Ein Anspruch bei Bürgergeld besteht, wenn Menschen erstens ihr Existenzminimum nicht selbst sichern können und zweitens grundsätzlich erwerbsfähig sind.
Beides trifft auf Studierende viel häufiger zu als im Durchschnitt der Bevölkerung. 40 Prozent von ihnen gelten als armutsgefährdet. Das sagen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
Haben Studenten also Anspruch auf Bürgergeld? Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, erklären wir in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Finanzielle Probleme und existenzielle Not
Arme Studenten stehen vor den gleichen Herausforderungen wie andere Menschen, denen die nötigen Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Unterkunft fehlen.
Auch wer es knapp über den Monat schafft, mit günstigen Lebensmitteln und Sonderangeboten, bekommt spätestens dann Probleme, wenn auf einmal größere Kosten anstehen.
Das kann eine Nachzahlung bei den Stadtwerken sein oder ein kaputter Kühlschrank. Kommt es zu Mietschulden, dann ist Wohnungslosigkeit eine reale Gefahr.
Zusätzliche Kosten
In fast allen Studiengängen müssen Studierende zusätzliche Kosten stemmen. Diese reichen von Arbeitsmitteln wie Laptops, Softwareprogrammen oder kostenpflichtigen Onlinediensten bis zur Teilnahme an Exkursionen und Praktika.
Studierende in besonderen Situationen
Wenn Studierende in einer besonderen Situation sind, haben sie zusätzliche Aufwendungen zu stemmen. Dies gilt etwa für Alleinerziehende oder für Studierende mit Behinderungen und solche, die chronisch erkrankt sind.
Das BAföG reicht nicht
Das BAföG wurde zwar geringfügig erhöht, reicht aber längst nicht aus, um in vielen solchen Fällen das Existenzminimum zu sichern, insbesondere angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten, wie Mieten, Energiepreise und allgemeine Lebenshaltungsausgaben, die kontinuierlich wachsen und das Budget der Studierenden stark belasten.
Bürgergeld bedeutet Hilfebedürftigkeit
Können Studierende in finanzieller Not Bürgergeld beziehen? Die Antwort lautet: Grundsätzlich ja.
Die Voraussetzung, um Bürgergeld zu beziehen, ist Hilfebedürftigkeit. Zudem muss man mindestens drei Stunden pro Tag arbeiten können, also als erwerbsfähig gelten und dem Arbeitsmarkt generell zur Verfügung stehen.
Andere Leistungen stehen vor dem Bürgergeld
Studierende können Bürgergeld bekommen, wenn sie den Nachweis erbringen, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst finanzieren können, trotz BAföG, Nebenjobs oder anderen Leistungen.
Das Jobcenter verweist grundsätzlich darauf, andere Leistungen auszuschöpfen und prüft dann auch, ob tatsächlich Hilfebedürftigkeit vorliegt.
Wohngeld und Kinderzuschlag
Studierende, deren Einkommen zwar gerade ausreicht, um den Lebensunterhalt zu decken, nicht aber, um die Kosten der Unterkunft zu bezahlen, liegen über der Grenze, ab der Bürgergeld anerkannt wird.
Dafür haben Sie aber einen Anspruch auf Wohngeld. Dieses beträgt in der Regel über 300 Euro pro Monat.
Auch ein Kinderzuschlag ist möglich, wenn das Einkommen über der Grenze der Hilfebedürftigkeit beim Lebensunterhalt, liegt aber deutlich unter dem Durchschnitt.
BAföG und Unterhalt
BAföG wird beim Bürgergeld angerechnet, und das gilt auch für Unterhaltszahlungen der Eltern. Das Bürgergeld ist dann kein Mindesteinkommen und auch keine zusätzliche Sozialleistung.
Wer mit BAföG und monatlichen Zahlungen der Eltern auf die Höhe des Bürgergeldes kommt, der hat keinen Anspruch mehr auf dieses.
Eine Ausnahme ist der Kinderbetreuungszuschlag beim BAföG (Paragraf 14). Denn dieser dient nicht dem Lebensunterhalt und ist deshalb bei der Berechnung des Bürgergeldes auch kein Einkommen.
Der Teil des BAföGs, der für Ausgaben des Studiums selbst vorgesehen ist, darf vom Jobcenter ebenfalls nicht beim Bürgergeld angerechnet werden.
Solche Ausgaben sind etwa Fachliteratur, das Semesterticket, aber auch Beiträge an das Studierendenwerk. Beim Jobcenter gilt hier eine Pauschale von 100 Euro, die nicht angerechnet wird.
Im Einzelfall kann das Jobcenter auch höhere Beiträge vom angerechneten Einkommen abziehen. Diese sollten aber nachgewiesen werden. Hier kann es sich zum Beispiel um Büromaterial handeln, um Kopierkosten, um Stifte oder ähnliche Ausgaben, die oft Anfang des Semesters anfallen.
Eine entsprechende Erhöhung der Pauschale gilt beim Jobcenter dann immer für den jeweiligen Monat.
Wer kann mit Bürgergeld rechnen?
Mit Bürgergeld rechnen können also vor allem Studierende, denen Eltern keinen Unterhalt zahlen, die auch kein BAföG erhalten, und deren Mittel nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu decken.
Bürgergeld bedeutet Arbeitssuche
Wer Bürgergeld bezieht, der gilt als grundsätzlich erwerbsfähig und verpflichtet sich, aktiv Arbeit zu suchen – in Kooperation mit dem Jobcenter.
