Schwerbehinderung: Dieses Urteil macht Mut – GdB hochgestuft und die Kosten erstattet

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Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az. L 6 SB 210/22 B) entschied, dass die Landeskasse die Auslagen fรผr ein von der Klรคgerin beauftragtes Gutachten nach ยง 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ihre Beschwerdekosten รผbernehmen muss. Damit stรคrkt das Gericht die Position von Betroffenen, die um einen hรถheren Grad der Behinderung (GdB) ringen.

Warum das Urteil vielen Lesern bares Geld spart

Wer einen hรถheren GdB anstrebt, steht oft vor der Frage: Lohnt sich ein zusรคtzliches Gutachten auf eigene Initiative? Ein ausfรผhrliches fachรคrztliches Gutachten kostet schnell mehrere tausend Euro. Das LSG stellt nun klar: Fรถrdert das Gutachten die gerichtliche Aufklรคrung entscheidend, zahlt die Staatskasse. Die Klรคgerin profitierte also doppelt:

  • Sie erhielt einen Gesamt GdB von 50 statt 40.
  • Sie musste die Gutachter und Anwaltskosten nicht selbst tragen.

Wie es zum Streit kam

Die Klรคgerin aus Duisburg wollte mindestens GdB 50 und das Merkzeichen G. Das Sozialgericht holte zwei Gutachten ein.

Beide Experten sahen nur GdB 40. Daraufhin beantragte die Klรคgerin nach ยง 109 SGG ein drittes, unabhรคngiges Gutachten. Die neue Sachverstรคndige bewertete ihre psychischen Einschrรคnkungen deutlich schwerer und schlug einen Gesamt GdB von 50 vor.

Der Beklagte akzeptierte daraufhin einen Vergleich, jedoch erst ab Januar 2022. Die Klรคgerin wollte zusรคtzlich die Gutachtenkosten ersetzt haben. Das Sozialgericht lehnte ab. Es meinte, das Gutachten habe lediglich eine spรคtere Verschlimmerung bestรคtigt.

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Die Kernpunkte der LSG-Entscheidung

Gutachten fรถrderte die Sachaufklรคrung

Die Richter betonten: Das Wunschgutachten zeigte relevante Fakten, die bereits seit der Antragsstellung 2018 vorlagen. Es bestรคtigte nicht nur eine Verschlechterung, sondern belegt eine falsche Bewertung der Vorgutachten. Damit habe es das Verfahren maรŸgeblich beeinflusst.

Kosten als Teil der Gerichtshaltung

Nach ยง 109 SGG entscheidet das Gericht per Ermessensbeschluss รผber die Kostentragung. Fรผr das LSG gehรถrt ein notwendiges Gutachten ebenso zur โ€žGerichtshaltungโ€œ wie Papier oder Dolmetscherhonorare. Folglich zahlt die Landeskasse, wenn das Gutachten den Prozess voranbringt.

Analogien zum Straf- und OWi-Verfahren

Fรผr die Erstattung der Beschwerdekosten รผbertrรคgt das LSG den Rechtsgedanken des ยง 467 StPO (i. V. m. ยง 46 OWiG) auf das Sozialrecht: Gewinnt die Klรคgerin, trรคgt die Staatskasse ihre Anwalts- und Verfahrenskosten, auch wenn sie selbst nicht Partei ist.

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Geringeres Kostenrisiko: Wer ein Gutachten fรผr nรถtig hรคlt, kann eher zugreifen.
Stรคrkeres Druckmittel: Abweichende Einschรคtzungen unabhรคngiger Expertinnen und Experten erhรถhen die Vergleichsbereitschaft der Behรถrde.
Planbare Strategie: Der Beschluss hilft, frรผh die Weichen zu stellen und unnรถtige Instanzen zu vermeiden.

Was Sie vor einem ยง 109 SGG-Antrag prรผfen sollten

  1. Lรผcken im Gerichtsgutachten erkennen. Fehlen Diagnosen oder werden sie zu niedrig bewertet?
  2. Fachdisziplin exakt wรคhlen. Das neue Gutachten muss eine andere Perspektive bieten, hier war es die Psychiatrie.
  3. Unabhรคngigkeit sichern. Benennen Sie einen Gutachter, der/die weder fรผr die Behรถrde noch fรผr das Gericht zuvor tรคtig war.

Einordnung im Kontext Sozialrecht und Bรผrgergeld

Der Beschluss wirkt รผber das Schwerbehindertenrecht hinaus. Auch in Renten, Pflege oder Erwerbsminderungsverfahren kรถnnen Gutachten nach ยง 109 SGG entscheidend sein. Fรผr Bรผrgergeld Beziehende bedeutet jeder zusรคtzliche GdB-Punkt mehr Schutz, etwa beim Vermรถgensfreibetrag oder bei Mehrbedarfen fรผr behinderungsbedingte Ernรคhrung.