Hartz IV Klagen: Oft sind Jobcenter Schuld

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Hartz IV Klagen: Oft sind Jobcenter Schuld

03.02.2012

Rund 70 Prozent aller eingegangen Klagen am Sozialgericht Berlin sind Hartz-IV-Fรคlle. Viele Klagen wรคren aufgrund einer verbesserten Kommunikation in den Jobcentern vermeidbar, wie die Prรคsidentin des Sozialgerichts Sabine Schudoma erklรคrte.

Ein GroรŸteil der Hartz IV Verfahren wรคren vermeidbar
Etwa 40.000 Klagen sind noch offen, wie Schudoma unlรคngst erklรคrte. Im letzten Jahr erreichten das Gericht Klageantrรคge im โ€ž12-Minuten-Taktโ€œ. Insgesamt 43 832 Verfahrensantrรคge seien nach Angaben der Richterin im vergangenen Jahr eingegangen. Das seien im Monatsdurchschnitt etwa 3653 Klageantrรคge. Die allermeisten Klagen behandeln das Thema Hartz IV. Schuld daran sind nach Meinung des Gerichts vor allem die Jobcenter. Die Sachbearbeiter kommen mit ihrer โ€žArbeit einfach nicht hinterherโ€œ, erklรคrt Schudoma. Auch nach einigen Monaten der Klageerhebung geben die Behรถrden oftmals keine Stellungnahme ab. Aus diesem Grund werden zahlreiche weitere Untรคtigkeitsklagen von den Betroffenen eingereicht. โ€žDie รœberforderung der Jobcenter fรผhrt zur รœberlastung der Gerichteโ€œ, kritisiert Schudoma. Von 127 Richtern beschรคftigen sich 72 ausschlieรŸlich mit der Thematik SGB II.

Neben den Jobcentern kritisiert die Gerichtsprรคsidentin die Politik. Noch immer sind die Regelungen bei der Unterkunftskosten rechtswidrig. Aus diesem Grund gรคbe es vor allem in diesem Themengebiet besonders viele Klagen. In Berlin werden die Kosten der Unterkunft immer noch nach der Tabelle โ€žAV Wohnenโ€œ berechnet. Diese aber hatte das Bundessozialgericht in Kassel fรผr rechtswidrig abgeurteilt. Aus diesem Grund verwenden die Richter ein aus der Praxis entwickeltes Berechnungsmodell โ€žunter spezieller Berรผcksichtigung des Mietspiegelsโ€œ. Viele Arbeitslosengeld II Bezieher werden in Berlin aus ihren Wohnungen gedrรคngt. Sie sollen sich kostengรผnstige Wohnungen suchen, die es aber kaum gibt. Daher fordert die Sozialgerichtsprรคsidentin: โ€žSchaffen Sie transparente, sozial ausgewogene und praxistaugliche Mietgrenzwerteโ€œ Weitere Streitpunkte sind Sanktionen, Verletzung der Bearbeitungsfristen und Anrechnungen auf Hartz IV Leistungsbezรผge.

Gebรผhrenpflicht fรผr Jobcenter (wieder) einfรผhren
Scharfe Kritik รคuรŸerte die Prรคsidentin auch an der Abschaffung der Gebรผhrenpflicht fรผr Jobcenter, die es seit 2006 nicht mehr gibt. Wรผrde die Gebรผhr noch existieren, hรคtten die ร„mter rund 2,4 Millionen Euro allein im 2011 zahlen mรผssen. Es sei daher unverstรคndlich warum Krankenkassen oder Rentenversicherungstrรคger die Gerichtsgebรผhren zahlen und Jobcenter hiervon verschont bleiben. Gรคbe es diese Gebรผhr, wรผrde wenigstens ein Anreiz geschaffen werden, sich auch auรŸerhalb eines Gerichtsverfahren gรผtlich zu einigen. Ausreichende Gesprรคche kรถnnen Widersprรผche oder Klageantrรคge vermeiden. โ€žFรผr das Jobcenter ist das gerichtliche Verfahren eben kostenlosโ€œ. Das bedeutet, dass eine Klageerhebung fรผr die Jobcenter Risikofrei ist.

Hohe Erfolgsrate der Klagen
รœber die Hรคlfte der Klagen waren fรผr die Betroffenen erfolgreich. Im Jahre 2011 beziffert Schudoma die Erfolgsquote mit 54 Prozent. In anderen Rechtsgebieten liege die Quote gerade einmal bei 35 Prozent. (sb)