Jobcenter stimmen dem von der Bundesregierung geplanten Verschärfungen gegenüber Bürgergeld-Berechtigten zu.
Dabei kehren sie unter den Teppich, dass wesentlich Mitarbeiter und Strukturen der Behörde dafür (mit-)verantwortlich sind, dass Arbeitsuchende keine Stellenangebote bekommen, Weiterbildungen nicht stattfinden, Termine nicht wahrgenommen werden und Arbeitswillige im Bürgergeld-Bezug bleiben.
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Verschärfte Sanktionen, verkürzte Karenzzeit
2025 sollen die Sanktionen für Bürgergeld-Bezieher verschärft und die Karenzzeit für Schonvermögen gekürzt werden. Betroffene sollen in Zukunft einmal pro Monat persönlich bei der Behörde vorsprechen.
Jobcenter sind an der Belastungsgrenze
Jobcentern gefällt das, laut der Zeitung Merkur. Durch die Blume hinweg geben Mitarbeiter der Behörde aber zu, wo wirklich ein Problem liegt.
Die Zeitung zitiert aus einem Jobcenter: „Unsere Kollegen sind schon an der Belastungsgrenze. Wenn uns noch mehr Aufgaben gegeben werden sollen, muss das auch finanziert werden.“
Selbstüberschätzung und Inkompetenz
Zu dieser Überlastung kommt allzu häufig Inkompetenz und Selbstüberschätzung. So erstellen Mitarbeiter als fachliche Laien stümperhafte „psychologische Profile“ von Leistungsberechtigten, obwohl sie dazu weder befugt noch qualifiziert sind.
Solche Fehleinschätzungen sind nicht nur übergriffig, sondern sie sorgen auch dafür, dass die Arbeitsuchenden höchstwahrscheinlich keine geeignete Stelle finden.
Qualifikationen werden nicht eingetragen
Dann wieder versäumen es Mitarbeiter der Behörde, Qualfikationen in das jeweilige Profil einzutragen.
Zum Beispiel wunderte sich eine Bürgergeld-Bezieherin, die ihre Ausbildung zur Erzieherin sehr gut beendet hatte, warum sie über Monate hinweg kein einziges Stellenangebot bekam, obwohl Erzieherinnen gesucht werden.
Der Grund war: Der zuständige Mitarbeiter hatte ihren Berufsabschluss nicht eingetragen.
Gerichte müssen Fehler der Jobcenter korrigieren
Sozialgerichte sind nahezu durchgehend damit beschäftigt, Fehlentscheidungen von Jobcentern zu korrigieren, die Leistungsberechtigte zu Unrecht sanktionierten, und das oft, weil die zuständigen Mitarbeiter die Gesetze nicht kennen, nach denen sie arbeiten.
Absurde Bescheide
In manchen Fällen verschicken Jobcenter sogar Termine, die in der Vergangenheit liegen, oder die es nicht gibt (31. Februar), erinnern Verstorbene an ihre Mitwirkungspflicht oder senden „Bescheide“ ohne Text.
Gewalt gegenüber Leistungsberechtigten
Merkur zitiert einen Mitarbeiter eines Jobcenters, der es begrüßt, wenn Bürgergeld-Beziehern als Sanktion noch mehr vom Existenzminimum gestrichen wird als bisher.
Das verwundert keineswegs, denn eine vor kurzem veröffentlichte Studie belegt, dass die Angestellten der Jobcenter in einem autoritären Verhältnis zu Leistungsberechtigten stehen und symbolische Gewalt ausdrücken.
Großer Druck und mangelnde Ausbildung
Hinter Fehleinschätzungen, Übergriffen auf Leistungsberechtigte und rechtswidrigem Verhalten der Mitarbeiter der Behörde muss allerdings nicht einmal böse Absicht stehen.
Katharina-Sophia Gerking vom Leistungsservice des Jobcenters Hannover erklärte: Neue Mitarbeiter würden lediglich vier Monate Kurse belegen, und dies ersetze keine dreijährige Ausbildung. Nicht nur bei den Bürgergeld-Beziehern, sondern auch bei den Mitarbeitern herrsche großer Druck.
Kritik ist unerwünscht, Selbstreflexion die Ausnahme
Dabei ist das System darauf angelegt, diesen Druck, der auf den Mitarbeitern lastet, auf die Leistungsberechtigten abzuwälzen, denn Selbstreflexion und die Annahme von konstruktiver Kritik sind nicht vorgesehen.
Im Gegenteil: Die Soziologin Dr. Bettina Grimmer zeigt in ihrem Buch „Folgsamkeit herstellen – Eine Ethnographie der Arbeitsvermittlung im Jobcenter“, dass Jobcenter Leistungsberechtigte regelrecht zur Folgsamkeit abrichten.
“Keine Weiterbildungen, Budget aufgebraucht”
Arbeitsminister Hubertus Heil behauptet jetzt, die Jobcenter hätten ausreichend Möglichkeiten für Qualifizierung, Weiterbildung und Vermittlung und Arbeit.
Fast zeitgleich zur Behauptung des Ministers kam allerdings heraus, dass beim Jobcenter Bremen das gesamte Budget für Weiterbildungen für das Jahr 2024 bereits im Juli aufgebraucht ist.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.