Ein Verschlimmerungsantrag fรผhrt automatisch zu einer erneuten umfassenden Prรผfung. Die Behรถrde berรผcksichtigt nicht nur die neu vorgetragenen Erkrankungen oder Verschlechterungen, sondern sieht sich auch die frรผheren Diagnosen, medizinischen Befunde und die aktuelle Rechtslage an.
Hier kann es passieren, dass alte Bewertungen angesichts geรคnderter Vorschriften oder aktualisierter medizinischer Leitlinien nicht mehr standhalten.
Das bedeutet, selbst wenn neue Einschrรคnkungen hinzukommen, kann die Behรถrde letztlich zu dem Ergebnis gelangen, dass der ursprรผnglich festgesetzte Grad der Behinderung (GdB) zu hoch war.
In solchen Fรคllen droht eine Herabstufung, und es ist nicht ausgeschlossen, dass dadurch der Schwerbehindertenstatus (GdB 50 oder mehr) wegfรคllt.
Das folgende Beispiel verdeutlicht das Problem: Wer zum Beispiel viele Jahre wegen Diabetes einen Schwerbehindertenausweis besitzt, kรถnnte aufgrund neuer Beschwerden โ zum Beispiel Hรผftproblemen โ einen Verschlimmerungsantrag stellen.
Wenn die zustรคndige Stelle bei der erneuten Prรผfung jedoch feststellt, dass nach aktuellen Maรstรคben der GdB fรผr die Diabetes lรคngst nicht mehr so hoch zu bewerten ist wie damals, kann sich der Gesamt-GdB am Ende verringern.
Hier wird besonders deutlich, wie wichtig es ist, vorab sorgfรคltig zu prรผfen, ob ein Neufeststellungsantrag wirklich sinnvoll ist.
Inhaltsverzeichnis
Welche Grรผnde sprechen fรผr oder gegen einen Neufeststellungsantrag?
Ein Neufeststellungsantrag kann sinnvoll sein, wenn sich aus der Erhรถhung des GdB oder aus zusรคtzlichen Merkzeichen reale Vorteile ergeben. Bei einem deutlich hรถheren GdB kann sich etwa der steuerliche Pauschbetrag erhรถhen. Wer ein neues Merkzeichen wie โaGโ (auรergewรถhnliche Gehbehinderung) oder โBโ (Begleitperson) erlangt, kann im Alltag und bei behรถrdlichen Angelegenheiten spรผrbare Erleichterungen erfahren.
Auch bei Bedarf an bestimmten Nachteilsausgleichen, wie der kostenlosen Mitnahme einer Begleitperson im รถffentlichen Nahverkehr, kann ein Verschlimmerungsantrag eine wertvolle Option darstellen.
Nicht immer fรผhrt ein Antrag jedoch zu einem positiven Ergebnis. Wenn nur ein minimal hรถherer GdB erwartet werden kann, ohne dass sich dadurch in steuerlicher, finanzieller oder alltagspraktischer Hinsicht etwas รคndert, lohnt sich der Aufwand nur selten.
Viele Betroffene haben zudem eine subjektive Wahrnehmung von Verschlechterung, die nicht immer mit den verbindlichen Kriterien im Schwerbehindertenrecht รผbereinstimmt.
Wer beispielsweise kleine Verschlechterungen im Alltag spรผrt, bei denen รคrztlich und sozialrechtlich jedoch keine wesentliche Funktionseinbuรe feststellbar ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Erhรถhung des GdB erreichen.
In solchen Fรคllen ist Vorsicht geboten, um nicht das Risiko einer Herabstufung einzugehen.
Was ist bei der รคrztlichen Dokumentation zu beachten?
Ein zentraler Punkt fรผr die Bewertung eines Verschlimmerungsantrags sind die medizinischen Unterlagen. Das Amt zieht dabei vor allem Befundberichte von รrztinnen und รrzten heran.
Es genรผgt nicht, in einem formlosen Schreiben lediglich neue Diagnosen zu nennen oder das subjektive Gefรผhl einer deutlichen Verschlechterung zu schildern.
Entscheidend ist, dass ausfรผhrlich dokumentiert wird, welche konkreten Einschrรคnkungen sich im alltรคglichen Leben zeigen.
