Viele Kultur- und Kunstschaffende kennen das: Viele Menschen meinen, Kunst sei keine Arbeit. Diese Ansicht ist offenbar auch in den Jobcentern weit verbreitet. Denn immer wieder erreichen uns Hilfegesuche von Künstlern, die von den Jobcentern regelrecht schikaniert werden. Der Künstler Lutz H. Krietenbrink berichtet auf “X” von einem Fall krasser Amtsüberschreitung.
Künstler haben immer wieder schwankende Einnahmen
Nur wenige Künstler können dauerhaft von ihrer Kunst leben. Die Einkommenssituation ist immer schwankend und abhängig von der Auftragslage und der Akzeptanz der Kunstobjekte.
Manche Künstlerinnen und Künstler sind daher zeitweise immer wieder auf die meist aufstockende Bürgergeld-Leistungen angewiesen. Das führt aber immer wieder zu Ärger mit der Leistungsbehörde.
Räumlichkeiten überprüfen und Fotos von den Kunstobjekten
Wie grenzüberschreitend und (amts-)arrogant dieser Ärger sein kann, davon berichtet der Künstler Lutz H. Krietenbrink. Das Jobcenter schickte “Fahnder” in das Atelier eines befreundeten Künstlers. Er selbst war als Zeuge vor Ort.
Man wolle die Räumlichkeiten überprüfen, ob tatsächlich künstlerische Tätigkeiten ausgeübt werden, hieß es vom Ermittlungsdienst des Jobcenters.
Die Jobcenter-Mitarbeiter führten sich auf, als wären sie die Polizei. Statt einfach nur die Räumen kurz in Augenschein zu nehmen, wollten die “Ermittler” nun auch Fotos von den Kunstobjekten machen.
Wollte das Jobcenter die Kunst bewerten? Welche Qualifikation hat der Ermittlungsdienst hierfür?
Erst als ihnen mit der wirklichen Polizei gedroht wurde, verließen sie wieder das Atelier, so Krietenbrink.
Ohne Ankündigung standen sie vor der Tür
“Ohne Ankündigung, ohne Termin, ohne anklopfen drangen die Männer ein. Es bestünde der Verdacht, dass eine berufliche Tätigkeit nur vorgetäuscht werde, um Mitwirkung nicht leisten zu müssen.”
Krietenbrink berichtet, dass auch ihm im letztes Jahr seitens des Jobcenters der Vorwurf gemacht wurde, seine Kunst sei angeblich keine Arbeit.
“Ich musste 12 Monate dagegen angehen und habe erst dieses Jahr im Februar mit großer Hilfe der Gewerkschaft “Ver.di” durchgerungen wieder als “Bürgergeld-Aufstocker” anerkannt zu werden”, so der Künstler gegenüber unserer Redaktion.
Darf das Jobcenter das?
Die Frage ist, darf das Jobcenter das überhaupt? Und welche Rechte haben Bürgergeld-Beziehende?
Auch dem Jobcenter kann der Zutritt zur Wohnung verweigert werden. Das Grundrecht nach Artikel 13 des Grundgesetzes über die Unverletzlichkeit der Wohnung besagt, dass niemand die Wohnung betreten darf.
Eine Erzwingung (Stichwort: Hausdurchsuchung) darf nur durch die Polizei mit richterlicher Anordnung (Durchsuchungsbeschluss) erfolgen. Und diese Befugnis hat auch der Außendienst des Jobcenters nicht, auch wenn sich die Mitarbeiter der Behörde teilweise so aufführen.
Die Leistungsberechtigten sind also nicht verpflichtet, den Außendienst in die Wohnung zu lassen. Auch darf der Ermittlungsdienst keinen Druck ausüben, was in der Praxis jedoch auch häufig vorkommt.
Aber: Um den Sachverhalt aufzuklären, muss der oder die Betroffene den Verdacht auf andere Weise ausräumen. An dieser Stelle müssen die Leistungsberechtigten – je nach Vorwurf – mitwirken, sonst kann das Jobcenter die Leistungen auch wegen “fehlender Mitwirkungspflicht” versagen.
Mehr zu diesem Thema haben wir in einem auführlichen Beitrag erläutert, denn ihr hier findet: Bürgergeld: Wenn das Jobcenter einen Hausbesuch ankündigt