Bundesverfassungsgericht: Mündliche Ablehnung eines Antrag auf Beratungsschein reicht nicht aus
07.07.2015
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss (Aktenzeichen: 1 BvR 1849/11) klargestellt, dass ein Antrag auf anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz (Beratungsschein) nicht durch die mündliche Aussage eines Rechtspflegers abgelehnt werden darf. Vielmehr muss über den Antrag förmlich entschieden werden, um dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zu genügen. Darüber hinaus ist es laut BVerfG unzumutbar, auf eine Beratungsstelle der Behörde, gegen die Widerspruch eingelegt werden soll, zu verweisen.
Amtsgericht erklärt Beratung für erfolgt, obwohl diese nicht durch einem Anwalt erfolgt ist
Im konkreten Fall hatte eine Frau beim Amtsgericht einen Berechtigungsschein für eine anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz beantragt. Sie wollte mit anwaltlicher Hilfe Widerspruch gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einlegen. Der Rechtspfleger beim Amtsgericht sah jedoch offenbar keine Notwendigkeit, den beantragten Beratungsschein auszustellen und entschied auch nicht förmlich über den Antrag. Stattdessen wies er die Frau mündlich darauf hin, dass sie bei der Rentenversicherung Widerspruch einlegen oder sich an die Auskunfts- und Beratungsstelle der Rentenversicherung wenden solle.
Daraufhin legte die Frau „Erinnerung, hilfsweise Beschwerde“ beim Amtsgericht ein und führte dabei konkret aus, warum sie Widerspruch erheben wolle. Zudem klärte sie über ihren Gesundheitszustand auf, der sie daran hindere, den Widerspruch ohne anwaltlichen Beistand einzulegen. Die Richterin beim Amtsgericht wies die Erinnerung dennoch zurück. Die Beratungshilfe sei nicht durch den Rechtspfleger abgelehnt, sondern durch seine Ausführungen gewährt worden. Die Angelegenheit sei damit erledigt.
Bundesverfassungsgericht: Beratungsschein hätte vom Amtsgericht erteilt werden müssen
Die 1. Kammer des Ersten Senats des BverfG bewertetet das Vorgehen des Amtsgericht jedoch als rechtswidrig. „Das Amtsgericht hätte den beantragten Berechtigungsschein erteilen müssen“, heißt es in einer Mitteilung. „Das Amtsgericht durfte nicht davon ausgehen, dass sich das Beratungshilfebegehren aufgrund der Hinweise des Rechtspflegers erledigt hat, da die Beschwerdeführerin ausdrücklich einen Beratungshilfeschein für die Konsultation eines Rechtsanwalts beantragt hatte.“
Zudem müsse über eine Antragsablehnung stets förmlich entschieden werden, um dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zu genügen. Eine mündliche Aussage reiche nicht aus. Darüber hinaus sieht es das BVerfG als unzumutbar an, die Frau auf die Beratungsstelle der Behörde zu verwiesen, gegen die der Widerspruch eingelegt werden soll. (ag)
Bild: Gina Sanders – fotolia