In vielen Regionen klaffen offizielle Mietrichtwerte und tatsächliche Ausgaben weit auseinander. Vor allem Menschen, die Bürgergeld beziehen, spüren diese Lücke deutlich. Hier erfahren Sie, warum dieses Missverhältnis entsteht, welche konkreten Zahlen es belegen und wie Sie mit den Vorgaben umgehen können.
Inhaltsverzeichnis
Höhere Ausgaben, geringere Erstattung
Viele Haushalte erhalten entweder Wohngeld oder Bürgergeld, wenn ihr Einkommen nicht ausreicht. Wohngeld orientiert sich dabei an bestimmten Mietstufen. Diese Stufen richten sich nach den ortsüblichen Mietpreisen und erlauben ein höheres Einkommen, wenn der Wohnort teuer ist.
Bürgergeld hingegen folgt sogenannten „Kosten der Unterkunft“ (KdU), die in vielen Städten nicht an die realen Mieten angepasst sind. In Berlin, wo Mietpreise im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch liegen, gelten paradoxerweise eher niedrige KdU-Grenzen. Dadurch müssen einige Betroffene Teile ihrer Miete selbst finanzieren.
Das führt zu einer finanziellen Belastung, die Wohngeldbezieher oft nicht im gleichen Maße tragen müssen.
Unterschiedliche Mechanismen: Wohngeld vs. Bürgergeld
Wohngeld steht Menschen zu, die kein Bürgergeld erhalten, aber dennoch hohe Wohnkosten haben. Es dient als Zuschuss zu Miet- oder Eigentumskosten und berücksichtigt neben Haushaltsgröße und Einkommen auch regionale Mietstufen.
Diese Mietstufen reichen von 1 bis 7. Je höher die Stufe, desto höher fällt das Wohngeld aus. Wer zum Beispiel in einer Großstadt mit sehr hohen Mieten wohnt, bekommt dadurch einen größeren Zuschuss, wenn das Einkommen knapp ist.
Bürgergeld hingegen folgt dem Prinzip der „angemessenen Wohnkosten“. Dabei legt jede Kommune oder Stadt eigene Obergrenzen für Mieten fest. Die zuständigen Behörden ziehen Vergleichswerte aus dem lokalen Wohnungsmarkt heran.
Bei unzureichender Datenlage verspäten sich diese Aktualisierungen oder bleiben zu niedrig angesetzt. Genau dieser Punkt bringt Bürgergeld-Bezieher in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt in Schwierigkeiten.
Praxisbeispiel: Berlin und Dresden
In Berlin sind die Mieten bekanntermaßen hoch. Dennoch sind die Obergrenzen für Bürgergeld-Bezieher niedriger als in Dresden. Obwohl Dresden einen günstigeren Wohnungsmarkt hat, akzeptieren dortige Behörden teils höhere Sätze.
Ein-Personen-Haushalte in Berlin dürfen etwa eine Bruttokaltmiete von rund 449 Euro veranschlagen. In Dresden sind es etwa 450,50 Euro. Für zwei Personen liegt der Berliner Richtwert bei circa 543,40 Euro, während Dresden um die 557,64 Euro zulässt.
Mit jedem weiteren Haushaltsmitglied steigt dieser Wert zwar an, doch Berlin bleibt stets unter den Dresdner Vorgaben. Wer in Berlin wohnt, muss also oft Teile seiner Miete aus dem eigenen Regelsatz zahlen.
Diese Diskrepanz fällt im Alltag stärker ins Gewicht, als es die bloßen Euro-Beträge vermuten lassen. Denn Berliner Mieter zahlen für eine Wohnung laut Immobilienportalen durchschnittlich mehr als 12 Euro pro Quadratmeter. In Dresden liegt dieser Wert fast vier Euro darunter. Aus Sicht vieler Betroffener ist die Berliner KdU-Pauschale zu niedrig, um in hochpreisigen Bezirken über die Runden zu kommen.
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Gefahr einer Wohnkostenlücke
Eine zu knappe KdU-Grenze führt bei den Betroffenen häufig zu finanziellen Engpässen. Bürgergeldempfänger müssen den Differenzbetrag zwischen tatsächlicher Miete und dem vom Jobcenter anerkannten Satz oft selbst tragen.
Das bedeutet konkret: Das Geld für Lebensmittel oder andere wichtige Ausgaben wird knapper. Betroffene müssen sich einschränken, weil die KdU-Sätze nicht flexibel mit den ortsüblichen Mietkosten wachsen.
Wohngeldempfänger haben hier einen klaren Vorteil. Die staatliche Berechnung honoriert den teuren Wohnort mit höheren Zuschüssen. So entsteht der paradoxe Effekt, dass Menschen, die eigentlich in einer schlechteren finanziellen Lage sind, weniger Unterstützung erhalten als jene, die nur knapp kein Bürgergeld bekommen.
