Ein Umzug ist für eine Sozialhilfe-Bezieherin unzumutbar aufgrund der neurotischen Fixierung der Hilfebedürftigen auf ihren Hund. Das Gericht hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragstellerin auch nach Ablauf der 6-Monats-Frist ein Umzug nicht möglich war mit der Folge, dass die tatsächlichen Aufwendungen der Kosten der Unterkunft zu erstatten sind.
Denn dies belegen die ärztlichen Feststellungen der erfahrenen Gerichtsachverständigen, die davon auszugehen, dass die Ast aus medizinischen Gründen nicht in ein anderes Wohnviertel ziehen sollte.
Warum war der Umzug unzumutbar
Aufgrund ihrer neurotischen Fixierung auf ihren Hund wäre auch mit der Entwicklung von Krankheitssymptomen auf psychischem Gebiet zu rechnen, wenn die Ast ohne ihren Hund leben müsste.
Hundehaltung liegt allein im Verantwortungsbereich der Leistungsempfängerin – so die Sozialbehörde
Außerdem werden im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen Kosten für Tierhaltung nicht übernommen – so auch die Sozialbehörde.
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Dem ist das Gericht aber nicht gefolgt und urteilte
Hier ginge es nicht um die Übernahme der Kosten der Hundehaltung.
Durch die neurotische Fixierung der Antragstellerin auf ihren Hund kann nach ärztlicher Feststellung der Ast der Bezug einer Wohnung ohne ihren Hund nicht zugemutet werden, so der Hin weis des Gerichts.
Damit ist der Leistungsempfängerin der Umzug in eine Wohnung, in der Hundehaltung nicht erlaubt ist, unzumutbar.
Davon zu trennen ist der Umstand, dass die Ast die Kosten der Hundehaltung aus den ihr gewährten Mitteln der Hilfe zum Lebensunterhalt zu bestreiten hat. So entschieden vom Bay LSG L 8 B 324/08 SO ER.
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
Bei Berufung auf gesundheitsbedingte Umzugshindernisse ist zur Glaubhaftmachung ein aussagekräftiges ärztliches Attest erforderlich (LSG BE-BB 20.11.2007 – L 14 B 1650/07 AS ER) und ggf. eine amtsärztliche Klärung zu ermöglichen (LSG NW 24.8.2005 – L 19 B 28/05 AS ER – FEVS 57, 320).
So kann es auf Grund einer Erkrankung erforderlich sein, die bisherige Wohnung beizubehalten, weil sie etwa mit Hilfsmitteln ausgestattet ist, die auf die spezielle gesundheitliche Situation des betreffenden Hilfebedürftigen zugeschnitten sind.
Andere gesundheitliche Einschränkungen, etwa der Geh- und Bewegungsfähigkeit, verbunden mit einem zu deren Ausgleich aufgebauten “Hilfssystem” im Umfeld können ebenfalls dazu führen, dass die Umzugsalternative nur im eng begrenzten sozialen Umfeld zu suchen ist.
So dass es für die Rechtmäßigkeit der Senkung der Leistung darauf ankäme, ob ein Umzug im sozialen Umfeld möglich ist, weil dort hinreichend anmietbarer Wohnraum zum Preis der Referenzmiete vorhanden ist ( BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R – Rz. 37 ).
Der Zugang zum Wohnungsmarkt gestaltet sich für Personen mit geistigen, psychischen oder seelischen Behinderungen grundsätzlich schwieriger. Vermieter können Vorbehalte gegenüber dieser Gruppe haben.
Erkennbare Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten können daher die Chancen auf angemessenen Wohnraum mindern.
Wenn diese Beeinträchtigungen zu einer erheblichen Einschränkung oder Verschlossenheit des Wohnungsmarkts führen, ist in der Regel eine individuelle Unterstützung durch den Leistungsträger notwendig, um eine Wohnung zu finden ( so BSG, Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 7/21 R – )
Aufgrund dieses Urteils hat zum Bsp. das SG Aurich Anerkenntnis v. 11.07.2023 – S 13 SO 26/21 – wie folgt entschieden
Das eine schwerstbehinderte Antragstellerin aufgrund ihrer psychischen und körperlichen Einschränkungen nicht auf eine andere Wohnung verwiesen werden kann, wenn z. Bsp. eine Wohnungssuche nur mit ihrem Assistenzhund möglich ist.
Denn dies würde nach Aussage des Gerichts dazu führen, dass die Chancen auf angemessenen Wohnraum derart verengt sind, das somit der Sozialhilfeträger eine preisgünstige Wohnalternative nachweisen müsste.
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.