Sozialhilfe: Schwerkranker darf nicht ins Hotel

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Sozialhilfe: Schwerst Erkrankter muss in Sammelunterkunft trotz รคrztlicher Bescheinigung wegen Infektionsgefahr

Der Sozialhilfetrรคger ist nicht verpflichtet, einem schwerkranken Antragsteller ein unangemessen teures Hotelzimmer zu bezahlen, wenn vor dem Umzug keine Zusicherung eingeholt wurde.

Durch die Bereitstellung eines abschlieรŸbaren Zweibettzimmers in einem Wohnheim kann der Bedarf des Antragstellers an einer angemessenen Unterkunft gedeckt werden. So entschieden vom LSG BW, vom 05.08.2024 – L 2 SO 1978/24 ER-B -.

Nach ยง 35a Abs. 2 Satz 1 SGB XII haben Leistungsberechtigte vor Abschluss eines Vertrages รผber eine neue Unterkunft den รถrtlich zustรคndigen Trรคger der Sozialhilfe รผber die nach ยง 35 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB XII maรŸgeblichen Umstรคnde zu unterrichten.

Sind die Aufwendungen fรผr Unterkunft und Heizung fรผr die neue Unterkunft unangemessen hoch, sind sie nur bis zur Hรถhe der angemessenen Aufwendungen als Bedarf anzuerkennen, es sei denn, der zustรคndige Trรคger der Sozialhilfe hat den darรผber hinausgehenden Aufwendungen vorher zugestimmt (Satz 2).

Die Zustimmung ist nach ยง 35a Abs. 2 Satz 3 SGB XII zu erteilen, wenn der Umzug durch den Trรคger der Sozialhilfe veranlasst oder aus anderen Grรผnden notwendig ist und ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

ร„rzte raten von der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft ab – Infektionsgefahr

Nach den vorliegenden รคrztlichen Attesten wird aufgrund der multiplen Erkrankungen des Beschwerdefรผhrers von einer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft wegen erhรถhter Infektionsgefahr abgeraten.

Trotz der รคrztlichen Empfehlung hรคlt das Gericht die Gemeinschaftsunterkunft fรผr zumutbar.

Allerdings verfรผge das Heim รผber einen angeschlossenen Sozialdienst, abschlieรŸbare Zimmer und eine (von der zustรคndigen Abteilungsleitung รผberprรผfte) frische und hygienische Ausstattung.

รœber den Sozialdienst kรถnnte dann auch geprรผft werden, ob ggf. eine stationรคre Unterbringung erforderlich ist.

Es sei auch nicht ersichtlich, ob den attestierenden ร„rzten bekannt gewesen sei, dass die Unterbringung des Beschwerdefรผhrers in einem abschlieรŸbaren Zweibettzimmer, das nur vom Beschwerdefรผhrer und seiner Mutter genutzt werden kรถnne, erfolgen solle.

Nach Auffassung des Gerichts kann Infektionen durch Tragen eines Mundschutzes begegnet werden

Im รœbrigen dรผrfte der Infektionsgefahr durch die รผblichen SchutzmaรŸnahmen wie Mundschutz, Hรคndewaschen und Verwendung von Desinfektionsmitteln ausreichend begegnet werden kรถnnen.

Bei seinen Anfรคllen benรถtigt der Antragsteller einen Rรผckzugsort

Auch der Einwand des Antragstellers, dass er ein ruhiges Umfeld mit der Mรถglichkeit benรถtige, sich bei den Anfรคllen 24 Stunden in einem dunklen Raum ohne Reize zurรผckziehen zu kรถnnen, ist nicht geeignet, die Eilbedรผrftigkeit seines Antrages zu begrรผnden.

Denn zum einen lรคsst sich das vom Sozialhilfetrรคger angebotene Zimmer verdunkeln und wรผrde auch lediglich durch den Antragsteller selbst und seine Mutter genutzt werden.

Darรผber hinaus aber dรผrften etwaige Lรคrmbelรคstigungen durch Mitbewohner auf den Fluren oder in den angrenzenden Zimmern ebenso in einem Hotel oder auch in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus auftreten kรถnnen, eine vollstรคndige Freiheit von Lรคrm lรคsst sich in keiner dieser Unterkรผnfte erzielen, so ausfรผhrlich das Gericht

Das Gericht merkt zum Schluss an, dass ein deutsches Pflegegutachten nicht vor liege.

Ein seitens der Betreuungsbehรถrde sowie des Fachbereiches Eingliederungshilfe angekรผndigter Hausbesuch scheiterte letztlich daran, dass weder der Antragsteller noch seine Vertreterin Zutritt zu der aktuell genutzten Unterkunft gewรคhrten, sodass nach wie vor der tatsรคchliche Pflege- und Unterkunftsbedarf des Antragstellers nicht ermittelt und eine entsprechende dauerhafte und geeignete Unterbringung veranlasst werden kann.

Anmerkung Detlef Brock

Diese Entscheidung hinterlรคsst bei mir einen bitteren Beigeschmack, denn hier hรคtte der Sozialhilfetrรคger anders entscheiden kรถnnen, wenn er nur gewollt hรคtte.

Wenn der Antragsteller รคrztliche Atteste hat, die eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft wegen Infektionsgefahr verbieten, dann frage ich mich, sind die Richter jetzt auch ร„rzte? Definitiv nein – wo bleibt da die Menschlichkeit?

Ich persรถnlich halte diese Entscheidung fรผr menschlich falsch, man hรคtte 2-3 Monate die Hotelkosten รผbernehmen kรถnnen mit der Auflage, dass ein Pflegedienst den Antragsteller begutachtet.

Praktischer Rat: Es geht auch anders

Das Sozialgericht Leipzig hat das Jobcenter Leipzig durch Beschluss (Az.: S 9 AS 1774/23 ER) dazu verurteilt, einem wohnungslosen Ehepaar die Kosten fรผr eine Hotelunterbringung zu erstatten.

Das Gericht entschied damit, dass nicht von vornherein auf eine Obdachlosenunterkunft oder eine Gemeinschaftsunterkunft verwiesen werden muss. Auch hรถhere Unterbringungskosten als die Mietobergrenze seien in einem solchen Fall zu รผbernehmen.