Mögliche Gründe für falsche KdU-Richtwerte
Die Kommunen sollen regelmäßig prüfen, ob ihre Obergrenzen noch zum aktuellen Wohnungsmarkt passen. In einigen Städten verzögert sich diese Aktualisierung jedoch. Denkbar ist, dass hohe Fallzahlen und komplizierte Berechnungen zu zeitlichem Verzug führen.
In Berlin leben nach aktuellen Schätzungen mehr als 220.000 Bedarfsgemeinschaften, die Bürgergeld beziehen. In Dresden sind es nur gut 21.000. Eine Großstadtverwaltung hat zwar mehr Personal, muss aber auch erheblich mehr Fälle bearbeiten. Das ist ein Grund, weshalb KdU-Sätze in manchen Metropolen nicht rechtzeitig angepasst werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass das Wohngeld bundesweit geregelt ist. Die Mietstufen werden in größeren Zeitintervallen überprüft und zentral verwaltet. Die KdU-Grenzen hingegen sind Angelegenheit der Kommunen. Jede Stadt kann eigene Richtlinien entwickeln, was zu deutlichen Unterschieden zwischen benachbarten Regionen führt.
Ein durchdachter Datenabgleich von Mietspiegeln und Angebotsmieten ist deshalb entscheidend. Wird diese Aufgabe vernachlässigt, zementiert das die finanzielle Diskriminierung einiger Stadtbewohner.
Betroffene sollten handeln
Wenn Sie das Gefühl haben, Ihre KdU-Grenzen sind zu niedrig bemessen, stehen Ihnen mehrere Möglichkeiten offen:
- Widerspruch einlegen: Legen Sie fristgerecht Einspruch gegen den Bescheid ein und verweisen Sie auf höhere Marktmieten.
- Unterstützung suchen: Beratungsstellen oder soziale Vereine helfen bei der Formulierung und Durchsetzung von Ansprüchen.
- Belege sammeln: Aktuelle Mietangebote, Marktmietspiegel und Expertengutachten können vor Gericht überzeugen.
- Umzugsalternativen prüfen: Wenn eine Behörde konsequent zu niedrige Sätze festlegt, könnte ein Wohnungswechsel ratsam sein.
Eine oder mehrere dieser Maßnahmen reichen nicht immer aus. Oft dauert es, bis die Ämter reagieren. Dennoch schaffen Sie durch Hartnäckigkeit und fundierte Belege eine bessere Ausgangslage.
Warum rechtzeitige Anpassungen nötig sind
Forschende von Universitäten betonen, dass eine mangelhafte KdU-Anpassung soziale Ungleichheit verstärkt. Wenn offizielle Mietobergrenzen meilenweit hinter der realen Mietentwicklung zurückliegen, steigen die Schulden bei Strom, Gas oder anderen Fixkosten.
Das kann die soziale Teilhabe schwächen, weil das benötigte Budget für Freizeitaktivitäten fehlt. Familien, die bereits wenig Spielraum haben, riskieren so noch mehr Einschränkungen.
In Städten wie Berlin sind bezahlbare Wohnungen knapp. Eine zu niedrige KdU-Grenze führt dazu, dass Betroffene entweder weiterziehen oder eine Lücke zwischen Regelsatz und echter Miete schließen müssen. Letzteres verschärft ihre wirtschaftliche Lage.
Im Ergebnis stehen immer mehr Menschen vor der Entscheidung, trotz hoher Kosten in ihrer Wohngegend zu bleiben oder in günstigere Vororte abzuwandern. Diese Entwicklung hat große Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung ganzer Stadtteile.
Chancen für ein einheitlicheres System
Einige Wohlfahrtsverbände fordern, die Regeln für Bürgergeld und Wohngeld stärker zu vereinheitlichen. Die Regierung könnte transparente Richtwerte entwickeln, die sich zügiger an die aktuelle Mietentwicklung anpassen. Damit ließen sich regionale Härten vermeiden und Klagen gegen zu niedrige KdU-Sätze vermindern.
Die Frage bleibt allerdings, wie sich der hohe Verwaltungsaufwand verringern lässt, den eine ständige Aktualisierung erzeugt.
Gleichzeitig mahnen Experten, dass auch das Wohngeld nicht in jedem Fall bedarfsgerecht greift. Wer nur knapp über der Bürgergeld-Grenze verdient, scheitert manchmal an bürokratischen Auflagen und muss Eigenkapital oder private Unterstützungen in Anspruch nehmen.
Dennoch zeigt das Beispiel Berlin-Dresden, dass Wohngeldbezieher bei teuren Wohnungen besser geschützt sind als Bürgergeld-Empfänger.