Bürgergeld: Jobcenter-Budget versickert in Bürokratie statt in Förderung

Lesedauer 3 Minuten

Eine aktuelle Analyse der Bertelsmann-Stiftung legt offen: Die deutschen Jobcenter investieren zu viel Kapital in ihre Verwaltung und zu wenig in die Vermittlung von Erwerbssuchenden. Zugleich fehlen gezielte Hilfen für Gruppen mit besonderem Unterstützungsbedarf, während Sanktionen häufig keine Wirkung entfalten.

Die finanzielle Schieflage bei den Jobcentern

Forscher der Bertelsmann-Stiftung untersuchten, wie sich das Budget der Jobcenter zusammensetzt. Ihr Ergebnis war eindeutig: Von 10,7 Milliarden Euro Gesamtmitteln floss 2024 ein Großteil, nämlich rund 6,5 Milliarden, direkt in den Verwaltungsapparat. Nur 3,8 Milliarden standen für konkrete Förderungen und Vermittlungsmaßnahmen zur Verfügung.

Das bedeutet, fast zwei Drittel der Gelder decken Behördenausgaben ab, statt die Arbeitsaufnahme zu unterstützen.

Für Betroffene ist das relevant, weil dieses Ungleichgewicht Fortschritte am Arbeitsmarkt verzögert. Wer auf Weiterbildungen hofft, wartet oft zu lange auf einen Kursplatz, weil die nötigen Ressourcen fehlen. Je höher das Verwaltungsbudget steigt, desto geringer werden zudem die verfügbaren Mittel für zielgerichtete Förderung.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass sich dieses Muster fortsetzt, wenn die Regierung wie geplant das Gesamtbudget anhebt, aber keine Reform anstößt.

Hintergrund zum Bürgergeld und seinen Empfängern

Das Bürgergeld ersetzt seit einiger Zeit die frühere Hartz IV-Regelung. Es soll Betroffene stärker unterstützen und zugleich Anreize setzen, schneller wieder einer Arbeit nachzugehen. In Deutschland beziehen zurzeit rund 5,45 Millionen Menschen Bürgergeld.

Darunter sind ungefähr 1,9 Millionen, die aktiv eine Stelle suchen und als arbeitslos gelten. Weitere 2,8 Millionen können aus verschiedenen Gründen nicht sofort in Jobs vermittelt werden. Das trifft zum Beispiel auf Personen zu, die Angehörige pflegen, sich in einer Ausbildung befinden oder aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht arbeiten können.

Hinzu kommen knapp 830.000 sogenannte Aufstockerinnen und Aufstocker, deren eigenes Einkommen nicht für den Lebensunterhalt reicht.

Reformbedarf: Mehr Fördern, weniger Bürokratie

Die Untersuchung hebt besonders hervor, dass die Verwaltungen ihre internen Abläufe verschlanken sollten. Aus Sicht der Fachleute braucht es schlankere Prozesse, damit mehr Budget in Weiterbildung und Vermittlung fließt. Noch ist es den einzelnen Jobcentern weitgehend freigestellt, wie sie ihre finanziellen Spielräume nutzen.

Einige setzen bereits auf digitale Services und optimierte Antragsverfahren, andere wiederum hinken technisch hinterher.

Praxisbeispiel: Wenn eine Mutter mit Pflegeverantwortung für ein krankes Kind arbeitslos wird, ist sie auf passgenaue Weiterbildung angewiesen. Doch hohe Verwaltungskosten und komplexe Zuständigkeiten erschweren oft die schnelle Bewilligung.

Ein effizienteres Jobcenter könnte dagegen in wenigen Wochen eine passende Schulung vermitteln und dadurch den Wiedereinstieg beschleunigen.

Weniger Bürokratie heißt auch, dass Anträge einfacher gestellt werden können und nicht in komplizierten Prüfroutinen stecken bleiben.

Fokus auf Gruppen mit besonderen Bedürfnissen

Die Forscher betonen, dass sich der Förderbedarf stark unterscheidet. Junge Menschen ohne Schulabschluss benötigen vor allem abschlussorientierte Qualifizierungen. Das könnte ein staatlich anerkannter Berufsabschluss sein, der die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht. Wer dagegen schon Berufserfahrung gesammelt hat, profitiert von gezielter Weiterbildung in einem bestimmten Fachbereich.

Einige Leistungsberechtigte haben außerdem gesundheitliche oder soziale Hürden, die eine Vermittlung erschweren. Sie benötigen intensive Betreuung und spezielle Programme. Das kostet Zeit und Geld, bringt aber langfristig mehr Stabilität. Laut Analyse bleibt dieser Aspekt oft auf der Strecke, weil die Jobcenter ihre Mittel für Verwaltungsaufgaben ausgeben müssen. Eine Umverteilung würde sicherstellen, dass mehr Menschen von diesen Förderinstrumenten profitieren.

Überarbeitete Sanktionen: Mäßigung statt Härte

Neben der Förderung rückt auch das Thema „Fordern“ in den Blick. Die Studie rät zu „moderaten Sanktionen“ statt zu dauerhafter Strenge oder lockerem Durchwinken. Forscherinnen und Forscher stellen fest, dass vor allem die Möglichkeit einer Sanktion einen positiven Effekt haben kann. Menschen verhalten sich kooperativer, wenn sie glauben, eine Kürzung könnte verhängt werden.

Tatsächlich verhängte Sanktionen hingegen zeigen laut Analyse langfristig keinen durchgängig positiven Effekt. Sie können sogar kontraproduktiv sein, weil sie Betroffene finanziell noch weiter belasten. Diesen Punkt übersehen viele oder wollen ihn übersehen, wenn es um die Beurteilung des Bürgergeldes geht.

Forderungen an die Politik: Wie es weitergehen könnte

Die Reform des Bürgergeldes steht auf der politischen Agenda. CDU und SPD haben sich in einem Sondierungspapier darauf geeinigt, wesentliche Punkte zu überarbeiten. Folgende Leitgedanken kristallisieren sich aus den Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung heraus:

1. Effizientere Verwaltung
Verkleinerte Bürokratie und besserer Mitteleinsatz beschleunigen den Zugang zu Weiterbildung und Jobsuche.

2. Gezielte Unterstützung für benachteiligte Gruppen
Qualifizierungen, die auf Schulabschlüsse oder konkrete Berufsprofile abzielen, erhöhen die Chance auf dauerhafte Beschäftigung.

3. Angemessene Sanktionen
Abschreckung durch mögliche Kürzungen statt flächendeckender Strafen soll Jobsuchende zum Mitmachen bewegen.

4. Mehr Investitionen in Vermittlung
Die Jobcenter sollen stärker in Kontakt mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern treten, um passgenaue Stellen zu finden.

5. Vereinfachte Prozesse
Ein schlanker und digital unterstützter Antrag minimiert Wartezeiten und verringert Fehlerquellen.