70 Prozent Mensch- Hartz IV für Kinder

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Hartz IV TV Tip

70 Prozent Mensch – Hartz IV für Kinder. Fernsehhinweis auf eine anstehende TV Talkrunde im Programm des MDR
Das Bundessozialgericht hält die Hartz-IV-Sätze für Kinder für verfassungswidrig. Wie kam es zu diesen Sätzen? Was kosten Kinder wirklich? Darüber diskutieren Dr. Andreas Menzel und Ines Klein mit ihren Gästen. Zuschauer haben die Möglichkeit, vor und während der Sendung ihre Meinung zu mailen.

"Bekommen Harz-IV-Empfänger nur richtige Bescheide, wenn sie vor Gericht ziehen?" Das fragt sich Martin Reucher. Der Rechtsanwalt hat sich auf Hartz-IV-Fälle spezialisiert und mit seiner Klage vor dem Bundessozialgericht kürzlich ein "Erdbeben" ausgelöst. Die Richter kamen nämlich zu dem Schluss, dass die Höhe der Hartz-IV-Sätze für Kinder bis 14 Jahre gegen die Verfassung verstößt. Nach Überzeugung des Sozialwissenschaftlers Michael Opielka sind die Regelsätze für Kinder völlig willkürlich festgelegt worden – ohne jede wissenschaftliche Grundlage. Das kritisiert auch Simone Simon von der Bundesagentur für Arbeit und fordert eine saubere Berechnung des Bedarfs, der dann mit dem Sozialgeld gedeckt werden sollte. Dass ein Kind mehr braucht als derzeit 211 Euro pro Monat, davon ist auch Michael Grüneberg von der Diakonie Mitteldeutschland überzeugt. Er stellt fest, dass Hartz IV deutlich mehr Armut gebracht hat. Allein in Thüringen seien 52.000 Kinder von Armut betroffen.

Wie kam es zu den Hartz-IV-Regelsätzen für Kinder? Was kosten Kinder wirklich? Müssen Hartz-IV-Empfänger wirklich erst vor Gericht, um das Geld zu bekommen, das ihnen zusteht? Diese und andere Fragen diskutieren der Rechtsanwalt Martin Reucher, Sozialwissenschaftler Prof. Michael Opielka, Dr. Simone Simon von der Bundesagentur für Arbeit und der Chef der Diakonie Mitteldeutschland Eberhard Grüneberg.

Über die Gäste
Martin Reucher, Rechtsanwalt "Es fragt sich, ob es nur richtige Bescheide gibt, wenn man klagt."
Rechtsanwalt Martin Reucher sieht die Klagewelle vor allem darin begründet, dass die zuständigen Argen immense Fehler machen. Er registriert bei diesen eine hohe Arroganz; viele Leistungen würden gar nicht oder nicht in voller Höhe gezahlt. Dabei sei die Klagebereitschaft der Betroffenen aus seiner Sicht nicht gestiegen. Die Hälfte seiner Mandanten sei psychisch angeknackst und habe aufgegeben. Der Kinderregelsatz ist aus der Sicht von Reucher willkürlich festgelegt. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, zumal auch der Erwachsenensatz stark umstritten sei. Reucher hatte jüngst mit einer seiner Klagen vor dem Bundessozialgericht Erfolg. Die Kasseler Richten erachten den Kindersatz für verfassungswidrig.

Prof. Michael Opielka, Sozialwissenschaftler: "Kinder benötigen ein Grundeinkommen."
Der Sozialwissenschaftler Michael Opielka ist der Meinung, dass Hartz IV mehr Armut gebracht hat. Er findet es zudem absurd, dass die Sozialgeld-Sätze für Kinder als prozentuale Abschläge der Hartz-IV-Regelsätze festgelegt worden sind. Dies habe weder eine wissenschaftliche Grundlage noch sei die Höhe politisch ausgehandelt worden. Opielka verweist noch einmal darauf, dass es sich beim Sozialgeld eben nicht um ein Kinder-ALG-II handelt. Beim ALG II stehe das Ziel im Vordergrund, die Bedürftigen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Im bestehenden System geraten deshalb auch leicht die Kinder unter den Leistungsgedanken, obwohl es bei ihnen ja nicht darum gehe, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sondern nur um Existenzsicherung.

Eberhard Grüneberg, Oberkirchenrat: "Hartz IV hat mehr Armut gebracht."
Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg ist der Meinung, dass auch sozial schwache Kinder Zugang zu Bildung, Kultur und Sport brauchen. Deswegen müsse die Bundesregierung das Hartz-IV-Gesetz ändern. Der Vorstandschef der Diakonie Mitteldeutschland kritisiert, dass die Regelätze für Kinder nicht am Bedarf orientiert seien. Hartz-IV-Kinder würden als 70-Prozent-Erwachsene angesehen, das bedeute aber, dass nichts explizit für Bildung vorgesehen sei. Aber gerade hier brauchen Kinder deutliche Angebote. Zudem verweist Grüneberg darauf, dass seit der Hartz-IV-Gesetzgebung die Zahl der armen Kinder in Deutschland von 500.000 auf eine Million angewachsen sei.

Simone Simon, Agentur für Arbeit: "Als Grundlage für das Sozialgeld muss der Bedarf von Kindern sauber berechnet werden."
Dr. Simone Simon von der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit plädiert für eine saubere Berechnung des Bedarfs von Kindern als Grundlage für das Sozialgeld. Darum sei es in dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht schließlich gegangen. Nach ihrer Aussage ist die Zahl der Widersprüche gegen Hartz-IV-Bescheide in Sachsen-Anhalt und Thüringen von 2007 zu 2008 erstmals gesunken. Simon führt dies darauf zurück, dass die Beratung der hilfebedürftigen Menschen intensiviert und damit die Rechtssicherheit erhöht worden sei. Ihrer Meinung nach werde dadurch auch die Klageflut in Zukunft zurückgehen. Fakt ist wird am Montag den 09.02.2009 um 22:05 auf MDR ausgestrahlt. (07.02.2009)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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