Hartz IV Jobcenter-Mitarbeiterin von Gericht abgewiesen
12.01.2017
Eine Fallmanagerin des Jobcenters in Osterholz-Scharmbeck wehrte sich dagegen, menschenfeindliche Praktiken zu vollstrecken. Jetzt kรผndigte sie ihre Stelle, ist selbst erwerbslos und muss zudem die Gerichtskosten fรผr ihre Klage gegen die Unmenschlichkeit bezahlen. Wie die Frankfurter Rundschau am 15. Dezember berichtete, verklagte die Frau ihren Arbeitgeber, das Jobcenter, weil dieser sie dazu zwรคnge, Sanktionen gegen Langzeitarbeitslose zu verhรคngen. Die Behรถrde hatte zuvor Eingliederungsvereinbarungen in Serie an Hartz-IV-Empfรคnger verschickt, ohne zuvor den Einzelfall zu prรผfen.
Die Hartz-IV-Abhรคngigen sollten pauschal mindestens fรผnf Bewerbungen pro Monat schreiben, ein Praktikum absolvieren und Kinderbetreuung organisieren. Es fand nicht nur keine Prรผfung im Einzelfall statt, zu den Empfรคngern gehรถrten auch Kranke und Menschen mit Migrationshintergrund, die die Vereinbarung nicht lesen konnten.
Auรerdem sollten die Betroffenen eine Lรผge unterschreiben, nรคmlich dass vorher ein Beratungsgesprรคch stattgefunden hรคtte, was nicht der Fall war. Individuelle Vereinbarungen gab es nur, wenn jemand widersprach.
Sanktionen bei โVerstoรโ
Die Klรคgerin hรคtte gegen die Hartz-Abhรคngigen Sanktionen verhรคngen mรผssen, wenn diese gegen die Auflagen verstoรen hรคtten โ also ihnen das Geld kรผrzen. Sie hielt das fรผr rechtswidrig und gegen die Wรผrde des Menschen, klagte vor dem Arbeitsgericht in Verden.
Das Gericht wies die Klage in erster Instanz ab, mit der Begrรผndung, das Projekt sei jetzt beendet, und sie mรผsse daher die Sanktionen, um die es in der Klage ging, nicht mehr verhรคngen.
Die Mitarbeiterin des Jobcenters hรคlt dieses Urteil fรผr falsch, denn wenn Hartz-IV-Abhรคngige wรคhrend des Projekts Mittel gestrichen worden seien, hรคtten sie bei einem weiteren โVerstoรโ hรถhere Kรผrzungen in Hรถhe von 60 % zu befรผrchten. Als Fallmanagerin hรคtte sie dann als Folge der standardisierten โVereinbarungโ hรถhere Sanktionen verhรคngen mรผssen.
Erneute Klage scheitert an Geld
Die jetzt Arbeitslose wรคre gerne in Berufung gegangen, vor allem, um diese Praktiken von Jobcentern allgemein juristisch als rechtswidrig anzuerkennen. Sie hat dafรผr aber kein Geld. Als Verliererin des Verfahrens muss sie circa 3000 Euro abbezahlen, was ihr bereits sehr schwer fรคllt.
Sie kรผndigte, damit sie die menschenunwรผrdigen Sanktionen nicht umsetzen muss. Zudem stand sie an ihrem Arbeitsplatz wegen ihrem Widerstand unter verschรคrfter รberwachung ihrer Vorgesetzten.
Sie sagt: โKein Geld der Welt und auch kein unbefristeter Vertrag darf es wert sein, seine Moral und seinen Verstand morgens an der Tรผr abzugeben.โ
Reform innerhalb des Systems?
So merkwรผrdig es Menschen erscheint, die den Demรผtigungen, dem Druck und ihrer Rechtlosigkeit im Hartz-IV-System ausgesetzt sind: Auch unter den Mitarbeitern der Jobcenter gibt es manche, die sich ein soziales Gewissen bewahrt haben.
Das Scheitern der Fallmanagerin zeigt aber, wie schwierig es ist, innerhalb eines unmenschlichen Systems Menschlichkeit einzufordern. Nicht nur Hartz-IV-Abhรคngige, sondern auch ethisch vorbildiche Mitarbeiter der Jobcenter spรผren den Terror des Systems ungeschminkt, wenn sie sich zur Wehr setzen.
Solidaritรคt statt Resignation
Der Schritt, gegen eine bestimmte Praxis innerhalb dieses Unterdrรผckungssystems fรผr die รrmsten der Armen vor Gericht zu ziehen, ist lobenswert. Zwar gilt es, das Hartz-IV-System in Gรคnze durch eine menschenwรผrdige Unterstรผtzung fรผr Erwerbslose zu ersetzen, doch hilft das den Entrechteten im Hier und Jetzt wenig. Deshalb gilt es zumindest, den schlimmsten Drangsalierungen etwas entgegen zu setzen.
Das hat die Fallmanagerin aus Osterholz-Scharmbeck getan. Ihr Widerstand wurde vom Jobcenter und Arbeitsgericht zermahlen. Das hinterlรคsst leider die bittere Botschaft: Versucht gar nicht erst, Kritik zu รผben.
Statt jetzt aber den Kopf einzuziehen, gebรผhrt der mutigen Frau, die den Kampf gegen die Unterdrรผckung aufnahm, Solidaritรคt. (Dr. Utz Anhalt)
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