Arbeitslosengeld-Sperre kann im Härtefall verkürzt werden

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Eine Sperrzeit auf 6 Wochen kann wegen besonderer Härte (§ 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe b SGB III) verkürzt werden, weil eine zwölfwöchige Sperrfrist nach den Gesamtumständen unverhältnismäßig ist. Das urteilte das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern.

So der Tenor des Urteil: Eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld ist wegen besonderer Härte auf 6 Wochen zu verkürzen bei einer (beabsichtigten) Wiederaufnahme der Beschäftigung während der laufenden Sperrfrist.

Dies ist dann der Fall, wenn wie hier die Kündigung des Arbeitgebers befristet war und es sich um einen ” verdeckten ” Aufhebungsvertrag gehandelt hat, was als bedingtes Wiedereinstellungsangebot auszulegen ist. (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 26.06.2024 – L 2 AL 9/19 -)

Begründung des Landessozialgerichts

Die Annahme einer besonderen Härte ist gerechtfertigt, wenn nach diesen Gesamtumständen der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer (zwölf Wochen) im Hinblick auf die für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (BSG, Urteil vom 4. September 2001 – B 7 AL 4/01 R -)

Die Frage, ob sich die Regelsperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte auf die Hälfte reduziert, beurteilt sich allein nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen.

Außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegende sowie nach Eintritt des sperrzeitbegründenden Ereignisses eintretende Umstände können grundsätzlich keine Berücksichtigung finden.

Auch wenn hier ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zu verneinen war , weil der Kläger die hierfür ursächliche und zu diesem Zeitpunkt noch rechtmäßige Entziehung der Fahrerlaubnis und damit auch den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu vertreten hatte.

Der Gesetzgeber hat nur die umgekehrte Konstellation einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne eine Sperrzeit binnen sechs bzw. zwölf Wochen nach dem sperrzeitbegründenden Ereignis ausdrücklich geregelt (§ 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Buchstabe a SGB III).

Nicht jedoch die hier vorliegende Konstellation einer (beabsichtigten) Wiederaufnahme der Beschäftigung während der laufenden Sperrfrist

Sie steht aber der Annahme einer besonderen Härte nicht entgegen

Denn dem Regelungsgefüge ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Verkürzung einer Sperrzeit im Sinne einer bewussten Nichtregelung für die hiesige Konstellation ausschließen wollte.

Zumal er mit § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe b SGB III gerade eine auf Unverhältnismäßigkeitsaspekten basierende Härtefallregelung vorgesehen hat, der die hiesige Konstellation zugänglich ist.

Fazit

1. Eine Sperrzeit beim ALG 1 ist wegen besonderer Härte auf 6 Wochen zu verkürzen bei einer (beabsichtigten) Wiederaufnahme der Beschäftigung während der laufenden Sperrfrist.

2. Dies ist dann der Fall, wenn wie hier die Kündigung des Arbeitgebers befristet war und es sich um einen ” verdeckten ” Aufhebungsvertrag gehandelt hat, was als bedingtes Wiedereinstellungsangebot auszulegen ist.

3. Mit dem im weiteren Verlauf stattdessen erfolgten rechtswidrigen Behördenhandeln – hier dem Unterlassen der Rückgabe der Fahrerlaubnis – musste nicht gerechnet werden.

4. Dem Regelungsgefüge ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Verkürzung einer Sperrzeit im Sinne einer bewussten Nichtregelung für die hiesige Konstellation ausschließen wollte, zumal er mit § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe b SGB III gerade eine auf Unverhältnismäßigkeitsaspekten basierende Härtefallregelung vorgesehen hat, der die hiesige Konstellation zugänglich ist ( Orientierungssatz Detlef Brock ).

Anmerkung Sozialrechtsexperte Dettlef Brock

Wann z. Bsp. wird die Sperrzeit aufgrund besonderer Härte nicht verkürzt?

Gesundheitliche Beeinträchtigungen können Lösung des Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigen.

Dies ist dann der Fall, wenn die gesundheitlichen Gründe so schwerwiegend sind, dass die bisherige Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hätte ausgeübt werden können (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 13. März 2014 – L 9 AL 253/10 –)

Oder das körperliche oder geistige Leistungsvermögen die künftige Ausübung der bisherigen Tätigkeit zumindest erschweren würde.

Voraussetzung ist jedenfalls, dass die gesundheitlichen Gründe so schwerwiegend sind, dass es einem Arbeitnehmer nicht mehr zugemutet werden kann, am Beschäftigungsverhältnis festzuhalten.

Abzustellen ist hierbei auf den jeweiligen Einzelfall (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. Juni 2016 – L 3 AL 130/14 –).

Zu verneinen sind gesundheitliche Beeinträchtigungen, wenn der Arbeitnehmer nicht mitwirkt und sich zu wenig um seine gesundheitlichen Belange kümmert, so dass wie hier in diesem Fall war die Sperrzeit rechtens war und keine besondere Härte vorlag ( SG Karlsruhe, S 11 AL 4346/17)

Wann kann eine besondere Härte vorliegen

1. Wird eine abhängige Beschäftigung zwecks Wiederaufnahme einer pandemiebedingt aufgegebenen Selbstständigkeit gekündigt, liegt ein Härtefall vor ( LSG NRW, Beschluss v. 01.09.2022 – L 9 AL 106/22 B ER ).

2. Der Aspekt der Verletzung des Umgangsrechts kann auch eine besondere Härte im Sinne des § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2b) SGB III darstellen.

Sollten die objektiven Umstände einen wichtigen Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III nicht begründen, dann kann auch die subjektive Notwendigkeit, als Vater einen engen Kontakt zu seinem Kind herzustellen, die Bejahung einer besonderen Härte rechtfertigen ( LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. August 2022 (L 2 AL 16/21 B ).

Was können wichtige Gründe im Sinne des § 159 SGB III sein, um zum Bsp. eine Sperrzeit gänzlich zu verhindern

  • Vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers trotz vorheriger Abmahnung durch den Arbeitnehmer,
  • Ablehnung einer Auslandsbeschäftigung,
  • nachgewiesene gesundheitliche Gründe,
  • Wechsel oder Beendigung einer Ausbildung aus beruflichen Gründen,
  • Mobbing, Zerrüttung des Betriebsklimas,
  • Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme,
  • Umzug zum Ehegatten,
  • Umzug zum Verlobten zur Herstellung der Lebensgemeinschaft,
  • Umzug zum Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft,
  • Zerstörung der Vertrauensbasis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten durch unberechtigte verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung,
  • Ortswechsel zur Betreuung eines Familienangehörigen bei entsprechender rechtlicher oder anerkennenswerter moralischer Verpflichtung,
  • ideelle Gründe, wie z. B. der Verzicht eines älteren Arbeitnehmers auf den Arbeitsplatz, um so die Kündigung eines jüngeren zu verhindern,
  • die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zur Einleitung eines Berufswechsels oder zum Abschluss einer bereits begonnenen Abendschulausbildung,
  • Bei der Notwendigkeit zur Pflege eines nahen Angehörigen

Wissenswertes

Arbeitslosengeld: Keine Sperrzeit wegen Umzug zum Partner oder wegen Umgangsrecht

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