20 Jahre nach Hartz IV Protesten: Hat Die Linke Bürgergeld-Bezieher vergessen?

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Am 30.8.2004 demonstrierten bundesweit rund 200.000 Menschen gegen die drohenden Hartz-IV Gesetze.

In großen wie kleinen Städten bildeten sich Bündnisse gegen den Sozialabbau, die Hartz-Gesetze führten dazu, dass viele SPD-Mitglieder aus der Partei austraten, und die Partei Die LINKE definierte sich in der Folge unter anderem darüber, dass sie als einzige im Bundestag gegen die Hartz-IV Reformen stand.

Heute gibt es hingegen keinen deutlichen Protest der Leistungsberechtigten und derjenigen, die sich mit ihnen solidarisieren. Woran liegt das?

Eine Expertin analysiert die Situation

Anne Seeck organisierte damals die großen Demonstrationen gegen Hartz-IV mit und verglich im Interview mit der Zeitung “Freitag” die damalige Lage mit der heutigen.

Seeck kam in Stralsund zur Welt, wuchs in der damaligen DDR auf und gründete die Initiative “Die Hängematten”. Der Name bezog sich ironisch auf den Mythos, Arbeitslose würden “in der sozialen Hängematte” liegen.

2023 gab sie im Verlag die Buchmacherei eine Anthologie heraus: KlassenLos: Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten (Soziale Kämpfe – historisch und aktuell).

“Hetze gegen Bürgergeldbezieher”

Anne Seeck erklärt, dass die Proteste gegen Hartz-IV eine Vorgeschichte hatten.

Die Anti-Hartz-Proteste entstanden nicht aus dem Nichts, sondern bereits 2002 hätte sich ein “Runder Tisch der Erwerbslosen” gegründet.

Bis heute ist Steeck aktiv und richtet sich gegen die “Bürgergeldhetze”. Doch die Ausgangslage sieht, ihr zufolge, düster aus. So sei die SPD Teil der Regierung, und deswegen verhielten sich die Gewerkschaften still, während linke Intellektuelle das Interesse am Thema verloren hätten.

“Die Stimmungsmache wirkt”

Zudem wirke die Stimmungsmache auch bei den Betroffenen selbst. Ihnen würde ständig eingeredet, sie seien selbst schuld, und so verwandle sich Wut in Apathie, Scham und Resignation. Auch das hätte eine Vorgeschichte. So hätte die Hetze sofort nach der Einführung von Hartz-IV begonnen.

Erwerbslose würden zu Einzelfällen gemacht, und durch dieses Alleinsein würden Proteste verhindert.

“Massenproteste müssen organisiert werden”

Menschen müssten Hoffnung haben, dass Protest erfolgreich sein könne, und daran mangele es heute. Zudem müssten Massenproteste organisiert werden. Die Gewerkschaften, die dies könnten, hielten aber still.

“Geblieben sind die Kranken und Schwachen”

Im Leistungsbezug seien besonders Menschen mit gesundheitlichen Problemen, Psychiatrieerfahrene, Alleinerziehende, Verschuldete und Suchtkranke. Viele seien zudem schlecht qualifiziert.

Als Armutslobby würden sich besonders Initiativen wie Tacheles e.V. oder der Paritätische Wohlfahrtsverband erweisen, während von der Partei Die LINKE fast nichts zu hören sei.

“Überlebenskampf statt Mobilisierung”

Es fehle an Organisationen, die die Leistungsberechtigten mobilisierten. Zudem wären die Betroffenen vollauf mit ihrem Überlebenslampf beschäftigt. Viele kämen auch durch Lohnarbeit nicht aus der Armut.

Manche leisteten individuell Widerstand, durch Klagen vor dem Sozialgericht, und andere “wurschtelten sich durch”, indem sie zur Tafel gingen oder Pfandflaschen sammelten.

Sie selbst, sagt Anne Seeck, würde sich in der linken Szene “den Mund fusselig reden” darüber, wie wichtig die soziale Frage sei.