Die Bundesregierung kündigt an, bis zu zwei Monate das komplette Bürgergeld zu streichen, wenn Betroffene Jobangebote ablehnen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zufolge gelte das für mindestens 150.000 Menschen. Laut einer Sprecherin des Ministeriums sei es sogar möglich, die Leistungen länger als zwei Monate zu streichen, wenn die Bestraften weitere Jobangebote ablehnten.
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Totalsanktionen im Kabinett bestätigt
Das Bundeskabinett bejahte die vom Arbeitsministerium entworfenen Totalsanktionen gegen bestimmte Menschen, die sich mit Bürgergeld ihr Existenzminimum sichern müssen.
Wer ist betroffen?
Arbeitslosen, die “eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern” dürfen Jobcenter in Zukunft für maximal zwei Monate den Regelsatz komplett streichen. Laut Gesetzentwurf muss “die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme tatsächlich und unmittelbar bestehen und willentlich verweigert werden.”
Immer wieder Totalsanktionen
Laut dem Gesetzentwurfs des Arbeitsministerium kann der gesamte Regelsatz immer wieder für zwei Monate vollkommen gestrichen werden. Wörtlich heißt es, bei Bürgergeld-Beziehern, die nach Streichung ein erneutes Jobangebot „willentlich ablehnen (…) kann auch ein neuer Entzug der Regelleistung festgestellt und umgesetzt werden.“
Bis zu acht Monate Entzug der Leistungen – pro Jahr
Diese Möglichkeit der wiederholten Streichungen der Bezüge bezieht sich auf „die Voraussetzung einer relevanten Vor-Pflichtverletzung innerhalb der Jahresfrist.“
Bis zu acht Monate im Jahr kann der Regelsatz völlig gestrichen werden. Dass es nicht zwölf Monate pro Jahr sind, liegt daran, dass die Totalsanktionen jeweils ab dem folgenden Monat beginnen.
“Wiederholt Arbeit ohne Grund ablehnen!
Arbeitsminister Hubertus Heil verteidigte seinen Plan, Bedürftigen unbegrenzt das Existenzminimum vollständig zu entziehen: “Aber ich sage auch, dass diejenigen, die wiederholt zumutbare Arbeit ohne Grund ablehnen, nicht damit rechnen können, dass das auf Verständnis trifft, weder beim Sozialstaat noch in der Bevölkerung.”
Scharfe Kritik von Experten
Experten kritisieren massiv, wie Bedürftigen auf diese Art das Existenzminimum genommen wird. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellt auch das Konstrukt der verbreiteten Arbeitsverweigerung in Frage: “Es mag in einem bestimmten Maß Missbrauch geben, aber ansonsten gibt es eine große Grauzone.”
Prekäre Jobs und persönliche Probleme
Weber gibt zu bedenken: “Werden durch Totalsanktionen nicht auch Menschen in prekäre Jobs hineingezogen, bei denen einfach vieles zusammenkommt?” Wer mit Erwerbslosen arbeitet, weiß, dass sehr viele Betroffene gesundheitliche und psychische Probleme haben, die die Jobsuche erschweren und oft zuerst motiviert werden müssen, sich Arbeit überhaupt zuzutrauen. Genau dies soll die Betreuung beim Bürgergeld eigentlich gerade gewährleisten.
Selbst CDU-Politikern gehen die Sanktionen zu weit
Selbst aus der CDU, in der manche gegen die staatliche Sicherung des Existenzminimums hetzen, kommt Kritik an der Brutalität der Totalsanktionen. So sagte der Arbeitsminister Nordrhein-Westfalens Karl-Josef Laumann (CDU), es sei “schon der Hammer, wenn Menschen für den Lebensunterhalt zwei Monate gar kein Geld bekommen.”
“Sanktionen füllen das Sparschwein der Regierung”
Hans-Jürgen Urban von der IG-Metall lehnt es ab, Sanktionen gegen Bedürftige als Sparprogramm einzusetzen: “Mehr Sanktionen und weniger Chancen beim Bürgergeld sind der falsche Weg. Sanktionen beim Bürgergeld dürfen nicht das Sparschwein der Regierung füllen. Wer Bürgergeld empfangen muss, darf nicht noch einer Spar-Willkür ausgesetzt werden”, so Urban.
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht, Sozialpolitik und Naturwissenschaften. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.