Sozialhilfe: Unterkunftskosten bei Schwerbehinderung als Leistungen der Eingliederungshilfe zur sozialen Teilhabe – Urteil

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Unangemessene, behinderungsbedingte Kosten der Unterkunft sind als Eingliederungshilfe zur sozialen Teilhabe zu übernehmen.

Bedarfe für Kosten der Unterkunft können für behinderte Menschen auch zuschussweise durch Leistungen der Eingliederungshilfe (soziale Teilhabe) zu decken sein, soweit Kosten betroffen sind, die behinderungsbedingt über den abstrakt angemessenen Wohnkosten liegen ( BSG, Urt. v. 04.04.2019 – B 8 SO 12/17 R -).

Sowohl nach dem Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, als auch nach dem Recht der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel aus Teil 2 des SGB IX (Soziale Teilhabe) kann ein Leistungsberechtigter dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme von Kosten der Unterkunft (SGB XII) bzw. auf Leistungen für Wohnraum (SGB IX) haben.

Bei der Sozialhilfe als unangemessen hoch geltende Kosten der Unterkunft, die einen behinderungsbedingten Ursprung haben, können nach dem Recht der Eingliederungshilfe als Leistungen für Wohnraum zur Sozialen Teilhabe in Betracht kommen. So entschieden vom SG Dresden, Urt. v. 14.05.2024 – S 21 SO 162/22 –

Eingliederungshilfe ist nachrangig gegenüber dem SGB XII

Die Eingliederungshilfe ist dabei grundsätzlich als nachrangig gegenüber den Leistungen der Grundsicherung anzusehen.

Grundsicherungs- und die Eingliederungshilfeleistungen können auch grundsätzlich parallel zueinander bestehen, § 93 Abs. 1 SGB IX

Es kommt darauf an, dass die Leistungen auch tatsächlich erbracht werden und nicht, dass lediglich ein Anspruch auf andere Sozialleistungen besteht (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R – ).

Der auf den angemessenen Teil beschränkte Bedarf bei den Kosten der Unterkunft nach den §§ 42a, 35 SGB XII führt zu einem ungedeckten Bedarf an Kosten der Unterkunft, der dem Recht der Eingliederungshilfe in Form der Sozialen Teilhabe zuzuordnen ist

Denn die ungedeckten Kosten der Unterkunft stellen sich in diesem Fall als Leistungen für Wohnraum und damit als Leistungen der Sozialen Teilhabe dar, die sowohl geeignet als auch erforderlich sind, um die behinderte Klägerin zu einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum und Sozialraum zu befähigen.

Auch Leistungen für Wohnraum stellen Leistungen zur Sozialen Teilhabe dar, § 76 Abs. 2 SGB IX

Leistungen für Wohnraum werden nach § 77 Abs. 1 SGB IX erbracht, um Leistungsempfängern zu Wohnraum zu verhelfen, der zur Führung eines möglichst selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Lebens geeignet ist.

Leistungen für die Beschaffung, den Umbau, die Ausstattung und die Erhaltung von Wohnraum für Behinderte

Die Leistungen umfassen Leistungen für die Beschaffung, den Umbau, die Ausstattung und die Erhaltung von Wohnraum, der den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen entspricht.

Fazit:

Bedarfe für Kosten der Unterkunft können für behinderte Menschen auch zuschussweise durch Leistungen der Eingliederungshilfe (soziale Teilhabe) zu decken sein, soweit Kosten betroffen sind, die behinderungsbedingt über den abstrakt angemessenen Wohnkosten liegen ( BSG, Urt. v. 04.04.2019 – B 8 SO 12/17 R -).

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

Behinderungsbedingte Mehrbedarfe an Kosten der Unterkunft können, welche auf anderen behinderungsbedingten Gründen basieren, die von Existenzsicherungsleistungen nicht abgedeckt werden und einen Leistungsanspruch nach § 77 Abs. 1 SGB IX begründen.

§ 1 SGB IX wurde dahingehend erweitert, dass nunmehr nicht nur eine gleichberechtigte Teilhabe, sondern eine „volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe“ sicherzustellen ist.

Aufgrund dessen dürfen die Behörden sich nicht nur auf die Übernahme der Umzugskosten für die behinderten Leistungsempfänger beschränken, sondern auch die – ungedeckten Kosten der Unterkunft sind als Leistungen der Eingliederungshilfe zu übernehmen