Thomas Wasilewski ist einer der Kläger gegen zu niedrige Regelleistungen. Er selbst bezieht eine Erwerbsminderungsrente, nachdem er krankheitsbedingt nach 35 Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden musste. Seine Familie mit drei Kindern ist seitdem auf das Bürgergeld angewiesen.
Seit langem engagiert sich der Familienvater gegen die zu niedrig angesetzten Regelleistungen. Das hat weniger mit seiner persönlichen Meinung zu tun, wie er sagt, sondern damit, dass die Regelleistungen einfach nicht zum Überleben reichen.
Thomas Wasilewski hat sich als betroffener Bürger an verschiedene Abgeordnetenbüros unterschiedlicher Parteien gewandt, wie es in einer Demokratie üblich ist. Doch die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus.
Wir haben Thomas Wasilewski gefragt, wie es dazu kam und welche Erfahrungen er gemacht hat.
Sie haben verschiedene Abgeordneten Büros kontaktiert. Warum?
Ich lebe mit meiner Frau und unseren drei Söhnen in einer Bedarfsgemeinschaft. Meine Frau ist auf Grund ihrer Behinderung für den Arbeitsmarkt wertlos und ich bin nach 35 Arbeitsjahren erwerbsunfähiger Rentner und unbrauchbar.
Seit Jahren gehören wir zu den Menschen, die von der Hand in den Mund leben. Auch vom neuen Bürgergeld werden wir nicht satt. Regelmäßig kann ich unser Essen nicht bezahlen.
Dann stehe ich mit Geringverdienern, Rentnern, Kindern, Arbeitslosen, Obdachlosen und Flüchtlingen in der Hungerschlange an der Tafel.
Meine Anrufe, Briefe und E-Mails kommen sozusagen aus der Hungerschlange heraus nach oben in den Elfenbeinturm am Platz der Republik in Berlin – weil ich es nicht mehr ertrage, regelmäßig zu Kreuze zu kriechen.
Die Frage, die sich für mich persönlich stellen würde, ist nicht, warum ich die Abgeordneten kontaktiert habe, sondern viel eher, warum viele andere Betroffene es noch nicht gemacht haben.
Welche Hoffnung haben Sie damit verbunden?
In Deutschland leben 17 Millionen Menschen ein schlechtes Leben, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass die Not der Menschen verharmlost wird. Als Betroffener denke ich, dass für eine erfolgreiche Sozialpolitik eine intensive Kommunikation mit den Bürgern notwendig ist.
Die Rückmeldungen, die arme Menschen geben können, mögen nicht immer leicht verdaulich sein – aber sie könnten helfen, die Wirklichkeit ungeschminkt in den Blick zu nehmen. Das wäre kein schlechter Start für eine werteorientierte Politik.
Und um die Frage im Kern zu beantworten, als armer Mensch habe ich die Hoffnung, in einer Demokratie etwas verändern zu können und Einfluss nehmen zu können.
Welche Büros der Abgeordneten haben Sie kontaktiert?
Ich habe mich in den letzten 12 Monaten bei den Abgeordneten im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Bundestag telefonisch und schriftlich gemeldet. Darüber hinaus habe ich mehrere Hundert Politiker in Deutschland per E-Mail angeschrieben.
Nebenbei habe ich Mahnwachen vor Wahlkreisbüros und Parteizentralen abgehalten. Beim Solidarischen Herbst in Düsseldorf und am 1. Mai bin ich mitmarschiert, dabei sah ich häufig die Protagonisten der Politik und habe sie angesprochen.
Wie waren die Reaktionen?
Bei meinen Anrufen in den Büros der Bundestagsabgeordneten habe ich wörtlich gesagt: „Meine Familie kann sich das Essen nicht mehr leisten – der Kühlschrank bleibt immer öfter leer – an vielen Tagen haben wir Hunger – ich kann meinen Söhnen kaum noch Kleidung kaufen“ und „Könnte mich der Abgeordnete bitte zurückrufen“.
Jessica Tatti, MdB und das Team der Linksfraktion haben außergewöhnlich menschlich reagiert. Matthias W. Birkwald, MdB, hat sich direkt telefonisch zurückgemeldet und mich in sein Büro eingeladen. Dabei hat er auch nicht vergessen, mich zum Essen einzuladen.
Aus keiner der anderen Parteien hat sich ein Volksvertreter persönlich zurückgemeldet. In den Telefonaten mit den Abgeordnetenbüros wurde ich eiskalt abserviert und ohne ein Wimpernzucken emotionslos abgewimmelt.
Hatten Sie das Gefühl, dass die Notlagen von Bürgergeld-Beziehenden ernst genommen werden?
Die Linksfraktion hat meine Armut ernst genommen! In den anderen Büros der Obleute und Vorsitzenden im Ausschuss für Arbeit kam bei mir das Gefühl an, dass ich ihnen „die Zeit stehlen“ würde, oder als ob ich „den Hals nicht vollkriegen“ könnte, oder wie ein Parlamentarier neulich sagte: „Sie erzählen mir nichts Neues“ – die Art und Weise war beleidigend, abwertend und eher spöttisch.
Nach den Telefonaten sind mir als Christ die Worte von Jesus durch den Kopf gegangen: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan“. Von Nächstenliebe habe ich in den Telefonaten nichts gespürt.
Vielleicht bin ich zu sensibel, aber im Kontakt mit den Mitarbeitern der Volksvertreter hatte ich als armer Bittsteller oft genug das Gefühl, kein Mensch zu sein.
Haben Sie auch andere Institutionen kontaktiert? Wie waren dort die Reaktionen?
Ich habe den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts angeschrieben und für einen höheren Regelsatz geworben. Die Reaktion: „Funkstille“ – das war für mich ein absoluter Tiefschlag und eine sehr schmerzliche Enttäuschung.
Ich habe auch die Sozialverbände, den Paritätischen, den DGB, die Kirchen, die Diakonie und die Caritas angeschrieben.
Um einige von den zu nennen, die sich positiv abgehoben und sich bei mir anständig gemeldet haben: Martin Künkler DGB, Dr. Aust und Joachim Rock vom Paritätischen, Eva Maria Welskop-Deffaa, Präses Annette Kurschus, Michaela Hofmann vom Caritas Verband und Heike Moerland vom Diakonischen Werk haben angerufen, geschrieben und mich eingeladen.
Die Sozialverbände VdK und SoVD sind das Ganze sehr pragmatisch angegangen und haben mich als Musterkläger für höhere Regelsätze unter ihre Fittiche genommen.
Dass mein Brief an den Vatikan, also an Papst Franziskus, von der Apostolischen Nuntiatur beantwortet und ich angerufen wurde, hat mich sehr beeindruckt. Dort hatte ich hatte in jeder Sekunde das Gefühl, ein Mensch zu sein.
Wir danken für das Interview
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