Bürgergeld-Berechtigte sind bei den elementaren Dingen des Alltags darauf angewiesen, dass das Jobcenter sie unterstützt – diese Hilfebedürftigkeit ist die Voraussetzung, um diese Sozialleistung zu beziehen. Die Betroffenen müssen darauf vertrauen können, dass die zuständigen Mitarbeiter ihre Pflicht erfüllen, denn sonst stehen die Leistungsberechtigten ohne Mittel zum täglichen Leben da.
Inhaltsverzeichnis
Bummeln, Chaos und Überforderung
Immer wieder stehen Leistungsberechtigte jedoch zeitweise vor dem Nichts. Bummelei von Mitarbeitern des Jobcenters; Chaos in der Behörde, wo die eine Hand nicht weiß, was die andere tut; Überforderung der zuständigen Sachbearbeiter; das sind drei Gründe, die Hilfebedürftige in Not bringen.
Betroffene stehen im Nichts
Gefährliche Lücken im Übergang von einer Sozialleistung zur anderen sorgen dafür, dass Betroffene über Wochen hinweg keine Unterstützung bekommen – das Sozialamt fühlt sich nicht mehr zuständig, das Jobcenter noch nicht oder auch umgekehrt.
Leere Wohnung, weil das Jobcenter bummelt
Leidtragende sind dann immer die Leistungsberechtigten, wie der Fall eines engagierten Mannes zeigt. Der Betroffene musste einen Monat in einer nahezu leeren Wohnung verbringen, weil die zuständigen Mitarbeiter des Jobcenters wahlweise bei seinem Anliegen bummelten oder es komplett vergaßen.
Aus dem Abgrund gekämpft
Der Betroffene ist hoch motiviert und wirkt intensiv daran mit, eine Suchterkrankung unter Kontrolle zu bekommen. Er ist dabei, den Weg zurück in ein strukturiertes Leben zu gehen, und sein Zustand hat sich in den letzten Jahren verbessert.
Deswegen gilt er inzwischen nicht mehr als erwerbsunfähig und bezieht keine Leistungen der Sozialhilfe mehr, sondern er gilt als erwerbsfähig. Deshalb ist das Jobcenter zuständig, ihm Leistungen des Bürgergeldes auszuzahlen.
Aus dem Heim in eine eigene Wohnung
Die gesetzliche Betreuerin erläutert: „Joachim ist 35 und lebte einige Jahre in einem Pflegeheim. Er ist substanzabhängig und hatte eine drogenindizierte Psychose entwickelt. Inzwischen ist er substituiert und gut eingestellt, so dass ein Umzug in eine eigene Wohnung schon lange als möglich erschien. Natürlich mit ambulanter Pflege und Unterstützung.“
Der Wohnungsmarkt in seiner Heimatstadt Hannover ist angespannt, und mit einer psychiatrischen Diagnose ist es extrem schwer, überhaupt eine Wohnung zu finden. Joachim und seine gesetzliche Betreuerin suchten und suchten, und im Juli 2025 schafften sie es.
Jobcenter erteilt Genehmigung, und dann passiert nichts
Joachim fand eine passende Wohnung. Die gesetzliche Betreuerin beantragte umgehend beim Jobcenter die Genehmigung, die Wohnung anmieten zu dürfen und stellte zeitgleich den Hauptantrag auf Bürgergeld mit allen Anlagen ab Umzug – am 16. 07.2025.
Sie berichtet: „Am 18.8. und am 27.8. erhielt ich zweimal die Genehmigung, dass die Wohnung zum 15.09. angemietet werden darf (da wurde ich ja schon bösgläubig, dass das zweimal kam von unterschiedlichen Mitarbeitern) kam. Ich wurde aufgefordert den Hauptantrag mit allen Anlagen (nochmal) zu stellen, was ich dann am 24.08.25 abermals tat. Und dann passierte…. nichts.“
Antrag auf Erstausstattung gestellt
Die Betreuerin führt aus: „Beide Male hatte ich natürlich auch einen Antrag auf Erstausstattung gestellt, Am 15.09.25 zog Joachim in seine eigene Wohnung.
Er hatte sich einige Dinge vom Sperrmüll besorgt, denn Geld war ja nicht da. Einen Kleiderschrank sponserte ich ihm vorläufig und auch Bettwäsche und Töpfe und etwas Geschirr sammelten wir zusammen, so dass er leidlich in seiner Wohnung zurecht kam.“
Jobcenter steht unangemeldet vor der Tür
Sie fährt fort; „Als er vorlag reichte ich den Einstellungsbescheid des vormals zuständigen Sozialamtes nach und seine Ummeldung.
