Rente: Gericht verweigert Rentenpunkte – Wer jetzt besonders aufpassen muss

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Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg stellt klar: Wer Krankengeld bezieht, das auf einem Arbeitsvertrag mit mehr als 30 Wochenstunden basiert, erhält für die Pflegezeit keine zusätzlichen Rentenpunkte. Auch dann nicht, wenn die Pflege zu Hause täglich und im erheblichen Umfang geleistet wird.

Diese Entscheidung betrifft primär Menschen, die beruflich stark eingebunden sind und gleichzeitig Angehörige pflegen – und nun durch Krankheit gezwungen sind, ihre Arbeit zeitweise zu unterbrechen. Viele gehen davon aus, dass die Pflege in dieser Phase automatisch rentenrechtlich anerkannt wird. Doch genau das ist nicht immer der Fall. Das Urteil zeigt auf, wie schnell hier eine Rentenschutzlücke entsteht – und was Pflegepersonen unternehmen können, um sich davor zu schützen.

Das Urteil in Kürze

Nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, die Krankengeld auf Grundlage eines Arbeitsentgelts für eine Beschäftigung im Umfang von mehr als 30 Stunden wöchentlich beziehen, sind nicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI als Pflegeperson versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung.
> — Landessozialgericht BadenWürttemberg, Urteil vom 30.04.2025, Az.: L 5 R 3093/24

Im zugrunde liegenden Fall pflegte ein Vater seinen Sohn mit Pflegegrad 2 in der häuslichen Umgebung. Die tägliche Pflegetätigkeit betrug nachweislich rund 28 Stunden pro Woche – ein erheblicher Einsatz, der normalerweise mit Rentenpunkten honoriert wird. Doch zur selben Zeit bezog der Vater Krankengeld, weil er krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Das Krankengeld wurde von der Krankenkasse auf Grundlage eines Arbeitsvertrags mit mehr als 30 Wochenstunden berechnet.

Und genau hier lag das Problem: Die Pflegekasse verweigerte die Meldung der Pflegezeit an die Rentenversicherung, mit der Begründung, die 30-Stunden-Grenze sei überschritten. Der Vater klagte – zunächst vor dem Sozialgericht, dann in der Berufung vor dem LSG – und verlor. Das Gericht bestätigte: Wer Krankengeld auf Basis einer regulären Tätigkeit von mehr als 30 Wochenstunden bezieht, hat keinen Anspruch auf die zusätzlichen Rentenversicherungszeiten aus der Pflege.

Was bedeutet das Urteil konkret für pflegende Angehörige?

Die Entscheidung mag auf den ersten Blick unverständlich wirken. Schließlich handelt es sich bei pflegenden Angehörigen um Menschen, die ihre Zeit, Kraft und Gesundheit für andere einsetzen – oft unter großen persönlichen Belastungen. Umso bitterer ist es, wenn dieser Einsatz im Rentenrecht keine Berücksichtigung findet.

Kernpunkt der Entscheidung ist die gesetzlich festgelegte 30-Stunden-Grenze. Wer mehr als 30 Stunden pro Woche erwerbstätig ist – und sei es nur auf dem Papier – hat laut § 3 Satz 3 SGB VI keinen Anspruch auf Rentenpunkte für Pflege. Diese Grenze gilt unabhängig davon, ob tatsächlich gearbeitet wird. Das heißt: Auch wenn Du durch Krankheit freigestellt bist und nicht zur Arbeit gehst, bleibt der Arbeitsvertrag mit seiner Wochenarbeitszeit entscheidend.

Das LSG argumentierte, dass Krankengeldbezieher bereits über die Krankenversicherung rentenversichert seien. Sie erhielten Pflichtbeiträge, berechnet auf Grundlage von 80 % des bisherigen Bruttogehalts. Damit seien sie grundsätzlich abgesichert – eine doppelte Rentenversicherungspflicht über die Pflegezeit sei daher nicht notwendig. Gleichzeitig will der Gesetzgeber mit der 30-Stunden-Regel sicherstellen, dass nur diejenigen zusätzlich abgesichert werden, die ihre Erwerbstätigkeit wegen der Pflege einschränken – und nicht aus anderen Gründen, etwa wegen Krankheit.

