Bürgergeld: Total-Sanktionen treffen die Hilflosen und Kranken

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Der Mythos vom “Totalverweigerer” wird verbreitet, um Bürgergeld-Bedürftigen komplett das Existenzminimum zu nehmen. Wenn es solche “Totalverweigerer” wirklich gibt, dann wären jedoch kaum sie von Totalsanktionen betroffen – treffen würde es stattdessen Hilflose.

Lutz Mania vom Jobcenter Berlin-Mitte stellt klar: „nicht jeder, der sagt, “Ich will das nicht”, will wirklich nicht. Er kann es vielleicht nicht, er traut sich das nicht mehr zu.“

Ana Paula Büsse vom Jobcenter Region Hannover zeigt ein gänzlich anderes Problem als “Arbeitsverweigerung” – eine Zunahme psychischer Grunderkrankungen, darunter traumatische Erfahrungen. Sie sagt: “Die Betroffenen sind oft hilflos und kommen in dem System nicht allein zurecht.”

Statt diese Hilflosen zu sanktionieren, hält sie es es für nötig, “ihnen zu helfen, persönliche Probleme zu meistern, traumatische Flucht Erlebnisse zu verarbeiten, um sie dann perspektivisch für den Arbeitsmarkt vorzubereiten.”

Nichtkönnen führt zu Sanktionen

Laut dem Verein Tacheles werden Leistungen voraussichtlich genau bei denen gestrichen, die Probleme haben, sich zu artikulieren. Denn, so Tacheles, “Sanktionen erfolgen nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen könnten (§ 31 Abs. 1 S. 2 SGB II).”

Es trifft die, die Hilfe benötigen

Laut Tacheles seien ausgerechnet die Menschen besonders von Totalsanktionen betroffen, die schlecht Deutsch sprächen, psychische Probleme hätten, oder nicht ausreichend lesen und schreiben könnten.

Der “Totalverweigerer”, der Bürgergeld bezieht und absolut nicht arbeiten will, wird besonders von AfD, CDU / CSU und FDP erfunden, um den kompletten Entzug des Regelsatzes durchzudrücken. SPD und Grüne haben dieser Hetze jetzt nachgegeben.

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Trickser kommen durch

Ein prototypischer “Totalverweigerer”, der Bürgergeld mit dem Ziel bezöge, nicht zu arbeiten und zugleich psychisch stabil wäre, fände Wege, um Sanktionen zu vermeiden: Statt Stellenangebote nicht wahrzunehmen, setzt er Bewerbungen gezielt in den Sand. Um an Maßnahmen nicht teilzunehmen, lässt er sich krank schreiben. Und und und.

Psychische Probleme führen zu Sanktionen

Wer im Sozialpsychiatrischen Dienst arbeitet, kennt hingegen Bürgergeld-Bezieher, die sich oft danach sehnen, nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu kommen. Deren Probleme können aber jetzt zu Totalsanktionen führen. Das sind Suchtkranke und / oder Menschen mit psychischen Einschränkungen.

Sanktionen statt Hilfe

Genau diese Probleme sind in der Regel ein Hauptgrund dafür, dass die Betroffenen von Bürgergeld abhängig sind. Das Risiko ist groß, dass ihnen jetzt das Existenzminimum entzogen wird – statt ihnen zu helfen.

Psychische Not ist keine Verweigerung

Beispiele, die nach der Gesetzeslage zu Sanktionen bis zum kompletten Streichen der Gelder führen können: Ein Mensch mit einer Angststörung traut sich nicht, zum Bewerbungsgespräch zu gehen. Ein Betroffener mit einer Depression ist nicht in der Lage, beim Jobcenter einen Termin abzusagen. Ein Alkoholiker hält sich nicht an eine Vereinbarung, weil er betrunken oder verkatert ist.

Besonders bei Suchterkrankungen und psychischen Problemen ist Vertrauen entscheidend, um sich nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Bereits die Drohung mit Totalsanktionen verschärft diese Probleme.

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