Witwenrente: Bonus für das Sterbevierteljahr wird als Einkommen berechnet

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Das Bundessozialgericht entschied: Einem Jobcenter steht gegen einen anderen Sozialleistungsträger ein Erstattungsanspruch zu, “wenn einer leistungsberechtigten Person für denselben Zeitraum, für den ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen nach diesem Buch erbracht hat, eine andere Sozialleistung bewilligt wird.” (B 5 R 1/22 R)

Dies gilt, laut Bundessozialgericht ausdrücklich auch für das Sterbevierteljahr bei der Hinterbliebenenrente.

Der Tatbestand

In diesem Fall durchlief die Klage des zuständigen Jobcenters alle Instanzen des Sozialgerichts. Das Jobcenter verlangte darbei die Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 538,38 Euro für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose.

Eine Witwe hatte im entsprechenden Zeitraum Bezüge von der Rentenversicherung im Rahmen der Hinterbliebenenrente erhalten.

Das Jobcenter im Kreis Nordfriesland gewährte dem Rentenversicherten und seiner späteren Witwe laufend Hartz IV. Am 25.2.2016 starb der Versicherte, und die Witwe bezog weiterhin die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, auch vom 25.2.2016 bis zum 31.5.2016, im sogenannten Sterbevierteljahr.

In den drei Monaten nach dem Tod gelten bei der Rentenversicherung für Bezieher einer Hinterbliebenenrente ein finanzielle Vergünstigungen.

Große Witwenrente bewilligt

Die Deutsche Rentenversicherung bewilligte der Witwe rückwirkend eine große Witwenrente ab dem Sterbetag des Versicherten.

Die zunächst einbehaltene Nachzahlung umfasste auch den Erhöhungsbetrag, also den Bonus für das sogenannte Sterbevierteljahr. Diese Erhöhung lag bei 221,65 Euro pro Monat.

Keine Erstattung für das Sterbevierteljahr

Die Rentenversicherung erstattete dem Jobcenter 1673,88 Euro von 2257, 26 Euro, die die Behörde verlangt hatte. Den Rest bezahlte sie nicht und begründete dies damit, dass der Bonus zum Sterbevierteljahr nicht beim ALG II als Einkommen zu bewerten sei. Sie zahlte den Restbetrag an die Witwe aus.

Das Jobcenter klagte vor dem Sozialgericht Schleswig und forderte von der Rentenversicherung die Summe des ausgezahlten Bonus für das Sterbevierteljahr.

Die Rentenversicherung hielt dagegen: Der Bonus werde für die außergewöhnliche Belastung der Hinterbliebenen nach dem Tod bezahlt und sei deshalb nicht als Einkommen zu bewerten.

Jobcenter bekommt Geld zurück

Sozialgericht, Landessozialgericht und Bundessozialgericht kamen zur gleichen Einschätzung. Die Beklagte muss die restlichen 583,38 Euro erstatten, entschied das Sozialgericht Schleswig.

Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein wies die Berufung zurück und das Bundessozialgericht ebenso die Revision.

Bonus nicht vom Einkommen ausgenommen

Die Begründung lautete: Der Bonus für das Sterbevierteljahr falle nicht unter die zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbrachten Leistungen, die laut Sozialgesetzbuch II nicht beim Einkommen angerechnet würden.
Zwar sei laut dem Arbeitsförderungsgesetz Paragraf 138 Abs 3 Nr 3 das Sterbevierteljahr laut einem Urteil von 1990 nicht als Einkommen anzurechnen.

Der Paragraf 11a Abs 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches II sei jedoch deutlich restriktiver. Das Jobcenter könne sein Erstattungsbegehren zudem auf Paragraf 40a Satz 1 SGB II sowie Paragraf 104 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X stützen.

Wörtlich heißt es: “Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Vorinstanzen haben diese zutreffend zur Zahlung weiterer 583,38 Euro an den Kläger verurteilt. Erstattung ist auch in Höhe des gewährten Sterbevierteljahresbonus zu leisten.”

Muss die Witwe zahlen?

Die Rentenversicherung muss zahlen, die Witwe bleibt von Erstattungen verschont.

Das Gericht führte aus: “Eine Aufhebungs und Erstattungsverfügung des Klägers gegenüber der Witwe wäre nur unter den weiteren Voraussetzungen einer rückwirkenden Aufhebung bestandskräftiger Verwaltungsakte möglich, die durch den Ausgang des Erstattungsstreits zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht präjudiziert werden.”

Das Gleiche würde auch gelten, wenn die Rentenversicherung Geld von der Witwe zurückfordert.

Zudem müsse die Witwe keine bezogenen Leistungen erstatten, da Jobcenter wie Rentenversicherung in der mündlichen Verhandlung erklärt hätten, keinen diesbezüglichen Rechtsstreit zu führen.

Was bedeutet das Urteil?

Da alle drei Instanzen des Sozialgerichts zum selben Urteil kamen, werden sich Jobcenter bei der Erstattung von Leistungen wegen des Sterbevierteljahres in Zukunft darauf berufen.

Für Witwer und Witwen, die Bürgergeld beziehen bedeutet das: Der Bonus des Sterbevierteljahres wird ihnen beim Jobcenter als Einnahmen berechnet und bei einer nachträglichen Auszahlung der Rentenversicherung eingezogen.