Wenn zum Beispiel durch eine Erkrankung das Gehen nur noch mit Rollator mรถglich ist, wenn hรคufiger Schwindel auftritt oder wenn es psychische Beeintrรคchtigungen gibt, die den Umgang mit Menschen erschweren, sollte dies im Befundbericht genau beschrieben werden.
Eine schlichte Diagnose wie โDepressionโ sagt wenig darรผber aus, in welchem Ausmaร die betroffene Person im Alltag tatsรคchlich eingeschrรคnkt ist.
Empfehlenswert ist es, vor der Antragstellung das Gesprรคch mit den behandelnden รrztinnen und รrzten zu suchen. Anhand der vorhandenen Unterlagen lรคsst sich meist klรคren, ob die Verschlechterung medizinisch eindeutig belegbar ist und welche Funktionseinbuรen in einem ausfรผhrlichen Attest oder Befundbericht sachgerecht dargestellt werden kรถnnen.
Wenn diese Berichte nicht aussagekrรคftig genug sind, ist das Risiko groร, dass der Antrag abgelehnt wird oder sogar eine Herabstufung folgt.
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Was besagt die Versorgungsmedizin-Verordnung und warum ist sie so wichtig?
Die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) ist die zentrale rechtliche Grundlage, anhand derer รmter und Gutachter den Grad der Behinderung einschรคtzen.
Sie listet zahlreiche Krankheiten, kรถrperliche und psychische Beeintrรคchtigungen auf und ordnet ihnen entsprechende Orientierungswerte zu. Diese Werte geben Auskunft darรผber, in welchem Bereich sich der GdB bewegen kann, je nachdem, wie stark die Funktionsbeeintrรคchtigungen im Alltag sind.
Die Versorgungsmedizin-Verordnung wird von Zeit zu Zeit รผberarbeitet. Dabei kann es fรผr bestimmte Erkrankungen zu Anpassungen kommen, die in Richtung einer hรถheren oder niedrigeren GdB-Bewertung gehen.
Wer seinen Schwerbehindertenausweis schon vor vielen Jahren erhalten hat, sollte daher vor einem Verschlimmerungsantrag prรผfen (lassen), ob die damals gรผltigen Richtlinien heute noch Bestand haben.
Es kommt immer wieder vor, dass eine frรผher hoch bewertete Erkrankung inzwischen niedriger eingestuft wird. In einem solchen Fall riskiert man bei einer Neufeststellung den Verlust des bisherigen Grads der Behinderung oder gar den Schwerbehindertenstatus.
Wie gehe ich sozialrechtlich und organisatorisch vor?
Eine grรผndliche Vorbereitung ist das A und O, um die Erfolgschancen eines Verschlimmerungsantrags realistisch einschรคtzen zu kรถnnen.
Viele Betroffene wenden sich zunรคchst an einen Sozialverband oder an andere Beratungsstellen, die auf Fragen zum Schwerbehindertenrecht spezialisiert sind. Dort erhalten sie Unterstรผtzung bei der Frage, ob und wie eine Neufeststellung sinnvoll erscheint.
Ebenso wichtig ist das Sammeln aller relevanten medizinischen Unterlagen. Wer diese Dokumente bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung mit einreicht, vermeidet Verzรถgerungen und unvollstรคndige Begutachtungen.
Es empfiehlt sich, die Lage in einem formlosen Schreiben zu schildern und deutlich zu machen, in welchen Bereichen sich die Einschrรคnkungen seit der letzten Feststellung verschรคrft haben.
Ein besonderes Augenmerk sollte darauf liegen, dass die behandelnden รrztinnen und รrzte die neu entstandene oder verschรคrfte Erkrankung und deren Auswirkungen prรคzise formulieren. Hรคufig wird eine Kurzdarstellung der Diagnose ohne exakte Angaben zu den funktionalen Auswirkungen abgelehnt oder nur teilweise anerkannt.
Wann lohnt sich ein Verschlimmerungsantrag nicht?
In manchen Fรคllen รผberwiegt das Risiko gegenรผber den mรถglichen Vorteilen. Wer zum Beispiel nur eine geringe Erhรถhung des GdB erwartet, ohne damit ein neues Merkzeichen oder nennenswerte finanzielle Erleichterungen zu erreichen, steht unter Umstรคnden am Ende sogar schlechter da.
