BSG: Jobcenter muss Einzelfallprüfung vornehmen
Wenn ein getrennt lebendes Elternteil regelmäßig Umgang mit seinen Kinder hat, kann im Einzelfall für Hartz IV Beziehende der Anspruch auf eine größere Wohnung entstehen. Dabei muss das Jobcenter verschiedene Kriterien beachten, wie die Richter des Bundessozialgerichts betonten.
Anspruch auf größere Wohnung im Einzelfall
Haben getrennt lebende Hartz-IV-Bezieher regelmäßig Umgang mit ihrem Kind, kann im Einzelfall ein Anspruch auf eine größere Wohnung bestehen. Ein höherer Wohnbedarf kann etwa von der Art des Umgangs, vom Alter des Kindes, von der Lebenssituation oder auch von den Wohnverhältnissen abhängen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 14 AS 43/18 R). Werde der Umgang mit einem vierjährigen Kind gepflegt, reiche jedoch regelmäßig eine 50 Quadratmeter große Wohnung für einen Alleinstehenden aus.
Geklagt hatte ein getrennt lebender Hartz-IV-Bezieher aus Duisburg. Der Vater lebte zunächst zusammen mit seiner Tochter in einer 70 Quadratmeter großen Wohnung. Das Kind zog aber ab November 2013 zu der 1,8 Kilometer entfernt lebenden Mutter, die ebenfalls im Hartz-IV-Bezug war.
Das Jobcenter Duisburg hielt die Wohnung nun für viel zu groß. Angemessen sei für einen Alleinstehenden eine bis zu 50 Quadratmeter große Wohnung. Statt der Bruttowarmmiete von monatlich 500 Euro wollte die Behörde nur noch 404 Euro zahlen.
Höhrer Wohnbedarf durch Umgangsrecht
Der Vater meinte, dass er wegen des verfassungsrechtlich geschützten Umgangs mit seiner Tochter einen höheren Wohnbedarf habe. Seine inzwischen vierjährige Tochter sei jedes zweite Wochenende sowie unregelmäßig in den Ferien und Feiertagen bei ihm. Sein Wohnflächenbedarf entspreche daher dem eines Zweipersonenhaushaltes. Im Streit war der Zeitraum von Juli bis Oktober 2015.
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen entschied am 6. September 2018, dass kein höherer Wohnbedarf besteht (Az.: L 7 AS 744/17; JurAgentur-Meldung vom 29. Oktober 2018). Gerade jüngere Kinder könnten problemlos im elterlichen Schlafzimmer schlafen und müssten auch tagsüber nicht ein eigenes Kinderzimmer als Rückzugsort haben. Außerdem habe die Tochter ihren Lebensmittelpunkt bei der Mutter. Der Unterkunftsbedarf der Tochter könne nur bei der Mutter und nicht ergänzend bei dem umgangsberechtigten Vater geltend gemacht werden.
Im konkreten Fall ist dem das BSG im Ergebnis gefolgt. Grundsätzlich könne aber wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts ein höherer Unterkunftsbedarf bestehen. Das Jobcenter dürfe dies nicht pauschal ablehnen, sondern müsse vielmehr den jeweiligen Einzelfall in den Blick nehmen. Hierfür stellten die obersten Sozialrichter erstmals Kriterien auf.
Höherer Wohnbedarf hängt von der Lebenssituation ab
So hänge ein höherer Wohnbedarf etwa von der Lebenssituation, dem Alter des Kindes, von den jeweiligen Wohnverhältnissen oder auch davon ab, ob ein neuer Partner mit weiteren Kindern in der Wohnung lebt. Auch wie der Umgang ausgeübt werde und ob die Eltern dabei kooperativ miteinander umgehen, könne bei der Prüfung des Wohnbedarfs eine Rolle spielen.
Im Streitfall habe das LSG aber zu Recht entschieden, dass der Umgang des Vaters mit seiner vierjährigen Tochter auch in einer 50 Quadratmeter großen Wohnung möglich sei.
Am 17. Februar 2016 hatte der 4. BSG-Senat entschieden, dass bei getrennt lebenden Eltern im Hartz-IV-Bezug nicht das Kind, sondern der zum Umgang verpflichtete Elternteil einen zusätzlichen Wohnbedarf geltend machen muss (Az.: B 4 AS 2/15 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).
Nach bisheriger Rechtsprechung kann zudem eine „Bedarfsgemeinschaft auf Zeit” bestehen, so dass der getrennt lebende Elternteil zumindest anteilige Leistungen etwa für Lebensmittel geltend machen kann (so BSG-Urteil Az.: B 14 AS 50/12 R). fle/mwo
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