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Bescheid prüfenEs passierte wieder nichts, außer dass zweimal unangemeldet Job Center Mitarbeiter vor der Tür standen die den Bedarf auf Erstausstattung prüfen wollten. Joachim handelte richtig, schickte sie weg und sagte, bei solch einem Termin wolle er seine Betreuerin dabei haben und dieser sei der Termin schriftlich mitzuteilen.“
Betreuerin finanziert den Leistungsberechtigten und stellt Eilantrag
Joachim stand nach wie vor ohne jegliche Unterstützung der Behörden da. Seine Betreuerin erläutert: „Bürgergeld floß auch noch nicht, so dass ich am 07.10.2025 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Eilantrag) beim Sozialgericht Hannover stellte. Denn faktisch saß Joachim in einer leeren Wohnung ohne Geld für Essen etcetera (war natürlich nicht so, weil ich ihn auf Darlehensbasis in der Zeit sponserte).“
Erst einen Monat nach dem Antrag kommt die Antwort des Jobcenters
Am 17.10.2025 kam dann der Bescheid des Jobcenters, und dieses überwies das Bürgergeld seit dem 15.09.2025. Das Sozialgericht überwies der Betreuerin den Bescheid per Fax und fragte sie, ob damit das Verfahren erledigt wäre.
Kommt jetzt die Erstausstattung?
Am Montag, dem 03.11.2025 kommen jetzt die Mitarbeiter des Jobcenters wegen der Erstausstattung, diesmal mit schriftlicher Ankündigung. Die Betreuerin erwartet eine zähe Diskussion. Sie schreibt: „Das wird vermutlich nochmal ein kleiner Tanz, weil da ja gesponserte (auf Darlehensbasis) Möbel und einige vom Sperrmüll stehen.“
Es bleibt abzuwarten, ob die Mitarbeiter der Behörde es jetzt auch noch gegen den Leistungsberechtigten benutzen, dass private Hilfe und Müll notdürftig die Lücke schließen mussten, die durch de Untätigkeit dieser Behörde entstand.
Erfolgreiche Eilklagen
Die Betreuerin hat in den letzten zwölf Monaten bereits drei Eilklagen eingereicht, und alle waren erfolgreich. Das bedeutet, dass in allen drei Fällen die zuständigen Behörden ihren Aufgaben nicht in der Zeit nachkamen, in der es nötig gewesen wäre.
Detlef Brock: Kühlschrank, Waschmaschine oder Bett schließen nicht die Lücke einer Erstausstattung
Viele Bürgergeld Beziehende oder Sozialhilfeempfänger scheuen den Weg zum Amt oder helfen sich in ihrer unendlichen Not selbst- Sie besorgen sich Gegenstände für die Wohnung vom Sperrmüll und meistens sind diese aber defekt. Doch ist damit das Jobcenter außen vor?
Definitiv NEIN sagt der Bürgergeld Experte Detlef Brock.
So kann zum Beispiel ein Kühlschrank als Teil der Wohnungserstausstattung bezuschusst werden vom Jobcenter, wenn der zuvor genutzte – etwa vom Sperrmüll stammende – von Anfang an defekt war ( SG Bremen, Beschluss vom 06.12.2016 – S 6 AS 1654/16 ER – ). War die vorhandene (vom Sperrmüll kommende) Waschmaschine nicht mehr funktionstüchtig, ist von einem bestehenden Erstausstattungsbedarf auszugehen ( SG Bremen, Urteil vom 23.07.2015 – S 27 AS 160/12 – ).
Aber das Jobcenter muss auch eine Erstausstattung als Neuanschaffung erbringen, wenn alte Kinderbetten über den Sperrmüll beschafft wurden ( LSG NRW, Beschluss vom 29.08.2013 – L 19 AS 999/13 B rechtskräftig – ).
Pranger für Leistungsberechtigte, Ignoranz gegenüber Versagen der Jobcenter
Die Bundesregierung hat eine Verschärfung bei den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (derzeit Bürgergeld) angekündigt, was Gewerkschaften als „Herbst der Grausamkeiten“ bezeichnen.
Bei den geplanteren noch härteren Sanktionen gegen Leistungsbezieher steht immer nur das angebliche Verhalten Leistungsberechtigter am Pranger – und nicht das oft katatrophale Versagen der Behörden. Joachims Situation ist kein Einzelall. Bummelei, Überforderung oder Fehlentscheidungen der Jobcenter bringen immer wieder Leistungsberechtigte in existentielle Not. Die Bundesregierung schiebt jedoch den Leidtragenden den schwarzen Peter zu.




