Bisheriger Höhepunkt der Hartz IV Klagewelle

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Bisheriger Höhepunkt der Hartz-IV Klagewelle: Gerichtspräsidentin sieht Gründe hierfür in der Bürokratie und bei den Jobcentern.

11.01.2011

Noch nie wurden so viele Klagen eingereicht: Die Hartz-IV-Klagewelle hält bundesweit an allen Sozialgerichten unverändert an. Allein am Berliner Sozialgericht wurden im vergangenen Jahr rund 32.000 Verfahren gegen Leistungsträger eingereicht. Das ist ein Anstieg von etwa einem Fünfte im Vergleich zum Jahr 2009. In der Hälfte aller Fälle sind die Kläger vor Gericht erfolgreich.

Jedes Jahr wird ein erneuter Anstieg der Klagewelle registriert
Jedes Jahr aufs neue berichtet die Gegen Hartz Redaktion über einen weiteren Anstieg der Klagewelle an den Sozialgerichten. Die neuen Zahlen der Sozial- und Landessozialgerichte belegen erneut, wie viel Rechtsunsicherheit und Willkür in den Behörden vorherrscht. Zudem existieren zahlreiche Rechtslücken und viele Gesetzgebungen sind teilweise zu genau ausformuliert. Obwohl die Sozialgerichte immer wieder neue Richter einstellen, kann die Flut von Verfahren kaum bewältigt werden. Seit der Einführung der Hartz IV Gesetze im Jahre 2005 hat sich die Zahl der Klagen mehr als vervierfacht. Laut Angaben der Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma wurden 2010 rund 117.000 Fälle verhandelt.

Geplante Hartz IV Reformen werden daran nichts ändern
Die Bundesregierung hofft durch die geplanten Hartz IV Neuregelungen einen Rückgang der Klagen zu erreichen. Doch das wird einterten. So könnte z.B. die angepeilte Pauschalisierung der Wohnkosten zu einem weiteren Anstieg der Welle an den Sozialgerichten führen. Zudem sind laut Schudoma noch 39.000 Klageverfahren anhängig. Allein diese Anzahl reiche aus, um die Sozialgerichte ein Jahr lang zu beschäftigen. "Der Ausnahmezustand ist zur Regel geworden", sagte die Gerichtspräsidentin der "Süddeutschen Zeitung "(Online-Ausgabe).

Sozialbetrug absolute Ausnahme
Schudoma machte deutlich, dass es bei den Klagen in den meisten Fällen um existentielle Gründe geht. "Die Hartz-IV-Klagewelle ist keine Wutwelle“, so Schudoma. In der überwiegenden Zahl der Klagen geht es um Wohnkosten, Anrechnung von Einkommen sowie Verletzungen der Bearbeitungsfristen. Fälle in denen ein möglicher Sozialbetrug verhandelt wird, sind entgegen der öffentlichen Wahrnehmung eine absolute Ausnahme. Die Gerichtspräsidentin sieht den eigentlichen Grund bei den Leistungsträgern. In den Jobcentern würden viel zu wenige Sozialarbeiter für viel zu viele Menschen zuständig sein. Und selbst SGB II- Fachleute verstehen manchmal das Hartz IV Regelwerk nicht, um es in allen „Nuancen“ rechts-sicher anwenden zu können. Durch diese Situation entstehen beispielsweise bei der Bearbeitung von Anträgen Fehler und auf Nachfragen erhalten Arbeitslosengeld II Bezieher oftmals nur unzureichende Antworten. Viele Betroffene ziehen dann vors Gericht.

So ist es kein Wunder, dass die Erfolgsquoten für die Kläger an den Sozialgerichten sichtbar hoch ansteigen. Jede zweite Klage geht zu Gunsten der Kläger aus. "Eine Erfolgsquote von 50 Prozent ist ein klares Signal an die Politik – vergesst die Praxis nicht", sagte Schudoma. Denn die Jobcenter sind nach Angaben der Juristin überlastet. Zudem erschwere Bürokratie die Arbeit der Leistungsträger.

In Berlin ist die Klageflut am Stärksten
In Berlin leben im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Menschen, die von Hartz IV- betroffen sind. Jeder fünfte Berliner im Erwerbsfähigen Alter muss vom kargen ALG II Regelsatz leben (rund 441.000 Erwachsene und 155.000 Kinder). Bundesweit sind fast 5 Millionen Erwachsene auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen, ohne diejenigen miteinzubeziehen, die aufgrund eines unzureichenden Lohns zusätzlich Hartz IV Leistungen (sog. Aufstockung) beziehen. Jedes Jahr werden laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit rund 25 Millionen Hartz-IV-Bescheide verschickt. Etwa 40 Prozent der Klagen endeten bereits im Vorfeld zugunsten des Klägers, weil beklagte Jobcenter einlenkten und die Hartz IV Leistungsbescheide zu Gunsten des Kläger änderten. Jede achte Klage endete durch ein gefälltes Urteil.

Die neuen Zahlen zeigen, dass Leistungsbescheide unbedingt auf Richtigkeit und Sorgfalt geprüft werden sollten. Die Dunkelziffer der falsch ausgestellten Bescheide dürfte weitaus höher liegen, da die meisten Menschen davon ausgehen, von Behörden rechts sichere Bescheide und Auskünfte zu erhalten. (sb)

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