Sozialhilfeempfänger haben während ihres Krankenhausaufenthaltes Anspruch auf ihre Regelleistung und keinen Anspruch auf den Barbetrag (§ 27b SGB 12), so aber die Sozialhilfeträger.
Krankenhäuser sind keine Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB XII
Der unter Betreuung stehende Pflegeheimbewohner hatte während seines Aufenthalts im Krankenhaus Anspruch auf seine Regelleistung in Höhe v. 563 € und nicht nur auf den Barbetrag, wie in stationären Einrichtungen (Bei Aufenthalt in der stationären Einrichtung besteht ein Anspruch auf einen Barbetrag von „mindestens“ 27% des Regelsatzes, das sind 152,01 € im Jahr 2024 (§ 27b Abs. 2 SGB XII).
Der unter Betreuung stehende Kläger stand im laufendem Bezug nach dem SGB XII. Er zog sich nach einem Sturz eine Kopfverletzung zu und musste im Krankenhaus behandelt werden.
Während des Krankenaufenthaltes stellten die Ärzte fest, dass der Kläger nicht mehr länger alleine in seiner Wohnung verbleiben könnte, ein Umzug in ein Pflegeheim erfolgte später.
Der Betreuer informierte den Sozialhilfeträger über den Aufenthalt im Krankenhaus sowie den Umzug ins Pflegeheim.
Darauf hin erging ein Aufhebungsbescheid und ein Rückforderungsbescheid für die Zeit des Krankenaufenthalts des Klägers mit der Begründung: Bei dem Aufenthalt im Krankenhaus hätte der Hilfebedürftige nur Anspruch auf den Barbetrag, nicht aber auf seine Regelleistung.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben, denn nach seiner Meinung
1. Handelt es bei dem Krankenhaus nicht um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 13 SGB XII.
2. Der Regelsatz sei ihm zu gewähren.
Die 38. Kammer des SG Lüneburg gab dem Kläger mit Urteil vom 28.02.2024 – S 38 SO 87/21 – recht.
Aufhebungsbescheid war rechtswidrig
Das Gericht nannte folgende Gründe, weshalb der Aufhebungs – und Rückforderungsbescheid rechtswidrig sei:
1. Der Kläger hielt sich während seiner Unterbringung im Krankenhaus auf der geschlossenen Abteilung nicht in einer stationären Einrichtung ( § 13 SGB XII ) auf.
2. Damit war sein Leistungsanspruch – nicht nach § 27b SGB XII zu bemessen ( was heißt, nur Anspruch auf Barbetrag ).
Stationäre Einrichtungen sind nur solche, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen.
Es handelt sich immer dann um eine stationäre Einrichtung, wenn der Träger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und Integration einer hilfebedürftigen Person übernimmt, wenn ihm also nach dem der Maßnahme zu deren Beginn zugrunde gelegten Therapiekonzept bis zu deren Abschluss ein bestimmender Einfluss auf die alltägliche Lebensführung zukommt (amtlicher Leitsatz des Urteils vom 3. September 2020 – B 14 AS 41/19 R – ).
Eine pauschale Einordnung eines Krankenhauses als stationäre Einrichtung verbiete sich, so die Richter.
Denn es kommt auf den Grund des Aufenthaltes und die Gesamtverantwortung des Trägers für die tägliche Lebensführung und Integration der hilfebedürftigen Person an ( anderer Auffassung BeckOK SozR/Groth, 71. Ed. 1.9.2023, SGB XII § 13 Rn. 14 ).
Tatsächliche Bedarfsdeckung im Krankenhaus wie Verpflegung
Somit wäre das Sozialamt berechtigt gewesen, den Regelsatz gemäß § 27a Abs. 4 SGB XII wegen Verpflegung im Krankenhaus abweichend festzusetzen, was es aber nicht tat.
Auch bei Auslegung von § 7 Abs. 4 SGB II ist auf den sozialhilferechtlichen Einrichtungsbegriff des Paragraphen 13 SGB XII zurückzugreifen (Urteil des BSG vom 3. September 2020 – B 14 AS 41/19 R – ).
Das Gericht gab zum Schluss bekannt, dass wohl möglich was Anderes gelten würde, wenn der Aufenthalt länger wie 6 Monate gedauert hätte. Somit waren der Aufhebungsbescheid und Rückforderungsbescheid rechtswidrig, das Sozialamt musste die Leistungen nach zahlen.
Hinweis auch zum SGB II (Bürgergeld):
BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 41/19 R –
Leistungsausschluss aufgrund stationärer Unterbringung nach § 7 Abs. 4 Abs. 1 SGB II, wenn sich der Hilfebedürftige in einer Adaptionsbehandlung befindet, welche regelmäßig den Abschluss in der dreistufigen Therapie von Suchterkrankungen bildet.
Um eine stationäre Einrichtung handelt es sich, wenn:
Eine Leistungen nach dem SGB II ausschließende Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und Integration einer hilfebedürftigen Person hat der Träger einer Einrichtung, wenn ihm nach dem der Maßnahme zu deren Beginn zugrunde gelegten Therapiekonzept bis zu deren Abschluss ein bestimmender Einfluss auf die alltägliche Lebensführung der hilfebedürftigen Person zukommt (Leitsatz BSG).
