Bürgergeld: Jobcenter dürfen keine Unterlagen der Lebensgefährtin fordern

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Bezieher von Bürgergeld können auch mittels eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X einen bestandskräftigen Versagungsbescheid des Jobcenters wegen fehlender Mitwirkung überprüfen lassen.

Dabei kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht, mit der das Jobcenter zur vorläufigen Leistung verpflichtet wird, sofern der Überprüfungsantrag offenkundige Erfolgsaussichten hat (so ausdrücklich das LSG Sachsen Az. L 8 AS 1422/19 B ER).

Wann kommt eine Versagung von Bürgergeld – Leistungen in Betracht

Eine Versagung von Leistungen gegenüber einem Antragsteller nach §§ 66 Abs. 1 S. 1, 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I wegen fehlender Mitwirkung scheidet aus, wenn das Jobcenter den Antragsteller allein zur Vorlage von Unterlagen betreffend eine in mutmaßlicher Bedarfsgemeinschaft lebende Person auffordert.

Strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes und des Anordnungsanspruches bei einstweiliger Anordnung mittels Überprüfungsantrag

An im Rahmen eines laufenden Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X gestellte Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes und des Anordnungsanspruches zu stellen.

Soll ein bestandskräftiger Bescheid in einem solchen Verfahren zurückgenommen werden, so ist es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungsverfahren bzw. in einem anschießenden gerichtlichen Hauptsachverfahren abzuwarten.

Ein solcher Fall liegt hier vor.

Der bis zur Versagung der Leistungen im Leistungsbezug stehende Antragssteller hat glaubhaft gemacht, dass ihm durch die Versagung der Leistungen zur Grundsicherung massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse drohen.

Er ist verschuldet und verfügt nicht über genügend Einkommen, um seine Existenz eigenständig zu sichern. Er hat zudem glaubhaft gemacht, dass er keine Möglichkeit hat, sich anderweitig Geld zu beschaffen. Angesichts dessen stehen ihm nicht die zur Sicherung seiner Existenz mindestens notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung.

Das Jobcenter konnte sich zur Versagung der Leistungen nicht auf eine fehlende Mitwirkung des Antragstellers berufen – so ausdrücklich die Richter des LSG Sachsen

Denn es ging in der Sache – nicht – um eine nötige Beibringung von Unterlagen des Antragstellers, sondern um solche seiner Lebensgefährtin.

Eine formelle Versagung gegenüber dem Antragsteller nach §§ 66 Abs. 1, 60 Abs. 1 SGB I scheidet in dieser Konstellation aus.

Beim Bürgergeld existiert keine Rechtsgrundlage, wonach ein Leistungsempfänger Angaben zu Dritten machen muss

Denn es gibt keine Rechtsgrundlage, die eine Obliegenheit des Arbeitssuchenden begründet, Angaben zu Dritten zu machen oder Dokumente Dritter vorzulegen.

Die Nichtvorlage von Unterlagen der Lebensgefährtin kann das Jobcenter daher nicht dem Antragsteller anlasten.

Denn das Jobcenter selbst hat gegenüber der Lebensgefährtin des Antragsstellers einen eigenen Auskunftsanspruch aus § 60 Abs. 4 SGB II, den er zunächst durchzusetzen hat.

Fazit

Trotz bestandskräftigem Bescheid muss das Jobcenter vorläufig Leistungen erbringen per einstweiliger Anordnung durch das Gericht.

Die Versagung der Leistungen gegenüber dem Antragsteller, obwohl das Jobcenter ausschließlich Unterlagen der Lebensgefährtin anforderte, lassen nach Ansicht des Senats den Versagungsbescheid derart rechtswidrig erscheinen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 SGB II trotz der Bestandskraft des Versagungsbescheids eine Verpflichtung des Jobcenters zur Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung in Betracht kommt.

Praxistipp

Das Jobcenter darf einem Erwerbslosen das Bürgergeld – nicht versagen, weil er sich weigerte, die Unterlagen seiner geschiedenen Ehefrau, welche mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft bildet vorzulegen – so ausführlich auch das LSG Nordrhein – Westfalen Az. L 21 AS 486/24 B ER – und – L 21 AS 487/24 B –

Bürgergeld-Bezieher müssen nicht Unterlagen von Dritten vorlegen

Anmerkung von Detlef Brock – Experte für Sozialrecht

Hier handelt es sich um eine wegweisende Entscheidung, welche im Kern die Aussage trifft, dass auch bestandskräftige Bescheide des Jobcenters im Rahmen eines Überprüfungsantrags angegriffen werden können und im Rahmen der Erfolgsaussicht eine einstweilige Anordnung durch das Gericht ausgesprochen werden kann, wonach der Antragsteller denn vorläufig Leistungen nach dem SGB II erhält.

Außerdem gibt das Gericht deutlich zu erkennen, dass Jobcenter im Rahmen der Mitwirkungspflicht vom Antragsteller – keine Unterlagen oder nachweise von Dritten fordern darf.

An einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines laufenden Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sind besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen.

Soll ein bestandskräftiger Bescheid in einem solchen Verfahren zurückgenommen werden, ist es den Antragstellern regelmäßig zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- und ggf in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Wegen der besonders strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes ist es erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden.

Es gibt beim Bürgergeld – keine Rechtsgrundlage, die eine Obliegenheit des Arbeitssuchenden begründet, Angaben zu Dritten zu machen oder Dokumente Dritter vorzulegen.