Eine Arbeitnehmerin war über Jahre hinweg lange krank. Ihr Arbeitgeber bot ihr ein betriebliches Eingliederungsmanagement an. Sie lehnte dies ab. Obwohl es kein Eingliederungsmanagement gab, kündigte der Arbeitgeber. Das Gericht erklärte die Kündigung dennoch für wirksam. (2 Sa 370/20)
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Hunderte von Fehltagen
Die Betroffene arbeitete mehr als 30 Jahre in der Produktion bei einer Firma. Seit 2010 fehlte sie oft und lange wegen Krankheit, und die Fehlzeiten nahmen über die Jahre hinweg zu. 2011 und 2019 arbeitete sie überhaupt nicht. Insgesamt kam sie auf hunderte von Fehltagen.
Wiedereingliederung scheitert
Der Arbeitgeber unternahm 2019 zwei Versuche zur Wiedereingliederung, in der die Betroffene mit reduzierten Stunden und angepassten Tätigkeiten in das Arbeitsleben zurückgeführt werden sollte. Diese brach die Betroffene beide ab.
Einladung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement
Im August 2019 lud der Arbeitgeber die Mitarbeiterin zu einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement ein. Dieses muss ein Arbeitgeber anbieten, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres entweder sechs Wochen durchgehend oder aber wiederholt arbeitsunfähig ist. Ziel ist es, den Arbeitsplatz zu erhalten und Lösungen zu finden, um die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden.
Betroffene lehnt ab wegen Arbeitsunfähigkeit
Die Mitarbeiterin lehnte die Wiedereingliederung ab. Sie begründete dies damit, dass sie auf absehbare Zeit arbeitsunfähig sei und bereits einen Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente gestellt hätte. Der Arbeitgeber kündigte ihr fristgerecht.
Mitarbeiterin reicht Kündigungsschutzklage ein
Die Mitarbeiterin erhob eine Kündigungsschutzklage, um die Wirksamkeit der Kündigung überprüfen zu lassen. Sie begründete dies damit, dass die Kündigung unverhältnismäßig sei. Die Abbrüche der Wiedereingliederung zeigten keine ausreichend negative Zukunftsprognose, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Eine dritte Wiedereingliederung sei dem Arbeitgeber zuzumuten gewesen.
Keine Einwilligungserklärung
Die Einladung zum Eingliederungsmanagement-Gespräch sei nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Der Arbeitgeber habe sie nämlich nicht besonders auf den Datenschutz und die erforderliche Einwilligungserklärung informiert. Eine Einwilligungserklärung habe sie nie erhalten. Wegen dieser fehlenden Hinweise auf den Datenschutz habe sie das Eingliederungsmanagement abgelehnt, so begründete sie ihr Verhalten im Berufungsverfahren.
Wie argumentiert der Arbeitgeber?
Der Arbeitgeber bezeichnete die Kündigung als rechtmäßig und verhältnismäßig. Er argumentierte damit, dass die Mitarbeiterin bereits zwei Wiedereingliederungsversuche abgebrochen hätte. Das Argument, dass im Einladungsschreiben Hinweise auf den Datenschutz gefehlt hätten, hätte die Mitarbeiterin erst im Berufungsverfahren vorgebracht. Er sei deshalb ungültig.
Zudem widerspreche der Vorwurf den eigenen Aussagen der Betroffenen in der ersten Instanz.
Dort hätte sie nämlich angegeben, dass sie dieses Informationsschreiben sehr wohl bekommen hätte. Sie hätte außerdem dem Arbeitgeber gesagt, der Grund für die Ablehnung sei eine bevorstehende Reha-Maßnahme und ihr die Ziele des Eingliederungsmanagements nicht bewusst seien. Die angeblich fehlenden Hinweise auf Datenschutz seien nicht der Grund ihrer Ablehnung gewesen.
Abgesehen davon hätte das Einladungsschreiben sowohl die Einwilligungserklärung zur Datenverarbeitung wie auch die notwendigen Datenschutzhinweise enthalten. Sie habe diese also sogar zweimal erhalten.
Nach zwei abgebrochenen Wiedereingliederungen und der Mitteilung, auf absehbare Zeit nicht arbeitsfähig zu sein, habe es keinen Verpflichtung zu einem weiteren Eingliederungsversuch gegeben. Die Kündigung sei also angemessen gewesen.
Scheitern in zwei Instanzen
Die Gekündigte scheiterte sowohl mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht wie auch mit ihrer Berufung vor dem Landesarbeitsgericht. Die Richter am Landesarbeitsgericht führten aus, warum die Kündigung wirksam und rechtmäßig sei.
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist unwahrscheinlich
Erstens sei die Betroffene seit Februar 2018 fast durchgehend arbeitsunfähig gewesen, hätte zwei Versuche der Wiedereingliederung abgebrochen und selbst erklärt, auf absehbare Zeit arbeitsunfähig zu sein. Dies spreche gegen die Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit in den nächsten 24 Monaten und somit für eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers.
Einladung zum Eingliederungsmanagement war ordnungsgemäß
Der Arbeitgeber hätte zudem ordnungsgemäß ein Betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten. Eine glaubhafte Zeugenaussage der Personalleiterin bestätige, dass alle notwendigen Unterlagen im Einladungsschreiben vorhanden gewesen seien. Indem die Betroffene das Eingliederungsmanagement abgelehnt hätte, sei dessen Nicht-Stattfinden kündigungsneutral.
Betriebliches Interesse überwiegt
Zwar zählten für die Mitarbeiterin ihre lange Betriebszugehörigkeit ebenso wie ihr schwerbehinderter Sohn. Doch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers, der wegen ihrer erheblichen Fehlzeiten nicht mit ihr für die Arbeit planen könne, überwiege in diesem Fall.