Dauerschleife Minijob. DGB fordert: „Arbeit muss vor Armut schützen“
14.01.2017
DGB-Funktionäre in Krefeld, Remscheid und Celle fordern mehr Engagement für Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können und mit Hartz-IV aufstocken müssen. In Krefeld zum Beispiel gilt das für immerhin 5505 Menschen.
In Remscheid zum Beispiel gibt es 2173 Aufstocker, so der DGB, davon hätten 864 nur einen Minijob. Der örtliche DGB-Vorsitzende, Martin Klück, bezeichnet Minijobs als Armutsrisiko, das besonders Frauen nach der Familienphase treffe. Die Jobcenter müssten sich deshalb mehr für die Betroffenen engagieren. Das bedeute vor allem berufliche Qualifizierung.
Im Landkreis Celle leben 2733 Beschäftigte zudem von Hartz-IV, und 1004 davon haben nur einen Minijob. Der Geschäftsführer des DGB in der Region Celle, Martin Richter-Steinke, hält das für untragbar, allzumal die wirtschaftliche Lage gut sei.
Falle Minijob
Der Krefelder DGB-Vorsitzende Ralf Köpke sagt: „Es ist untragbar, dass so viele Menschen in unserer Stadt von ihrer Arbeit nicht leben können. Ein besonderes Problem sind die Minijobs. Der Minijob ist keine Brücke in reguläre Beschäftigung, sondern ein Armutsrisiko.“
Kröpke zufolge sind Minijobs keine Chance, sich zu qualifizieren und im Beruf aufzusteigen. Außerdem gäbe es keinen Anspruch auf die gesetzliche Sozialversicherung.
Er fordert von den Jobcentern die Betroffenen zu unterstützen, statt Druck aufzubauen und sie zu bestrafen. Das bedeute mehr Angebote der aktiven Arbeitsmarktpolitik, vor allem Möglichkeiten, sich beruflich zu qualifizieren. Der DGB habe das Ziel, Minijobs in sozialversicherte Beschäftigung umzuwandeln, allzumal viele Menschen in Minijobs mehr arbeiten wollten.
Auch die Infrastruktur müsse ausgebaut werden, um Familie und Beruf vereinbaren zu können. Viele Minijobber seien nämlich Minijobberinnen, also Frauen, die nur wenige Stunden arbeiten könnten, weil sie in Pflegearbeit eingebunden seien.
Niedriglöhne in Europa
Die Bertelsmann-Stiftung am 2016 zu dem Ergebnis, dass in der gesamten EU die Armutsgefahr trotz Vollzeitstelle steigt. 2013 lag diese Zahl der Full-Time-Jobs an der Grenze zur Armut in Europa bei 7,2 %, 2016 hingen bei 7,8%. Schuld sei ein wachsener Niedriglohnsektor und eine Spaltung der Arbeitsmärkte in reguläre und atypische Formen der Beschäftigung.
In Deutschland haben die Niedriglöhne zwar mit der Einführung des Mindestlohns einen Dämpfer bekommen, doch Deutschland hat nach wie vor den größten Niedriglohnsektor Europas.
„Atypische“ Beschäftigungen in Deutschland sind zum Beispiel Minijobs, Praktika, Scheinselbstständige, Arbeit auf Honorarbasis, Zeitarbeit, ehrenamtliche Arbeit an Stelle von regulärer Arbeit, unbezahlte Vor- und Nachbereitung, aber auch die diversen „Maßnahmen“ der Jobcenter, die Erwerbslose aus der Statistik tricksen.
Köpke sieht die Einführung des Mindestlohns positiv. Denn seit er gälte, seien 100.000 Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeit verwandelt worden.
Zahl der Aufstocker in Deutschland gesunken
Bis 2016 sank die Zahl der Vollbeschäftigten, die mit Hartz-IV aufstockten seit 2009 um 157.000 – von 338.000 2009 auf 181.000 2016. Ebenso ging die Zahl der Mini-Jobbber und aufstockenden Selbstständigen zurück.
Die Zahl der Aufstocker insgesamt, die zusätzlich zu ihren Löhnen Hartz-IV-Gelder bekommen sank von 1,18 Millionen 2014 auf 1,13 Millionen Ende 2016.
Minijobs als Dauerschleife
Viele Menschen sehen Minijobs als Lückenfüller an, zwischen Ausbildung und Festanstellung, „bis die Pflege für die kranke Mutter geklärt ist“, „bis die Kinder eigene Wege“ gehen oder in der Phase von Studium und Beruf.
In Wirklichkeit erweist sich der „Übergang“ vor allem als eine Dauerschleife. Wer von einem Minijob plus Hartz-IV leben muss, ist dem Hartz-System ebenso ausgeliefert wie Erwerbslose, die von ALG-II leben.
Der Markt für geringfügig Beschäftigte, besonders mit hoher Qualifikation, ist groß, und kaum ein Arbeitgeber hat Interesse daran, diese für ihn bequeme Situation zu ändern, also qualifizierte Mitarbeiter, die in Minijobs arbeiten, in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen – geschweige denn unqualifizierte Mitarbeiter dafür zu qualifizieren.
Falls die Jobcenter ein reales Interesse hätten, ihre Klienten in abgesicherte Arbeit zu bringen, würden sie genau hier einhaken und gezielte Weiterbildungen für geringfügig Beschäftigte, die mehr arbeiten wollen, entwickeln. Stattdessen müssen die Betroffenen auch weiterhin jede Arbeit annehmen, und viele sind ebenso in der Falle wie Erwerbslose: Einmal Hartz-IV heißt dann immer Hartz-IV, ob mit oder ohne Beschäftigung. (Dr. Utz Anhalt)
Bild: ferkelraggae – fotolia
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