Hartz IV Aktivierungsideologie ist gescheitert

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Diakonie Vorstand spricht klare Worte: Die Aktivierungs-Ideologie der Hartz IV Reformen ist gescheitert
Der Vorstand der Diakonie drängt auf eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik

Ungewöhnlich direkte und klare Worte sprach der Vorsitzende Dr. Uwe Becker der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe auf dem am vergangenen Wochenende statt gefundenen Zukunftskonvent der nordrhein-westfälischen SPD. Becker kritisierte scharf das gängige Aktivierungs-Paradigma, das im Rahmen der Hartz IV-Gesetzgebungen Einzug in die Sozialgesetzbücher gefunden habe. Das Hartz-Modell "sei gescheitert", so Becker. Die Arbeitsmarktintegration mit dem Aktivierungsparadigma würde nicht ausreichend gelingen. Deshalb müssten die Chancen zu mehr sozialer Teilhabe anderweitig eröffnet werden.

"Dies kann nur auf der Basis höherer und wenigstens ein Stück mehr dem Lebensstandardprinzip verpflichteter Transferleistungen erfolgen. Daneben ist eine breite Angebotsstruktur gemeinwohlorientierter, sinnstiftender Tätigkeiten zu schaffen, die auch gewisse Möglichkeiten eines Zuverdienstes eröffnet.", so der Diakonie-Vorsitzende.

Bereits im "Schröder-Blair Papier" von 1999 wurde die Aktivierung von Erwerbslosen unter einen emanzipatorischen Deckmantel gesteckt. Doch das eigentliche Ansinnen wurde verschleiert. Die damaligen Regierungschefs wollten ein „Einnisten“ der Erwerbslosen in die "chronische Fürsorge-Situation" des Sozialtransfers verhindern und ihnen die Möglichkeit zu einem "selbst-bestimmten Leben in Arbeit" eröffnen. Doch das Problem liege aber, so Dr. Becker, nicht in der mangelnden Arbeitsbereitschaft der Arbeitslosen, sondern vielmehr daran, dass wir "schlichtweg unter dem Strich einen Mangel an verfügbaren Arbeitsplätzen" haben.

Hartz IV hat weder die Strukturproblematik einer verfestigt hohen Langzeit-Arbeitslosensquote signifikant verändert, noch sei der zahlenmäßige Überhang von Arbeitssuchenden gegenüber dem Angebot an auskömmlicher Erwerbsarbeit auch nur annähernd aufgelöst worden. Eine Diakonie Studie offenbarte, dass nur die wenigsten Hartz IV Bezieher tatsächlich den Sprung in den sog. ersten Arbeitsmarkt geschafft haben. Und wenn sie es tatsächlich geschafft, haben, unterliegen sie unsicheren Arbeitssituationen wie etwa Zeitverträge oder prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Sozial und Gesellschaftspolitisch wird allerdings der Umkehrschluss betrieben, die Schuld an der Misäre den Hartz IV Betroffenen in die Schuhe zu schieben. So sagte Becker vor dem Zukunftskonvent der SPD: "Darum ist es unsinnig, wenn Sozialpolitik meint, die Strukturproblematik des Arbeitsmarktes uminterpretieren zu können zur Verhaltensproblematik der von Arbeitslosigkeit Betroffenen." Die Hartz IV- Aktivierungspolitik schaffe nicht mehr Arbeit, sondern nur noch mehr Armut. Die Kinderarmut sei gestiegen, das Reallohn-Niveau gesunken, das Phänomen der "Working poor" habe sich verbreitet und allerorten seien Sozialkaufhäuser und Lebensmittel-Tafeln wie Pilze aus dem Boden geschossen.

Der Diakonie Vorsitzende Dr. Becker rief die SPD dazu auf, von der staatlich gelenkten Sanktions-Pädagogik zu einer Arbeitsmarktpolitik zurückzukehren, die sich im Wesentlich dem Abbau von Armutsrisiken verschreibe. Für Becker ist es zudem wichtig, dass nicht weiter das soziale Klima im Land durch eine Diskreditierung der Arbeitslosen geschürt wird“, etwa durch die Forderung nach einer Erhöhung der „Treffsicherheit des Sozialstaates“, die „kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit“ zugestehen könne. Becker sieht seinen Vortrag vor dem Zukunftskonvent der NRW-SPD als einen Anstoß zu einem umfassenden Diskurs über die Zukunft der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Aus diesem Grund startet die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe auch eine neue Zeitungsreihe „Diakonische Zwischenrufe“ mit einem Beitrag von Uwe Becker „Arbeit für alle?!“. (sm, PM Diakonie, 22.11.2009)

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