Ein weiterer Gedanke der Richter: Wer trotz Krankengeld zusätzlich Rentenpunkte über die Pflegezeit bekommen würde, wäre gegenüber anderen Pflegepersonen, die nur teilweise berufstätig sind, übermäßig privilegiert. Auch das sollte vermieden werden.

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Warum gerade die 30-Stunden-Grenze so wichtig ist

Die 30-Stunden-Grenze ist keine juristische Willkür, sondern politisch gewollt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass jemand, der mehr als 30 Stunden pro Woche arbeitet, nicht zusätzlich rentenrechtlich über die Pflege gefördert werden muss. Diese Regel soll klare Verhältnisse schaffen und verhindern, dass eine berufliche Vollzeittätigkeit plus Pflege zu einer doppelten Rentenförderung führt.

In der Praxis führt diese Regelung jedoch zu Grauzonen und Härtefällen. Etwa dann, wenn jemand durch Krankheit nicht mehr arbeitet, aber formal weiter in einem Arbeitsverhältnis mit über 30 Stunden steckt. Genau das war hier der Fall. Der Kläger arbeitete tatsächlich nicht – er pflegte. Doch da sein Krankengeld auf einem Vertrag mit über 30 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit basierte, wurde seine Pflegetätigkeit nicht rentenrechtlich anerkannt.

Dass er selbst argumentierte, seine effektive Krankengeldberechnung hätte eher 28 Wochenstunden entsprochen, überzeugte das Gericht nicht. Maßgeblich sei allein die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit – nicht das faktisch gezahlte Krankengeld.

Wie kannst Du als Pflegeperson Rentenlücken vermeiden?

Auch wenn das Urteil enttäuschend ist, bietet es eine wichtige Orientierung: Pflegepersonen sollten frühzeitig prüfen, ob ihre Pflegezeiten tatsächlich zu Rentenansprüchen führen – und was sie unternehmen können, wenn das nicht der Fall ist.

Wer plant, Angehörige zu pflegen und gleichzeitig beruflich aktiv bleibt, sollte überlegen, die vertragliche Arbeitszeit auf 30 Stunden oder weniger zu reduzieren. Dies ist besonders wichtig, wenn absehbar ist, dass es zu einer Arbeitsunfähigkeit (z. B. durch eigene Erkrankung) kommen kann. Denn im Krankheitsfall zählt der letzte offizielle Arbeitsvertrag – auch dann, wenn faktisch nicht gearbeitet wird.

Ebenso kann es sinnvoll sein, sich bei der Deutschen Rentenversicherung über freiwillige Beiträge zu informieren. Wer keine rentenrechtliche Anerkennung der Pflegezeit bekommt, kann durch gezielte Einzahlungen Versorgungslücken schließen.

Nicht zuletzt empfiehlt sich eine individuelle Beratung durch Pflegestützpunkte, Sozialverbände oder Rentenberater. Viele gesetzliche Krankenkassen und Pflegekassen bieten ebenfalls kostenfreie Beratungen an – allerdings oft nur auf Nachfrage.

Was ist mit Bürgergeld und Pflege?

Viele Bürgergeld Beziehende übernehmen Pflegeaufgaben für Angehörige. In diesen Fällen kann das Jobcenter die Pflegezeit an die Rentenversicherung melden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Wichtig ist auch hier: Die Grenze von 30 Wochenstunden darf nicht überschritten werden.

Wenn Du etwa einen Minijob hast und gleichzeitig regelmäßig einen Angehörigen pflegst, hast Du gute Chancen, dass die Pflegezeit angerechnet wird. Das gilt insbesondere dann, wenn Du mindestens 10 Stunden pro Woche an mindestens zwei Tagen pflegst und ein anerkannter Pflegegrad (ab Stufe 2) vorliegt.

Wichtig: Achte darauf, dass die Pflegekasse oder das Jobcenter die Zeiten korrekt melden. Lass Dir die Meldung schriftlich bestätigen und prüfe regelmäßig Dein Rentenkonto.