Frau S hat endlich einen Job gefunden. Die Freude ist groß und Frau S macht es auch nichts aus für den Job 150 km weit umzuziehen. Der Arbeitgeber vermietet ihr auch gleich ein Zimmer in der Angestelltenwohnung.
Das Jobcenter bewilligt tatsächlich Einstiegsgeld. Zwar nicht besonders lange, aber immerhin. Das Geld erleichtert den Start ins neue Berufsleben.
Chefin will dass zum Mindestlohn gearbeitet wird
Nach wenigen Wochen kommt die Chefin zu Frau S und erklärt, Frau S müsse zukünftig zum Mindestlohn arbeiten, sonst müsse sie in der Probezeit entlassen werden. Puh. Das ist schon eine nicht sehr wertschätzende Art der nachträglichen Gehaltsverhandlung.
Aber Frau S stimmt zu. Eigentlich ist der Mindestlohn weit unter ihrer Qualifikation, aber sie möchte lieber zum Mindestlohn arbeiten, als gar nicht. Schließlich ist sie extra für den Job umgezogen und eine andere Wohnung hat sie auch nicht. Ist der Job weg, ist sie plötzlich obdachlos.
Plötzlich gekündigt
Aber die Chefin meldet sich dann nochmal. Sie möchte nun gar niemanden mehr beschäftigen. Frau S soll die Angestelltenwohnung verlassen. Frau S macht noch ihren Urlaub geltend und informiert das Jobcenter über das Ende des Arbeitsverhältnisses. Sie schreibt einen normalen Brief an das alte Jobcenter.
Frau S gibt nicht auf. Arbeitgeber gibt es bestimmt am neuen Wohnort einige mehr. Also sucht sie sich eine neue Wohnung und meldet sich erst einmal beim Jobcenter am neuen Wohnort.
Am nächsten Monatsanfang findet Frau S Einstiegsgeld auf Ihrem Konto. Ach, denkt sie sich, die arbeiten aber langsam beim Jobcenter. Als sie auch im Folgemonat wieder Einstiegsgeld erhält, reicht es ihr und sie schreibt dem alten Jobcenter nochmal, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und bittet darum, die Zahlungen nun wirklich einzustellen.
Das Jobcenter kommt dann ins Arbeiten und merkt, dass es zu viel Einstiegsgeld gezahlt hat. Es folgt: Ein Rückforderungsbescheid. Frau S zahlt natürlich das Geld zurück. Sogar sofort.
Dann erhält Frau S Post von der Ordnungswidrigkeitenstelle. Frau S habe das Ende der Beschäftigung zu spät angezeigt, dies sei eine Ordnungswidrigkeit. Frau S nimmt Stellung. Sie hat schließlich einen Brief geschrieben und mitgeteilt, dass sie gekündigt worden ist.
Aber das kann sie nicht beweisen. Zwar hat sie noch eine Kopie des Briefes, aber keinen Nachweis, dass das Jobcenter diesen auch bekommen hat.
Frau S erhält dann einen Bußgeldbescheid in Höhe von ca. 120 €. Verteidigung: zwecklos.
Beim Jobcenter heißt es: Im Zweifel gegen den Angeklagten
Beim Jobcenter heißt es: Im Zweifel gegen den Angeklagten. Wer den Postzugang und damit seine Unschuld nicht beweisen kann, kommt aus dem Bußgeld nicht mehr heraus.
Einige Jobcenter sind wahre Bermudadreiecke, was die Post angeht.
Schlecht: Der Betroffene muss beweisen, dass das Jobcenter die Post auch bekommen hat. Ein Einschreiben reicht dafür übrigens nicht. Einige Jobcenter behaupten dann leere Umschläge erhalten zu haben. Auch ein Fax reicht nur dann als Nachweis, wenn die erste Seite des gesendeten Schreibens als Minidruck auf dem Faxprotokoll abgedruckt ist.
Eine mail ist auch keine Alternative: Wer in seinen Mails die gesendeten Mails reproduzieren kann, kann nachweisen, dass das Jobcenter die Info erhalten hat? Falsch. Eine Mail mit Lesebestätigung sagt nur, dass der Adressat die Mail kurz angeklickt hat, nicht, dass das Jobcenter die Mail auch gelesen hat.
Wer das Onlineportal des Jobcenters nutzt, hat das Problem, dass dort hinterher ebenfalls nur der Name der Dateianhänge angezeigt wird, aber nicht, was wirklich abgesendet wurde.
Wer anruft, hat völlig verloren und kann nicht nachweisen, dass die Info angekommen ist. Auch wer den Brief persönlich einwirft, hat keinen Nachweis für das Ankommen der Post. Zeugen wird so gut wie nie geglaubt. Wer beim Einwurf ein Handyvideo macht, muss das Datum des Einwurfs nachweisen.
Bußgelder sanieren Haushalt der Jobcenter
Einige Jobcenter nutzen diese verzwickte Rechtslage aus und sanieren den Haushalt mit Bußgeldern.
Daher gilt immer höchste Vorsicht, wenn es um die Meldung wichtiger Veränderungen geht.
Es ist am sichersten, wenn die Informationen schriftlich im Jobcenter abgegeben werden und man am Empfang einen Nachweis verlangt.
Ein Fax mit Miniaturansicht der ersten Seite ist ebenfalls sicher. Mails mit Lesebestätigungen werden von den Gerichten nur teilweise akzeptiert.
Immer daran denken: Spätestens am ersten Tag der Arbeitsaufnahme und jeder anderen Veränderung muss das Jobcenter informiert werden! Man sollte derartig wichtige Informationen nur gegen Nachweis einreichen!
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Nana Steinke ist Diplom Juristin und Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in Hannover sowie einer Zweigstelle in Celle. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist seit 2014 das Sozialrecht. Regelmäßig veröffentlicht Frau Steinke den “Aufreger des Monats” bei gegen-hartz.de