Frank Brohm ist hoch begabt – und er bezieht Bürgergeld-Leistungen vom Jobcenter. An mangelndem Engagement liegt es nicht – im Gegenteil.
Dr. Utz Anhalt: Zu klug für das Jobcenter
Schikanen und falsche Versprechungen
Frank Brohm wendete sich an gegen-hartz.de, weil er, so eine Vertraute von ihm, „unter den jahrelangen Schikanen, falschen Versprechungen, seelischer Gewalt und immer wieder Aufschieben von Fristen und Entscheidungen der einzelnen Behörden sehr leidet und seine Gesundheit in den letzten Jahren massiven Schaden genommen hat.“
Unterforderung und Ablehnung
Wenn Hochbegabte in einem Umfeld sind, das ihre Eigenarten weder erkennt noch fördert, richten Autoritäten ihre Unfähigkeit, mit den besonderen Fähigkeiten umzugehen, oft gegen die Hochbegabten.
Leider missdeuten Eltern und Lehrer, die selbst nicht hochbegabt sind, Symptome. Sie halten das Kind für faul oder für blöd. Bei Hochbegabten führt diese Missdeutung dazu, dass sie sich in ihr Schneckenhaus zurückziehen.
Vom Jurastudium zum Jobcenter
Nach Abitur, Zivildienst und Dienst als Rettungssanitäter studierte Herr Brohm Jura, brach dies aber ab, weil er “sich festgefahren” hatte und die häusliche Pflege seiner Mutter seine Zeit in Anspruch nahm.
Außerdem kann Herr Brohm, wie viele Hochbegabte, am besten arbeiten, wenn er seinen eigenen Bereich hat. Er sagt: “Für mich wäre ein Fernstudium ideal gewesen.”
Er bewarb sich bei der Polizei und wurde, obwohl er Leistungssportler war und eine hohe Punktzahl erreichte, wegen Heuschnupfen nicht angenommen. Inoffiziell erfuhr er von Verantwortlichen jedoch ” solche wie Sie werden wir hier nie beschäftigen”. Danach geriet Herr Brohm in die Mühlen der Jobcenter.
Sachbearbeiter kennen die Vorschriften nicht
Sachbearbeiter kannten, laut Brohm, selbst bei einfachen Fragen die Vorschriften nicht.
Herr Brohm als ehemaliger Jurastudent kannte die Regeln sehr viel besser und hakte deshalb nach, insbesondere wegen Weiterbildungen. Statt diese außerordentliche Mitwirkung zu würdigen, igelten sich Sachbearbeiter ein und griffen Brohm in Machtspielen an.
Sie “ließen es sich nicht bieten”, dass ein Kunde genauer Bescheid wusste als sie.
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“Sprecht ihm Hausverbot aus”
Brohm geht bei seinem vorletzten Jobcenter davon aus, dass es interne Absprachen gab “der Brohm nervt, sprecht ihm ein Hausverbot aus”. Herr Brohm ist alles andere als aggressiv, sondern ein ehrlicher Mensch, der reflektiert nach Qualifikationsmaßnahmen fragt, also seine Mitwirkungspflicht mehr als erfüllt.
Und gerade das ist das ist Problem, welches die Sachbearbeiter mit ihm haben.
Eine Vertraute von Herrn Brohm schreibt uns: “Seit Jahren fühlt sich Herr Brohm wie Don Quijote der gegen Windmühlen kämpft.”
Kein Platz für besondere Begabungen
Das strukturelle Problem der Jobcenter ist, dass Menschen mit besonderen Begabungen nicht in das Standardprogramm passen. So wurde Herr Brohm anfangs in Maßnahmen gepresst, bei denen er wusste, dass er dort nicht hingehörte und später ignoriert, weil die Mitarbeiter nicht wussten, wohin mit seinen Talenten.
Besonderes Coaching nötig
Ausgerechnet eine amtsärztliche Untersuchung im Auftrag des Jobcenters wies vor fünf Jahren darauf hin, dass Herr Brohm ein spezielles Coaching benötigt, um in eine Arbeit zu kommen, die seinen Fähigkeiten entspricht.
Darum gekümmert hat sich die Behörde seitdem allerdings nicht. Ein Vorschlag von Herrn Brohm für einen von ihm selbst ausgesuchten Coach wurde abgelehnt, da dieser nicht unter Finanzierung vom Jobcenter lief.
Studium mit Falschinformation verweigert
Herr Brohm hatte vor, erneut zu studieren, dies wäre bei seinen geistigen Fähigkeiten eine Möglichkeit gewesen, beruflich Fuß zu fassen – und zwar als Teilzeitstudium. Der zuständige Sachbearbeiter wies ihn ab und behauptete, gleichzeitig studieren und Bürgergeld zu beziehen wäre nicht möglich.
