Bürgergeld: Jobcenter will nicht, dass sich ein Paar trennt

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Frau M hat sich frisch getrennt. Sowas soll vorkommen. Frau M hatte kulturell bedingt sehr jung geheiratet. Als sich dann der Nachwuchs ankündigte, wurde es schwierig.

Zwar sind Frau M und ihr Mann traditionell erzogen, aber modern genug, um zu wissen, wenn es nicht mehr klappt. Beide sind in Deutschland zu Hause und finden es normal, dass man sich trennt, wenn die Beziehung nicht mehr funktioniert.

Die junge Frau braucht erst einmal Abstand. Da trifft es sich gut, dass der Nochehegatte eine kleine Eigentumswohnung hat. Zwar sollte diese eigentlich noch fertig gemacht und dann vermietet werden, aber nun ist es erstmal eine gute Möglichkeit Abstand zu gewinnen und zu überlegen, wie es weiter gehen soll.

Frau M zieht also mit Baby in die winzige und nur halbfertige Eigentumswohnung. Eine Küche fehlt zwar noch, aber es geht schon irgendwie.

Der Ehegatte verbleibt in der ehelichen 3-Zimmerwohnung.

Der Nochehemann ist aber nicht so ganz ungekränkt und verlangt Miete für seine Eigentumswohnung. Immerhin hätte er die Wohnung sonst anders vermieten können. Für die Miete und auch für Lebensmittel stellt Frau M einen Antrag beim Jobcenter. Und das Jobcenter hat Zeit bei der Antragsbearbeitung. Viel Zeit.

Nach der Beziehungspause kam die Trennung

Nach einigen Monaten der Freiheit beschließt das junge Paar, dass man getrennt bleibt. Es ist einfach besser, als sich immer zu streiten. Aber mit Baby in der winzigen Wohnung ist auf Dauer auch nichts. Das sehen beide ein.

Die beiden beschließen, das Beste für das Kind zu tun. Das Kind soll gut versorgt sein und Platz haben.

Die Eltern tauschen daraufhin die Wohnungen. Der Ehegatte zieht in seine Wohnung und Frau M zieht mit Kind zurück in die eheliche 3-Zimmerwohnung. Da beide im Mietvertag der 3-Zimmerwohnung stehen, ist das kein Problem.

Jobcenter will nicht für “persönliche Lebensentscheidungen” zahlen

Nur haben die beiden die Rechnung ohne das Jobcenter gemacht. Das Jobcenter steht nun auf der Matte und lehnt den Antrag der Frau M ab. Ernsthafte und offizielle Begründung: Das Jobcenter zahle nicht für persönliche Lebensentscheidungen. Wer sich trennt, bekommt hier gar nichts, weil man sich ja nicht trennen muss.

Kosten, die durch Trennung entstehen, werden nicht vom deutschen Steuerzahler übernommen!

Wenn Frau M bei Ihrem Mann bleiben würde, wäre dies viel billiger, sagt das Jobcenter.

Frau M kommt sich nun vor, wie in einer mittelalterlichen Zwangsehe. Seit wann ist denn das so, dass man sich nicht trennen darf? Und weshalb sollte man dann keine Hilfe vom Jobcenter für einen Neustart bekommen? Frau M glaubt nicht, dass sie nun auf sich gestellt ist.

Im folgenden Prozess ist dem Jobcenter keine Ausrede zu faul. Das Paar sei überhaupt nicht getrennt, die Eigentumswohnung sei an unbekannte Dritte vermietet und überhaupt soll die junge Frau erstmal woanders betteln gehen.

Die kleine Wohnung war ja noch nicht mal mit Küche, warum soll das Jobcenter sowas bezahlen? Und warum hat Frau M keinen Stromvertrag? Sie soll den Ehegatten aus dem Mietvertrag für die 3-Zimmer-Wohnung werfen. Die Aufenthaltserlaubnis ist bestimmt hinfällig.

Zwangsläufig hat sich Frau M im gesamten Familien- und Bekanntenkreis Geld geliehen, um über die Runden zu kommen. Im ganzen Trennungs- und Umzugswirrwarr hat sie auch die Ummeldung vergessen.

Sie wusste ja nicht einmal, ob sie nicht doch zu ihrem Mann zurückfindet und alles sich wieder einrenkt. Stromvertrag? Von was denn bezahlen? Den Ehegatten aus dem Mietvertrag werfen?

