Die Rentenversicherung verรคnderte einen Antrag auf Rehabilitation in einen Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente. Das ist in bestimmten Fรคllen legitim, doch nicht in diesem Fall. Es ging vor das Sozialgericht Regensburg, und dieses erklรคrte die Umdeutung fรผr rechtswidrig (S 3 R 772/20)
Reha vor Rente
Eine berufliche oder medizinische Rehabilitation dient dazu, die Erwerbsfรคhigkeit einer Erkrankten oder Verletzten wiederherzustellen. Grundsรคtzlich gilt bei der Rentenversicherung der Grundsatz โReha vor Renteโ.
Deshalb wird eine Erwerbsminderungsrente in der Regel erst dann genehmigt, wenn der Betroffene sich zuvor einer Reha-Maรnahme unterzogen hat und es trotzdem nicht gelang, die Erwerbsfรคhigkeit wiederherzustellen.
In manchen Fรคllen deutet die Rentenversicherung jedoch einen Reha-Antrag in einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente um und entscheiden dann รผber eine Erwerbsminderung mitsamt der beruflichen Folgen fรผr die Betroffenen โ und dies gegen deren Willen. Ein solcher Fall beschรคftigte das Sozialgericht Regensburg.
Krankgeschrieben, aber nicht erwerbsgemindert
Die Betroffene stellte am 27.01.2017 einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Danach absolvierte sie die entsprechende Maรnahme in Bad Reichenhall. Zum Zeitpunkt des Antrags war sie arbeitsunfรคhig, also krankgeschrieben.
Damit war sie aber nicht erwerbsgemindert, sondern lediglich wegen ihrer Krankheit zur gesetzten Zeit nicht fรคhig, ihre bisherige oder รคhnlich geartete Erwerbstรคtigkeit auszuรผben. Erwerbsminderung setzt jedoch voraus, dass Betroffene weniger als sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) oder weniger als drei Stunden (volle Erwerbsminderung) pro Tag arbeiten kรถnnen โ und dies seit mindestens sechs Monaten.
Voll erwerbsfรคhig
Der Entlassungsbericht der Reha-Maรnahme stellte jedoch fest, dass die Frau voll erwerbsfรคhig war, also sechs Stunden und mehr pro Tag arbeiten konnte. Er ging von einer noch hรถchstens vier Wochen dauernden Arbeitsunfรคhigkeit aus.
Antrag auf Erwerbsminderung
Erst am 09.05.2018 stellte die Betroffene einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Zwei Gutachten von Sachverstรคndigen vom 28.06.2018 und vom 25. 09.2019 stellten eine Erwerbsminderung fest. Die Rentenversicherung ging jetzt davon aus, dass der Zustand der Erwerbsminderung seit dem 04.10.2016 bestand.
Dabei interpretierte die Rentenversicherung den Antrag auf eine Reha von 2017 bereits als Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Dagegen klagte die Betroffene vor dem Sozialgericht.
Reha-Antrag kann nur bei bestehender Erwerbsminderung umgedeutet werden
Die Richter erklรคrten diese Interpretation der Rentenversicherung fรผr rechtswidrig. Zwar kรถnne ein Antrag auf Reha als Antrag auf Erwerbsminderung umgedeutet werden. Dies gelte aber nur fรผr den Fall, dass zur Zeit des Antrags tatsรคchlich eine Erwerbsminderung vorlag.
Dies war aber bei der Betroffenen nachweislich nicht der Fall.
Da sie den Antrag auf Erwerbsminderung am 09.05.2018 gestellt hatte und das entsprechende Gutachten am 28.06.2018 erstellt wurde, sei der Beginn der Erwerbsminderung vielmehr der 01.06.2018.
Wie ist die rechtliche Grundlage?
Ein Reha-Antrag kann dann automatisch als Antrag auf Erwerbsminderungsrente gewertet werden, wenn eine erfolgreiche Rehabilitation zur Wiederherstellung der Erwerbsfรคhigkeit nicht zu erwarten ist. So regelt es der Paragraf 116 Absatz 2 im Sozialgesetzbuch VI.
Fรผr Betroffene kann eine solche Umwandlung von Nachteil sein. Sie kรถnnen dann nรคmlich ihr recht verlieren, รผber den Verlauf des Verfahrens mitzubestimmen. Vor allem verlieren sie mรถglicherweise ihr Recht, den Antrag zurรผckzunehmen.