Statt Hartz IV: Leichterer Zugang zum Arbeitslosengeld für Filmschaffende

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LSG Essen: Gesetzesauslegung muss Besonderheiten Rechnung tragen

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen hat Film- und Kunstschaffenden mit niedrigem oder mittlerem Einkommen den Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtert. Bei der Gesetzesauslegung müsse den Besonderheiten der Branche – hier Verlängerungsklauseln in den Arbeitsverträgen – Rechnung getragen werden, forderte das LSG in einem am 23. März 2020 bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 9 AL 6/18).

Filmschaffende können 12 Monate Beschäftigungszeit am Stück oft nicht vorweisen

Üblich hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer in den letzten zweieinhalb Jahren mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt war. In der Filmproduktion werden Arbeitsverträge aber oft nur für einige Wochen geschlossen. Arbeitnehmer können daher die reguläre sogenannte Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld kaum erfüllen.

Für solche Arbeitnehmer mit „kurzen Beschäftigungen” wurde daher 2012 ein weiterer Zugang zum Arbeitslosengeld geschaffen. Die Vorschrift war zur Erprobung befristet. Sie wurde seitdem mehrfach zugunsten der Betroffenen verändert und immer wieder verlängert, zuletzt nun bis Ende 2022.

Danach wird die Anwartschaftszeit auf 180 Kalendertage halbiert, wenn sich diese versicherungspflichtigen Arbeitstage überwiegend aus Beschäftigungsverhältnissen ergeben, die auf nicht mehr als 14 Wochen befristet waren. Zudem dürfen Betroffene nicht mehr als das Anderthalbfache des Arbeitnehmerdurchschnitts verdient haben.

Die Klägerin in dem nun vom LSG Essen entschiedenen Fall arbeitete als Kostümbild-Assistentin und Garderobiere für Filmgesellschaften. Im Streitjahr 2014 galt noch ein Bezugszeitraum von zwei Jahren, und die Verträge durften auf nicht mehr als zehn Wochen befristet sein. In diesem Bezugszeitraum hatte sie 190 Tage und damit mehr als die notwendigen 180 Tage versicherungspflichtig gearbeitet.

Die Arbeitsagentur lehnte die Bewilligung von Arbeitslosengeld dennoch ab. Denn ihre Arbeitsverträge seien nicht auf höchstens zehn Wochen befristet gewesen. So sollte bei einem Vertrag die Laufzeit zwar „voraussichtlich” zwei Monate umfassen, der Filmproduzent war aber berechtigt, die Vertragsdauer „aus produktionsbetrieblichen Gründen” zu verlängern. Tatsächlich lag die Arbeitsdauer dann auch über der damaligen Obergrenze von zehn Wochen.

Verträge nur auf Kurzzeit ausgelegt

Das LSG Essen sprach der Frau nun Arbeitslosengeld zu. Die beanstandeten Arbeitsverträge seien „auf eine lediglich kurze Beschäftigung” angelegt gewesen. Die Verlängerungsklauseln und tatsächliche Verlängerungen seien „szenetypisch” für die Filmwirtschaft. Aus wirtschaftlichen Gründen werde keine Filmgesellschaft Verträge länger als nötig abschließen. Dabei liege es aber in der Natur der Sache, dass Produktionen nicht immer den vorgesehenen, straffen Zeitplan einhielten. Genau dies bildeten die in der Filmbranche üblichen Verlängerungsklauseln ab.

Mit dem Arbeitslosengeld-Anspruch nach mehreren kurzen Beschäftigungen habe der Gesetzgeber aber „gerade Kunstschaffenden in ihrer besonderen Arbeitswelt” den Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtern wollen. Um dies zu erreichen, müsse dann aber auch „deren Besonderheiten Rechnung getragen werden, indem die Verträge Öffnungsklauseln der vorliegenden Art enthalten dürfen”.

Gegen dieses am 20. Februar 2020 verkündete Urteil ließ das LSG die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel zu. mwo/fle

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