Moment, dann kann der Vermieter die Miete erhöhen, weil ein ganz neuer Vertag geschlossen werden muss. Eventuell ist die Miete dann nicht mehr angemessen. Teurer wird es dann auf jeden Fall. Für alle Beteiligten. Das muss ja nun wirklich nicht sein.

Viele Formulare und viele Anträge

Nun kämpft sie sich durch Unmengen an Anträgen. Im Alltag deutsch sprechen und verstehen ist ja nicht so schlimm. Aber Behördenformulare haben es in sich. Das ist nicht so leicht und braucht Zeit. Wie geht das mit dem Kindergeld? Was ist ein UVG? Wie funktioniert eine Scheidung? Da war doch auch was mit Unterhalt? Stromvertrag? Telefonvertrag? Internet? Elterngeld? Was ist eine Steuerklassenumschreibung?

Und der Ausländerbebörde muss auch noch Bescheid gesagt werden, damit der Aufenthaltstitel umgeschrieben wird. Oje. Dazu ein Säugling, der Frau M nachts wach hält und immer wieder Streit mit dem Nochehemann. Der Vermieter wird unruhig, weil Frau M die Miete nicht zahlt.

Das Jobcenter weigert sich nach wie vor irgendwas zu zahlen, weil man sich ja nicht trennen muss. Man soll doch lieber wieder zum Ehemann zurückgehen.

Endlich einigen sich Frau M und der Nochehemann über Kindesunterhalt. Das Kindergeld rollt an, das Elterngeld läuft nun auch. Das Jobcenter bleibt bei seinem mittelalterlichen Kurs: Ehe und Familie sind zu erhalten! Hier trennt man sich nicht! Jede Trennung ist nur persönlicher Spaß.

Jobcenter bewilligt nur einen Monat Bürgergeld und auch nur im Monat der Nachzahlung

Das Gericht gibt einen deutlichen Wink in Richtung Jobcenter. Und siehe da: Zähneknirschend bewilligt das Jobcenter Leistungen für…sage und schreibe einen Monat. Genau den Monat, in dem Kindergeld- und Elterngeldnachzahlungen ankamen und der Anspruch nur sehr gering ist. What?!

Den darauffolgenden Monat hat das Jobcenter bisher einfach mal aus dem Kalender gestrichen und für den Monat danach ist eine Stellungnahme aber kein Bescheid angekündigt.

Dafür fordert das Jobcenter jetzt aber, dass Frau M sich von den üppigen Bürgergeld-Leistungen einen Scheidungsanwalt nimmt, der aber mal zackig in weniger als 24 Stunden den Kindesunterhalt zu prüfen hat.

Blöd nur: Ohne aktuellen Bewilligungsbescheid hat das Amtsgericht auch kein Mitleid. Man muss schließlich Steuergelder sparen.

Da sitzen die Beratungshilfescheine nicht sehr locker. Und so einfach ohne Beratungshilfeschein ist ein Termin bei einem Anwalt für Familienrecht nicht zu bekommen.

Das Gericht erster Instanz hat im Eilverfahren dann eine Kehrtwende gemacht und die junge Frau im Regen stehen gelassen. Das Landessozialgericht hat dies dann korrigiert und zumindest einen Anspruch zugebilligt, der die Beantragung eines Beratungshilfescheins ermöglicht. Jetzt kann die junge Frau den Unterhalt berechnen lassen, um diesen dann geltend zu machen. Den Rest, den sie zum Leben braucht muss das Jobcenter dann übernehmen.

Es ist erschütternd, wenn das Jobcenter sich denkt, es dürfe die Lebensentscheidungen von Menschen kritisieren. Wenn dies dann dazu führt, dass junge Frauen gegen ihren Willen in Ehen verbleiben, setzt das ein schwerwiegendes Zeichen gegen Integration.

Denn nur, wenn die deutschen Sitten und Gebräuche -und darunter fällt auch Scheidung und Trennung! – ausnahmslos allen Menschen gewährt werden, kann Integration gelingen.

Hätte das Jobcenter die Leistungen einfach gewährt, hätte die junge Frau ebenso alle anderen Leistungen beantragen müssen. Nur hätte sie sich in der Zeit nicht im gesamten Familien- und Freundeskreis völlig unmöglich machen müssen.

Warum das Jobcenter hier am liebsten eine Zwangsehe durchgesetzt hätte ist nicht zu erklären.

Fakt ist: Jeder darf sich trennen. Auch, wenn dies bedeutet, dass ein Leistungsanspruch entsteht.