Der Betroffene wohnt seit Jahren in einer eigenen Wohnung, hat einen Grad der Behinderung von 80 mit den Merkzeichen G und aG sowie einen Pflegegrad II und erhielt laufend Bürgergeld.
Bei seinem Weiterbewilligungsantrag unterstellte ihm das Jobcenter, seinen Wohnort gewechselt zu haben und lehnte deshalb den Antrag ab.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen verpasste dem Jobcenter eine juristische Ohrfeige und verpflichtete es im Wege einstweiliger Anordnung, das Bürgergeld auszuzahlen. (Az: L 21 AS 537/25 B ER)
Inhaltsverzeichnis
Jobcenter behauptet, der Leistungsberechtigte lebt anderswo
Der Betroffene hatte Bürgergeld bezogen und stellte einen Weiterbewilligungsantrag. Das Jobcenter lehnte diesen ab, weil es behauptete, er würde sich nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Behörde aufhalten.
Der Betroffene suchte deshalb bei dem Sozialgericht Detmold um gerichtlichen Eilrechtsschutz nach, da er dringend auf die Leistungen angewiesen sei. Schließlich ging die Angelegenheit vor das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.
Nur die Ärzte und die Freundin sind an einem anderen Ort
Der Betroffene gab an, dass er seinen Wohnsitz nicht gewechselt habe. Zwar seien sein Hausarzt, sei Orthopäde und sein Neurologie in anderen Orten, und ebenso wohne seine Freundin in einem anderen Ort, doch dort würde er nicht leben.
Die Freundin erledigt die Einkäufe
Vielmehr gebe er seiner Freundin seine EC-Karte, damit sie für ihn einkaufe, wenn es ihm gesundheitlich nicht gut gehe. Dazu fügte er eine eidesstattliche Versicherung sowie Kontoauszüge seines Girokontos bei. Er sei also nach wie vor am Ort wohnhaft und habe Anspruch auf Leistungen des ansässigen Jobcenters.
Jobcenter sagt, Abhebungen sind nur am Wohnort der Freundin
Das Jobcenter behauptete jedoch, er halte sich nicht mehr am Ort auf, sondern im Wohnort seiner Lebensgefährten. Dies ginge aus den von ihm eingereichten Kontoauszügen hervor, die ausschließlich Abhebungen am Wohnort seiner Freundin belegten.
Zur Freundin gezogen?
Es gebe also keinen Hinweis auch nur auf einen kurzfristigen Aufenthalt am Ort, für den das Jobcenter zuständig sei.
Es sei davon auszugehen, dass er zu seiner Freundin gezogen sei. Auch die beauftragte Anwaltskanzlei sowie die ausgestellten AU-Bescheinigungen befänden sich in der Nähe der Wohnung der Freundin. Insofern habe sich der Lebensmittelpunkt und der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen dorthin verlagert.
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Bescheid prüfenKein persönlicher Kontakt
Außerdem habe er bereits seit Jahren nicht mehr persönlich bei diesem Jobcenter vorgesprochen. Auf Einladungsschreiben seiner Arbeitsberaterin seien regelmäßig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht worden.
Zwar hätte der Außendienst des Jobcenters ihn bei einem Besuch in seiner Wohnung angetroffen. Dies sei aber nicht verwunderlich, da der Hausbesuch vorher angekündigt worden sei.
Ohne Hilfe ist kein Verlassen des Hauses möglich
Der Betroffene erklärte, er könne ohne Hilfe das Haus nicht verlassen, und deshalb müsse sein Freundin die Einkäufe erledigen. Sie Stiefvater hole für ihn die Post aus dem Briefkasten und helfe ihm ein- bis zweimal pro Monat bei einem Bad. Er habe keinen Kontakt zu seinen Nachbarn.
Seine Wohnung sei wegen Zahlungsrückständen gekündigt worden, und die Stadtwerke hätten außerdem die Sperrung der Gasversorgung angekündigt. Nebenksoten- und Stromabrechnungen sowie Kontoauszüge fügte er bei.
Zu geringer Wasserverbrauch für regelmäßige Nutzung
Das Jobcenter verweis darauf, dass er bei mehrfachen Besuchen des Außendienstes nicht anwesend gewesen sei. Auch sein geringer Strom- und Wasserverbrauch spreche dagegen, dass er am angegebenen Ort seinen Lebensmittelpunkt habe.
Eidesstattliche Erklärung hat besonderes Gewicht
Das Landessozialgericht teilte zwar die Auffassung, dass der sehr geringe Wasserverbrauch eine dauerhafte Nutzung der Wohnung zweifelhaft erscheinen lasse. Das Argument des Betroffenen, er gehe sparsam mit Wasser um, überzeugte die Richter nicht. Jedoch komme der eidesstattlichen Versicherung besonderes Gewicht zu.
Stiefvater und Freundin bezeugen die Richtigkeit der Angaben
Zudem würde die Lebenspartnerin bezeugen, dass sie die EC-Karte und das Auto für Einkäufe benutze. Stiefvater und Lebenspartnerin würden angeben, dass sie den Betroffenen jeweils zwei- bis dreimal pro Monat mehrere Tage in seiner Wohnung besuchten. Der Stiefvater bestätigte außerdem die schlechte gesundheitliche Lage und Hilfebedürftigkeit des Betroffenen.
Jobcenter muss zahlen – Eilbedürftigkeit ist geboten
Auch wenn bestimmte Aspekte im Hauptverfahren zu klären seien, sei das Jobcenter nach wie vor verpflichtet, Bürgergeld auszuzahlen. Weitergehend erklärte das Landessozialgericht: „Schließlich ist auch ein Anordnungsgrund sowohl hinsichtlich des Regelbedarfs als auch der Bedarfe für Unterkunft und Heizung hinreichend glaubhaft gemacht worden.
Ein solcher ist glaubhaft gemacht, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht, gegeben und eine einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten ist.“
Ein Anspruch auf die begehrten Leistungen sei zumindest wahrscheinlich, da der Betroffene im streitigen Zeitraum kein den Hilfebedarf deckendes Einkommen erzielte.