Auch wenn der Arzt nur mรครige Verรคnderungen dokumentieren kann und die aktuelle Rechtslage eine Herabstufung der bislang anerkannten Beschwerden wahrscheinlich macht, ist Vorsicht geboten.
Es gibt zudem Situationen, in denen sich die Beschwerden aus Sicht der betroffenen Person zwar massiv anfรผhlen, aber medizinisch und sozialrechtlich nicht in gleichem Maรe zu beziffern sind.
Das kann dazu fรผhren, dass die Behรถrde keine wesentliche Verschlechterung anerkennt, weil die Funktionsbeeintrรคchtigungen im Alltag nicht รผber einen bestimmten Schwellenwert hinausgehen. In solchen Fรคllen kostet ein Verschlimmerungsantrag oft Zeit, Energie und Nerven, ohne greifbaren Mehrwert zu bieten.
Welche Tipps helfen beim Verschlimmerungsantrag weiter?
Eine sorgfรคltige Reflexion vor der Antragstellung ist von groรer Bedeutung. Es ist sinnvoll, vorab zu รผberlegen, ob ein hรถherer GdB oder ein neues Merkzeichen tatsรคchlich spรผrbare Vorteile fรผr den Alltag, bei der Steuer oder beim Thema Mobilitรคt bringen wรผrde.
Wer sich รผber den konkreten Nutzen nicht im Klaren ist, sollte abwรคgen, ob das Risiko einer mรถglichen Herabstufung vertretbar ist.
Eine medizinische Rรผcksprache erleichtert die Entscheidung. Wenn die behandelnden รrztinnen und รrzte bestรคtigen, dass es klare Anhaltspunkte fรผr eine Verschlimmerung gibt und die daraus resultierenden Einschrรคnkungen fรผr den Alltag als substanziell anzusehen sind, spricht das fรผr die Antragstellung. Wenn die Befundberichte jedoch eher vage ausfallen, sinkt die Aussicht auf Erfolg.
Wer schlieรlich davon รผberzeugt ist, einen Neufeststellungsantrag zu stellen, sollte die Versorgungsmedizin-Verordnung in ihrer aktuellen Fassung kennen oder zumindest kompetente Beratung hinzuziehen.
Manche Regelungen verรคndern sich im Lauf der Jahre, was fatale Folgen fรผr den bisherigen GdB haben kann. Mit dieser Herangehensweise lรคsst sich das Risiko minimieren, dass eine eigentlich geplante Erhรถhung des GdB in einer Absenkung mรผndet.
Nie ohne vorige Beratung Verschlimmerungsantrag stellen
Ein Verschlimmerungsantrag im Schwerbehindertenrecht kann sinnvoll sein, wenn sich Erkrankungen objektiv verschlechtert haben und sich dadurch konkrete Vorteile ergeben.
Er sollte allerdings immer mit groรer Sorgfalt vorbereitet werden, da er ein erhebliches Risiko birgt. Bei jeder Neufeststellung รผberprรผft die Behรถrde den gesamten Gesundheitszustand und die bestehenden Gutachten erneut. Wer hier nicht sorgfรคltig plant, kรถnnte selbst bei tatsรคchlichen neuen Beschwerden am Ende sogar mit einem niedrigeren GdB dastehen.
Sinnvoll ist es, vorab abzuwรคgen, ob eine hรถhere Bewertung tatsรคchlich greifbare Erleichterungen bringt. Falls der Nutzen begrenzt ist oder die รคrztlichen Unterlagen keine deutliche Verschlimmerung belegen, kann es ratsam sein, von einem Neufeststellungsantrag abzusehen.
Sofern die entscheidenden Kriterien jedoch erfรผllt werden und medizinische wie sozialrechtliche Aspekte eine Erhรถhung stรผtzen, besteht eine realistische Chance auf einen hรถheren Grad der Behinderung oder zusรคtzliche Merkzeichen.
Eine rechtzeitige und kompetente Beratung, z.B. bei einem Sozialverband, ist in diesem Zusammenhang der beste Schutz vor unerwarteten Nachteilen.
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