Leistungsberechtigte haben beim Bürgergeld einen Anspruch darauf, dass die Jobcenter “angemessene Kosten” der Wohnung übernehmen. Wenn Miete und Heizung diese “Angemessenheit” überschreiten, dann müssen die Leistungsberechtigten den Rest vom Regelsatz bezahlen, der am Existenzminimum bemessen ist.
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“Angemessenheit” bestimmen Kommunen sehr unterschiedlich
Der Sozialverband Deutschland fand jetzt in Nordrhein-Westfalen heraus, dass Kommunen und Jobcenter “Angemessenheit” nach eigenem Ermessen und äußerst unterschiedlich bestimmen. In manchen Kommunen wird Leistungsberechtigten erheblich mehr ihres Lebensunterhalts zur Miete abgeschröpft als in anderen.
Anfrage zur Wohnkostenlücke
Im Oktober 2023 hatte die “Die Linke” im Bundestag eine Anfrage zur Wohnkostenlücke 2022 gestellt, um Aufklärung zu bekommen, wie viele Leistungsberechtigte bei SGB II ihren Regelsatz zur Miete zuzahlen müssen.
Es stellte sich heraus, dass es dabei in den jeweiligen Kommunen gravierende Unterschiede gab.
In manchen Kommunen zahlen zehnmal mehr Leistungsberechtigte dazu als in anderen
Die Unterschiede derjenigen unter den Leistungsberechtigten, die Miete vom Regelsatz bezahlen müssen, lag in der Stadt Höxter bei 41,6 Prozent. In Münster, ebenfalls in Nordrhein-Westfalen waren es unter vier Prozent, in Dortmund 6,25 Prozent.
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In 15 Kommunen des Bundeslandes zahlten weniger als zehn Prozent der Leistungsberechtigten dazu, und in 25 Kommunen über 25 Prozent.
Was bedeutet das im Durchschnitt?
Auch auf den Durchschnitt an barem Geld berechnet unterscheidet sich die Lage in den einzelnen Städten und Kommunen Nordrhein-Westfalens sehr. Im Landesdurchschnitt zahlten Haushalte von Leistungsberechtigten 2022 im Schnitt rund 82 Euro der Wohnkosten selbst.
Während es aber in Düsseldorf 131 Euro pro Monat waren, betrug der Eigenanteil an der Unterkunft in Wuppertal im Schnitt 36 Euro.
Grund ist die Verantwortung der Kommunen
Der Sozialexperte Daniel Kreutz erklärt den Grund für diese deutlichen Unterschiede: Die einzelnen Kommunen bestimmen selbst die “Angemessenheit” der Wohnkosten. Kreutz weist darauf hin, dass diese Bestimmung der “Angemessenheit” durch die einzelnen Kommunen seit Jahren “höchst umstritten” sei.
Aufgabe des Arbeits- und Sozialministeriums
Eine einheitliche und weniger ungerechte Regelung liegt vermutlich in der Verantwortung des Arbeits- und Sozialministers des Bundeslandes. Dieser, Josef Laumann von der CDU, kehrt die ungleiche Behandlung der Leistungsberechtigten unter den Teppich.
“Möglicherweise verzerrte Statistiken!
Statt das Problem anzugehen behauptet Laumann, es handle sich “möglicherweise um verzerrte Statistiken”. Der Sozialverband Deutschland forderte Laumann nachdrücklich auf, Recht einheitlich anzuwenden. Kreutz schließt, dass Laumann ignorieren will, “was da tatsächlich los ist.”
“Ärger mit den Kommunen vermeiden”
Welchen Grund könnte der Minister haben, ein reales Problem bewusst wegzuwischen? Kreutz zufolge fürchtet Laumann einen Konflikt mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Diese werden aller Voraussicht nach darauf beharren, weiter selbst über “Angemessenheit” zu entscheiden. Den zweiten Grund erläutert Kreutz: „Und weil das Land zur Kostenerstattung verpflichtet wäre, falls etwaige Weisungen zu deutlichen kommunalen Mehrausgaben führen.”
Hungern wegen politischer Rangeleien
Leistungsberechtigte müssen also mancherorts rund 130 Euro ihres Mimimums für Ernährung, Kleidung und Körperpflege für die Miete ausgeben – wegen Machtspielen zwischen Ministerium und Kommunen.
Diejenigen, die sowieso nur das Nötigste zum Leben haben, müssen in der Konsequenz also hungern – wegen politischer Rangeleien.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.