Bürgergeld: Wenn das Jobcenter einen Hausbesuch ankündigt

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Das Jobcenter zweifelt alles an. Vor allem dann, wenn es vermutet, weniger Bürgergeld-Leistungen zahlen zu müssen. Wenn nämlich zwei oder mehr Menschen in einer Wohnung leben und mindestens eine Person Bürgergeld bezieht, wird das Jobcenter versuchen festzustellen, ob tatsächlich keine Einstehens- bzw. Bedarfsgemeinschaft vorliegt.

Liegen der Behörde Anhaltspunkte vor und kann nicht anders “ermittelt” werden, macht der Ermittlungsdienst des Jobcenters einen Hausbesuch.

Wohngemeinschaften werden häufig verdächtigt, eine Bedarfsgemeinschaft zu sein

Auf der Plattform “Twitter” schreibt ein User: “Bei einer Freundin hat das Jobcenter geklingelt, um die Wohnung anzuschauen, ob sie in einer Beziehung mit dem Mitbewohner ist.” Hierbei wurde auch eine Bettenschau gemacht und geschaut wie die Küchenaufteilung ist. Doch was darf die Behörde und was nicht?

Darf das Jobcenter unangekündigt einen Hausbesuch abstatten?

Bevor der Ermittlungsdienst kommt, muss immer ein “begründeter Verdacht” nach § 20 SGB X und ein Prüfbericht vorliegen.

Zunächst einmal darf der Ermittlungsdienst des Jobcenters in der Regel nicht unangemeldet kommen. In den Fachlichen Weisungen § 6 SGB II der Bundesagentur für Arbeit heißt es dazu: “Hausbesuche sind grundsätzlich vorher anzukündigen, es sei denn, die Ankündigung würde den Zweck des Hausbesuches vereiteln”.

Das bedeutet aber auch, dass unangekündigte Hausbesuche auch stattfinden können, wenn z.B. festgestellt werden soll, ob der oder die Leistungsberechtigte tatsächlich an der angegebenen Adresse wohnt.

Wenn das Jobcenter einen begründeten Verdacht auf Leistungsmissbrauch hat, können die Mitarbeiter des Jobcenters auch unangemeldet kommen. “Die Notwendigkeit unangekündigter Hausbesuche ergibt sich insbesondere bei Verdacht auf Leistungsmissbrauch, z.B. zur Feststellung des tatsächlichen Aufenthalts. Die Gründe hierfür sind ebenfalls zu dokumentieren.

Der Ermittlungsdienst kommt immer zu zweit

Der Ermittlungsdienst wird immer zu zweit kommen, um entsprechend zu zweit aussagen zu können. Außerdem müssen sich die Mitarbeiter des Jobcenters immer ausweisen. Betroffene sollten sich daher immer als ersten Schritt einen Ausweis zeigen lassen, wenn der Ermittlungsdienst vor der Tür steht.

Wenn der Ermittlungsdienst vor der Tür steht und die Sachbearbeiter sich entsprechend mit einem amtlichen Ausweis ausgewiesen haben, müssen sie den Grund für den Hausbesuch nennen. Wurde der Hausbesuch angekündigt, ist der Grund bereits in der Ankündigung enthalten.

Müssen Bürgergeld-Bezieher den Hausbesuch zulassen?

Auch dem Jobcenter kann der Zutritt zur Wohnung verweigert werden. Das Grundrecht nach Artikel 13 des Grundgesetzes über die Unverletzlichkeit der Wohnung besagt, dass niemand die Wohnung betreten darf. Eine Erzwingung (Stichwort: Hausdurchsuchung) darf nur durch die Polizei mit richterlicher Anordnung (Durchsuchungsbeschluss) erfolgen.

Die Leistungsberechtigten sind also nicht verpflichtet, den Außendienst in die Wohnung zu lassen. Auch darf der Ermittlungsdienst keinen Druck ausüben, was in der Praxis jedoch häufig vorkommt.

So steht es in den Fachlichen Weisungen: “Die betroffene Person hat das Recht, den Außendienstmitarbeiterin- nen und -mitarbeitern den Zutritt zu ihrer Wohnung zu verweigern; über dieses Recht und die Folgen der Verweigerung ist sie zu be- lehren. Die betroffene Person darf nicht unter Druck gesetzt werden. Sie entscheidet selbstständig, ob sie dem Außendienst Zutritt gewährt oder nicht.”