Was kann man Betroffenen raten? Wie können sie sich wehren?
1. Wenn Sie als Sozialhilfebezieher für weniger 6 Monate ins Krankenhaus müssen, müssen sie als dem Sozialamt im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht unverzüglich mitteilen, dass sie im Kranhaus sind.
2. In der Regel kommt darauf ein Aufhebungsbescheid und Rückforderungsbescheid, weil das Sozialamt sagt:
Im Krankenhaus haben sie keinen Anspruch auf ihren Regelsatz, sondern nur auf den Barbetrag ( Bei Aufenthalt in der stationären Einrichtung besteht ein Anspruch auf einen Barbetrag von „mindestens“ 27% des Regelsatzes, das sind 152,01 € im Jahr 2024 (§ 27b Abs. 2 SGB XII).
Widerspruch einlegen gegen den Aufhebungs – und Rückforderungsbescheid
3. Gegen diesen Aufhebungsbescheid und Rückforderungsbescheid muss Widerspruch eingelegt werden, denn dieser ist rechtswidrig, mit der Begründung, dass es sich bei einem Krankenhaus um keine – stationäre Einrichtung handelt.
Klage vor dem Sozialgericht, wenn dem Widerspruch nicht abgeholfen wird – Empfehlung zur Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts, weil schwierige Rechtsfrage
4. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, muss Klage erhoben werden.
Neue Festsetzung des Regelsatzes wegen Verpflegung im Krankenhaus
5. Befinden sie sich im Krankenhaus, darf das Sozialamt ihnen den Regelsatz gemäß § 27a Abs. 4 SGB XII abweichend festzusetzen wegen erhaltener Verpflegung im Krankenhaus, dass muss das Sozialamt der Höhe nach aber genau nachweisen.
Ob es sich bei einem Krankenhaus um eine stationäre Einrichtung handelt, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten!
6. Diese Rechtsprechung ist umstritten, trotzdem sollte man sich zur Wehr setzen!
Denn das BSG hatte mit Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 41/19 R – genau umrissen, wann es sich um eine stationäre Einrichtung handelt, das Gesagte des BSG gilt für Bürgergeldempfänger aber auch in der Sozialhilfe.
Wann liegt eine stationäre Einrichtung im SGB II/SGB XII vor?
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil des BSG vom 5. August 2021 – B 4 AS 58/20 R; Urteil des BSG vom 3. September 2020 – B 14 AS 41/19 R) handelt es sich in Ausführung dessen dann um eine stationäre Einrichtung, wenn der Träger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und Integration einer hilfebedürftigen Person übernimmt, wenn ihm also nach dem der Maßnahme zu deren Beginn zugrunde gelegten Therapiekonzept bis zu deren Abschluss ein bestimmender Einfluss auf die alltägliche Lebensführung zukommt (amtlicher Leitsatz des Urteils vom 3. September 2020 – B 14 AS 41/19 R ).
Dies liegt nach Ansicht des SG Lüneburg, Urteil vom 28.02.2024 – S 38 SO 87/21 – bei einem Krankenhaus gerade nicht vor, denn – Eine pauschale Einordnung eines Krankenhauses als stationäre Einrichtung verbiete sich.
Wichtiger Hinweis zur Anrechnung von Verpflegung im Krankenhaus für Bürgergeld-Empfänger
Das Bundessozialgericht hat bereits im Jahr 2008 (Az. B 14 AS 22/07 ER) entschieden, dass eine Anrechnung von Verpflegung im Krankenhaus rechtswidrig ist.
Das ist nunmehr auch ausdrücklich in § 1 Abs. 1 Nr. 11 Bürgergeld-Verordnung klargestellt worden.
Die Verpflegung in einem Krankenhaus kann also nicht als Einkommen oder Ersparnis auf das Bürgergeld angerechnet werden.
Hinweis vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock
Der Anwendungsbereich des § 27a Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 12 ist nur eröffnet, wenn die anderweitige Bedarfsdeckung ebenfalls durch Leistungen nach dem SGB 12 erfolgt (vgl BSG vom 23.3.2010 – B 8 SO 17/09 R -).
Beim einem Krankenhaus handelt es sich – nicht um eine stationäre Einrichtung – (dem zustimmend: SG Detmold, Urt. v. 27.02.2020 – S 11 SO 59/18; LSG NRW, Urt. v. 02.12.2021 – L 9 SO 8/21 – Rehaklinik keine stationäre Einrichtung; anderer Auffassung: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3.11.2011 – L 8 SO 30/10 B; Luthe in: Hauck/Noftz, SGB, 12/18, § 13 SGB XII, Rn. 53).
Schlusswort:
Ob sich diese Rechtsprechung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Die Begründung des SG Lüneburg ist gut, so dass Betroffene davon Gebrauch machen sollten, auch wenn sie sehr umstritten ist.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.