Sind Studierende auf Arbeitssuche?
Eine Berechtigung zum Bürgergeld hakt bei Studierenden bei dem Punkt Arbeitssuche. Studierende suchen weder eine reguläre Vollzeit- noch eine reguläre Teilzeittätigkeit.
Im Studium befinden sie sich vielmehr in einer Ausbildung und bislang nicht mitten im allgemeinen Arbeitsmarkt.
Das Jobcenter springt aber nur ein, wenn eine grundsätzliche Vermittlung in Arbeit das Ziel ist. Allerdings gibt es auch viele nicht studierende Bürgergeld-Bezieher, die in der konkreten Situation nicht vermittelt werden.
Das beginnt bei Menschen, die Angehörige pflegen, geht über Alleinerziehende, die wegen Kinderbetreuung nicht voll arbeiten können und reicht bis zu Aufstockern, die bereits in Erwerbsarbeit sind, aber nicht genug verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
Volles Bürgergeld bei Teilzeitstudium
Es gibt allerdings eine Gruppe in Hochschulausbildung, die voll zum Bürgergeld berechtigt ist, und das sind die Teilzeitstudierenden.
Diese werden nicht von Bürgergeldleistungen ausgeschlossen, wenn ihr Studium maximal 20 Stunden pro Woche in Anspruch nimmt. Damit ist die Vermittlung in Teilzeitarbeit für sie weiterhin möglich.
Bei ihnen gilt das Gleiche wie für teilweise Erwerbsgeminderte: Der Gesetzgeber fasst Erwerbsfähigkeit als Voraussetzung für Bürgergeld als die Möglichkeit, mindestens drei Stunden pro Tag einer Erwerbsarbeit nachzugehen.
Bei einem Vollzeitstudium wäre das kaum möglich, bei einem Teilzeitstudium geht es jedoch. Auch bei einem Fernstudium wird das Jobcenter Sie als erwerbsfähig ansehen.
Es geht nicht um ihre eigene Tagesstruktur
Denken Sie daran: Es geht nicht um ihre individuelle Tagesstruktur. Jobcenter machen keinen Unterschied, ob Sie nur einmal die Woche zur Uni gehen, wenn das Studium als Vollzeitstudium ausgeschrieben ist.
Das kann sogar dazu führen, dass die Behörde die Erstattung bereits geleisteter Zahlungen fordert, und dann kommen Sie als Studierender mit leerem Geldbeutel in arge Bedrängnis.
Es geht also um das Formale. Umgekehrt wird das Jobcenter Ihnen nämlich keine Leistungen streichen, weil Sie in ihrem Teilzeitstudium real Nächte vor dem Laptop verbringen.
Was können Sie tun?
Lassen Sie sich unbedingt von ihrer Universität bestätigen, falls dies der Fall ist, dass es sich um ein Teilzeitstudium handelt. Viele Teilzeitstudiengänge sind, auch wegen Arbeits- und Sozialrecht, ausdrücklich als solche ausgeschrieben.
Manche sind es jedoch nicht, und darauf sollten Sie genau achten.
Förderung bei Promotion
Wer seine Dissertation schreibt, hat die Studiendauer des BAföGs fast immer überschritten. Ohne Stipendium ist Bürgergeld eine Möglichkeit, eine Doktorarbeit zu überstehen und wird auch gewährt.
Die Doktorarbeit gilt nämlich wie ein Teilstudium als Nebenjob, und das Jobcenter stuft Doktoranden grundsätzlich als erwerbsfähig an.
Promotion und Bürgergeld – Verträgt sich das?
Beim Teilzeitstudium und noch mehr bei der Promotion kommt es stark auf das Verhältnis zum zuständigen Sachbearbeiter an, welche Probleme es zwischen Jobcenter und Studium gibt.
Eine Promotion ist nämlich kein “Nebenjob”. Vielmehr ist es während einer Doktorarbeit wichtig, dass zusätzliche Jobs während dieser Forschungsleistung mit dieser vereinbar sind.
Das bedeutet im Idealfall: Der Sachbearbeiter und der Doktorand suchen sich gezielt Teilzeitstellen, in denen der Forschende seine Fähigkeiten einbringen kann und / oder sogar gerade während seiner Dissertation daran arbeitet.
Problematisch wird es, wenn der Doktorand etwa Termine in Archiven, zur Recherche oder für Interviews hat, und der zuständige Mitarbeiter ihm genau dann gänzlich andere Jobs zuweisen will und mit Sanktionen droht, falls der Bürgergeld-Bezieher diese nicht annimmt.
Bei Kooperation mit dem zuständigen Sachbearbeiter kann Bürgergeld eine vielversprechende Möglichkeit sein, um sich in einer finanziell, geistig und psychisch schwierigen Situation über Wasser zu halten.
Fazit
Es ist möglich, als Studierender Bürgergeld zu beziehen. Das gilt aber nur für bestimmte Fälle und nicht bei einem Vollzeitstudium. Sie sollten sich in der oft problematischen finanziellen Lage als Studierende genau informieren, welchen Anspruch auf welche Leistungen bei welchen Behörden Sie haben.
Der jeweilige ASTA und das zuständige Studierendenwerk können hier ebenso helfen wie die Fachleute bei den Sozialverbänden.
Am besten nehmen Sie solche Beratung bereits in Anspruch, bevor Sie in akute Not geraten.
- Über den Autor
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.