Aber: Um den Sachverhalt aufzuklären, muss der oder die Betroffene den Verdacht auf andere Weise ausräumen. An dieser Stelle müssen die Leistungsberechtigten – je nach Vorwurf – mitwirken, sonst kann das Jobcenter die Leistungen auch wegen “fehlender Mitwirkungspflicht” versagen.

Was darf das Jobcenter bei einem Hausbesuch?

Wenn ein Mitarbeiter des Jobcenters die Wohnung betritt, stellt sich für viele Betroffene die Frage, wie weit die Durchsuchung gehen darf. Vor einigen Jahren sorgte ein Fall in Ravensburg für Empörung: Dort durchsuchte ein Jobcenter-Mitarbeiter sogar die Unterwäsche der 16-jährigen Tochter einer Leistungsempfängerin – ein absolut inakzeptables Vorgehen.

Ähnlich wie bei der Frage, ob das Jobcenter die Wohnung überhaupt betreten darf, liegt auch die Entscheidung über die Kontrollintensität bei den Bürgergeldbeziehern: Sie bestimmen, welcher Schrank oder welche Schublade geöffnet wird. Nur weil Sie dem Jobcenter Zutritt gewähren, heißt das nicht, dass die Mitarbeiter uneingeschränkt alles durchsuchen dürfen.

Dürfen auch Schränke durchsucht werden?

In den fachlischen Weisungen liest sich das so: “Eine routinemäßige Durchsicht der Schränke ist nicht zulässig. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann sie jedoch erforderlich sein, wenn eine Sachverhaltsklärung sonst nicht möglich wäre. Hierzu bedarf es jedoch der ausdrückli- chen Einwilligung der betroffenen Person.”

Wenn Ihre Privat- oder Intimsphäre bedroht ist, haben Sie jederzeit das Recht, den Hausbesuch abzubrechen. Auch der Ermittlungsdienst darf den Abbruch eines Hausbesuchs nicht verweigern oder Druck ausüben. Alle bis zu diesem Zeitpunkt gesammelten “Beweise” dürfen verwendet werden.

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Befragung von Nachbarn, Hausmeister und Minderjährigen erlaubt?

Keinesfalls darf ein Hausbesuch in eine Hausdurchsuchung ausarten. Die Befragung von Minderjährigen, Nachbarn oder Hausmeistern ist grundsätzlich ebenso tabu wie eine verdeckte Überwachung (Observation). Auch Foto- oder Videoaufnahmen dürfen nur in besonderen Fällen und nur mit Ihrer Einwilligung gemacht werden.

Indizien für eine Bedarfs- oder Einstehensgemeinschaft?

Weder gemeinsames Kochen, Putzen, Waschen und Einkaufen noch eine sexuelle Beziehung sind ausreichende Kriterien, um von einer eheähnlichen Gemeinschaft zu sprechen.

Vielmehr muss eine ernsthafte und auf Dauer angelegte Beziehung vorliegen, die nicht nur eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft ist, sondern bei der auch ein gegenseitiges Einstehen in Notfällen erwartet werden kann.

Ein wichtiges Kriterium für eine solche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist ihre Dauerhaftigkeit, wie das Hessische Landessozialgericht bereits entschieden hat (AZ L 7 As 23/06 ER).

Aber Vorsicht: Wer Kontovollmachten erteilt oder gar ein gemeinsames Konto führt, macht deutlich, dass eine Einstands- oder Bedarfsgemeinschaft besteht.

Fazit

Grundsätzlich können und sollten Bürgergeldberechtigte einem Hausbesuch widersprechen. Vermeintliche Beweise können zu neuen Verdachtsmomenten führen. Wer den Ermittlungsdienst des Jobcenters dennoch in die Wohnung lässt, hat Anspruch auf einen Beistand. Außerdem sollte nach dem Hausbesuch immer eine Kopie des Prüfprotokolls verlangt werden.

Sollten darin Vermutungen oder Verdachtsmomente enthalten sein, sollte dem schriftlich widersprochen werden. Vermutungen oder Verdächtigungen seitens des Jobcenters sollten auf andere Weise ausgeräumt werden, da ansonsten eine Leistungseinstellung drohen könnte.

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