Es handelte sich hier um eine blanke Falschaussage. Bei einem Vollzeitstudium ist der Bezug von Bürgergeld tatsächlich nur in Ausnahmen möglich, da bedürftige Studierende BAföG berechtigt sind.
Da Studierende in regulären Teilzeitstudiengängen aber vom BAföG ausgeschlossen sind, haben Sie einen Anspruch auf Bürgergeld, vorausgesetzt, Sie sind generell dazu berechtigt. Ohne Zweifel war dies bei Frank Brohm der Fall.
Hier verbaute die Behörde Frank Brohm einen Lichtweg, der ein möglicher Ausweg aus der Not gewesen wäre.
Körperliche Symptome für seelischen Druck
Falsche Versprechen, andauerndes Aufschieben von Fristen und Entscheidungen der einzelnen Behörden und das Hin- und Herschieben seines Falls belasten inzwischen Herrn Brohms Gesundheit. Täuschungen, Lügen und “Auf Eis legen” seiner Arbeitssuche nagen an seiner Substanz.
Bluthochdruck, Herzrasen und Beklemmungsgefühle sowie Hautentzündungen sind, einer Vertrauten von Herrn Brohm zufolge, körperliche Symptome seines psychischen Leidens.
Keine Vermittlung
Seit Jahren werden ihm kaum noch Vermittlungen angeboten, weder Stellen noch Maßnahmen.
Er sagt: “Wenn ich höre, dass Leistungsberechtigte mit Druck zur Arbeit getrieben werden müssten, ist das für mich wie ein böser Witz.”
Bei ihm trifft das genaue Gegenteil zu. Unzählige konkrete Ideen für Arbeitssuche, die Herr Brohm immer wieder bei den jeweiligen Jobcentern einbrachte, verpufften dort. Das derzeitige Jobcenter meldete sich über viele Monate überhaupt nicht bei ihm.
Nach wiederholter Nachfrage teilte ihm eine Mitarbeiterin mit, “seine Potenzialanalyse sei noch nicht voll abgeschlossen.” Herr Brohm kommentiert: “Wenn die nach 22 Jahren Leistungsbezug noch nicht abgeschlossen ist, dann wird das in diesem Leben nichts mehr.”
Interner Vermerk?
Es ist zu vermuten, dass in Herrn Brohms Akte beim Jobcenter vermerkt ist “nicht vermittelbar”, und die Mitarbeiterin der Behörde die “Potenzialanalyse” lediglich vorschob , weil sie ihm das nicht offen ins Gesicht sagen wollte.
Politiker entziehen sich der Verantwortung
Brohm sagt: “In Deutschland existiert der Rechtstaat gerade für diejenigen nicht, die ihn am meisten bräuchten. Hinter der Tür der Jobcenter endet er.” Auf Sozialrecht spezialisierte Rechtsanwälte würden entweder gar nicht reagieren oder klar sagen, dass Beratung sich für sie nicht lohne.
Auch bei Medien sei er auf Ignoranz gestoßen oder darauf, dass diese Phasen von Politikern und Jobcentern wiederholten – ohne sich die Realität anzusehen.
Er schrieb Politiker von CDU, SPD, der LINKEN und Bündnis Sahra Wagenknecht an. Die Antwort sei stets Verächtlichkeit gewesen, so Brohm: “Bei Einzelfällen sind wir nicht zuständig.” Für Brohm zeigt das Verantwortungslosigkeit, denn Leistungsberechtigte seien immer Einzelfälle. Der Verweis auf die Nicht-Zuständigkeit bedeute immer, so Brohm, sich aus der Verantwortung zu ziehen.
Ein Bundestagsabgeordneter der CDU sagte ihm: “Herr Brohm, Eigeninitiative. Zeigen Sie Eigeninitiative.” Für Herrn Brohm klingt das bestenfalls zynisch, denn durch seine unentwegte Eigeninitiative hat er inzwischen “sein Pulver verschossen,” so der Betroffenen.
“Ich habe in diesem Leben nichts mehr zu verlieren”
Herr Brohm ist sicher, dass andere Menschen in seiner Situation “sich längst einen Strick genommen hätten”. Er ist groß, kräftig und ein im Kern vitaler Mensch, der sich “von der Arroganz der Macht” nicht brechen lässt.
Doch auch der ehemalige Leistungssportler sagt: “Ich habe in diesem Leben nichts mehr zu verlieren.”
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.