Bürgergeld: Jobcenter Norden schickt Einladung zur Jobvermittlung ins Hospiz

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Das Jobcenter Norden des Landkreis Aurich fordert eine Leistungsbezieherin auf, zu einem Termin im Jobcenter zu erscheinen, obwohl die Betroffene aufgrund einer schweren Erkrankung bereits in einem Hospiz ihren letzten Lebensweg geht. Und das, obwohl die Behörde seit Monaten über den Gesundheitszustand informiert ist.

Dem Jobcenter ist der Gesundheitszustand seit Monaten bekannt

Die betroffene Familie, bestehend aus einem selbstständigen Ehepaar, bezieht aufstockendes Bürgergeld vom Jobcenter Norden. Die Ehefrau (49) leidet an Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium und befindet sich seit Ende Januar in einem Hospiz.

Mit Pflegestufe 2 und 100 % Schwerbehinderung ist sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes auf künstliche Ernährung und eine Schmerzpumpe angewiesen. Trotz regelmäßiger Mitteilungen über den Gesundheitszustand der Frau, einschließlich aller notwendigen Informationen durch den Ehemann an das Jobcenter, erhielt die Familie eine äußerst fragwürdige Einladung zu einem Vermittlungsgespräch.

“Sie war über den Jahreswechsel mehrmals im Krankenhaus und ist seit Ende Januar im Hospiz”, berichtet der Ehemann. “Dann kam Post vom Jobcenter mit einer Einladung zu einem Vermittlungsgespräch, an dem sie teilnehmen sollte.”

Drohen Sanktionen?

Solche Termine müssen wahrgenommen werden, sonst drohen Sanktionen, also Leistungskürzungen. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen “bei Ablehnung eines Jobangebots” sogar Kürzungen von 100 Prozent der Regelleistungen drohen.

Will das Jobcenter also eine todkranke Frau noch vermitteln oder gar bei “Verweigerung” sanktionieren?

Der Ehemann rief sogleich in der Behörde an, um sich über die Einladung der Behörde zu beschweren. Ein Unding, dass er sich in solch schweren Stunden überhaupt darum kümmern muss. Die zuständige Sachbearbeiterin, der die prekäre Situation der Frau bereits bekannt war, war jedoch nicht erreichbar.

Statt Aktenkunde Serienbriefe

Stattdessen wurde der Ehemann mit einer Vertreterin verbunden, die sich offenbar nicht ausreichend informiert hatte. “Sie redete sich um Kopf und Kragen, das wären Serienbriefe, es gäbe nicht genug Personal, um die Akten einzusehen”, berichtet der Ehemann von dem Telefonat mit der Behörde. “Ich finde es pietätlos und unanständig, Menschen, die im Sterben liegen, noch solche Briefe zu schicken.”

Die betroffene Frau, Mutter von drei Kindern, eines davon minderjährig, hat bereits einen Mehrbedarf wegen ihrer Schwerbehinderung erhalten. Das ist aktenkundig, per Bescheid entschieden.

Derzeit wiegt die schwerkranke Frau nur noch rund 38 Kilogramm. Künstliche Ernährung, Schmerzmittelpumpe und Nasensonde sind nur einige der Herausforderungen, mit denen die Familie tagtäglich konfrontiert ist. Die Unmenschlichkeit, solche standardisierten Einladungen an Menschen im Sterbeprozess zu verschicken, wird durch die tatsächliche Kenntnis des Jobcenters über den Gesundheitszustand der Frau noch verstärkt.

Das Jobcenter Norden muss sich entschuldigen

Dieser Fall wirft ernsthafte Fragen über Empathie, Sensibilität und Verständnis auf. In solch tragischen Situationen ist es unerlässlich, dass öffentliche Einrichtungen wie das Jobcenter Norden ihre Verantwortung ernst nehmen und den Menschen mit Respekt und Anstand begegnen.

Von einer “individuellen Betreuung” und einer “Begegnung auf Augenhöhe”, wie sie mit der Einführung des Bürgergeldes versprochen wurde, kann zumindest im Jobcenter Norden keine Rede sein. Das Mindeste, was die Behörde jetzt tun kann, ist eine ehrliche und respektvolle Entschuldigung. Denn es geht nicht nur um “Fälle”, sondern um Menschen, die oft mit schweren Schicksalsschlägen zu kämpfen haben.

Anmerkung der Redaktion: Die Einladung des Jobcenters liegt der Redaktion vor. Eine Anfrage an das Jobcenter blieb bislang unbeantwortet.