterben läßt und den Rest (*) [Altersarmut] des Volkes Masse darbend in die Altersarmut und –Krankheits-Not entlässt! · Damit das alles, was es heut’ schon gibt in unsrem reichen Lande, nicht morgen weiterhin geschieht, Weder heut’ noch morgen: Solange wir noch leben. Dafür sollten wir gemeinsam sorgen ! ·(*) Denn wenn wir diese Pflicht und Chance verschlafen.

Wird dies die Frauen jetzt, nicht erst morgen und uns – im Alter – selbst bestrafen! Unsre Kinder wissen schon heute nicht was ein Arbeitsplatz, der unbefristet ist, bedeutet Kennen nur Projekte, Leih-, u. ZeitArbeit, und immer mehr Warte-, Leerlauf-, Zwischenzeit“ Verstehen nicht mal mehr daß man sie noch hemmungsloser – als uns – ausbeutet Ihr Leben lang! Und zum Rentenalter droht, Altersarmut ihnen und vorgezogen nur, der Tod! t(*) "In anderen Ländern sind hundertmal mehr, die aufstehn und kämpfen und rufen," aus dem Gedichtband: ‚Denen in Deutschland’ gesagt von Erich Fried Wenn wir nicht heute und sofort beginnen aufzustehen Und jene, die heute und noch leben zum Kämpfen um uns scharen Wird morgen niemand mehr hinter uns, noch beiseite stehen! Wenn dies nicht die Lehren sind noch waren, die wir aus 40 Jahren nicht zu verstehen in der Lage waren, wenn wir KEINE Lehre zogen, haben wir uns längst verbogen, sind nicht mehr die, die wir einst mals waren für den Gedichtband ‚Jenen in Deutschland’ gesagt am 1.Mai in Hannover von Michael Boeken. (veröffentlicht am 05.05.2008)