Im Streit um Leistungen der Eingliederungshilfe bei Schwerbehinderung entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Wรผrttemberg nun, dass ein Sozialhilfetrรคger keine Kostenerstattung in Hรถhe von rund 54.000 Euro verlangen darf.
Der klagende Sozialhilfetrรคger hatte die Kosten zunรคchst รผbernommen, obwohl er frรผhzeitig wusste, dass ein anderer Trรคger zustรคndig war. Da er seiner Pflicht zur rechtzeitigen Weiterleitung des Antrags nicht nachkam, muss er jetzt endgรผltig fรผr diese Leistungen aufkommen.
Hintergrund: Streit um Zustรคndigkeiten
Ein heute 35-jรคhriger Mann mit Schwerbehinderung, der unter mehreren kรถrperlichen und geistigen Einschrรคnkungen leidet, beantragte im Juli 2019 beim zustรคndigen Sozialhilfetrรคger Leistungen zur Eingliederungshilfe und Unterstรผtzung fรผr das ambulant betreute Wohnen.
Diese Hilfen sollten ihm den Wechsel in eine andere Werkstatt fรผr Menschen mit Behinderung und ein eigenstรคndiges Leben ermรถglichen. Zunรคchst lebte der Mann noch bei seinen Eltern und bezog keine Grundsicherungsleistungen.
Die zustรคndige Stelle stellte fest, dass die Leistungen sinnvoll seien, erkannte jedoch frรผhzeitig, dass eigentlich ein anderer Sozialhilfetrรคger รถrtlich zustรคndig wรคre.
Dennoch leitete sie den Antrag nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zweiwochenfrist weiter, sondern gewรคhrte eigenmรคchtig die beantragten Hilfen. Erst nachtrรคglich forderte sie die Kostenerstattung vom vermeintlich zustรคndigen Amt ein.
Streitfall: Warum erfolgte keine rechtzeitige Weiterleitung?
Die klagende Behรถrde argumentierte, dass zunรคchst Unklarheiten bestanden hรคtten. Man muss Akteneinsicht beim anderen Amt nehmen , um die Zustรคndigkeit eindeutig zu klรคren. Zusรคtzlich habe der Beklagte sogar zeitweise selbst seine Zustรคndigkeit bestรคtigt.
Das beklagte Amt widersprach: Die Zustรคndigkeit sei fรผr die klagende Behรถrde bereits frรผhzeitig klar gewesen. Eine rechtzeitige Weiterleitung des Antrags sei zwingend erforderlich gewesen.
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Gerichtsurteil: Versรคumnis des klagenden Sozialhilfetrรคgers
Das Sozialgericht Freiburg lehnte die Klage bereits im Jahr 2020 ab, woraufhin die klagende Behรถrde Berufung einlegte. Nun bestรคtigte das LSG Baden-Wรผrttemberg das Urteil. Die Richter entschieden klar, dass der Klรคger von Anfang an wusste, dass ein anderer Trรคger zustรคndig war. Dennoch wurde der Antrag eigenstรคndig bewilligt, ohne dass hierfรผr zwingende Grรผnde bestanden hรคtten.
Das Gericht stellte klar, dass der erstangegangene Trรคger verpflichtet ist, einen Antrag innerhalb von zwei Wochen an die zustรคndige Stelle weiterzuleiten. Versรคumt er dies, trรคgt er dauerhaft die Verantwortung fรผr sรคmtliche daraus resultierenden Kosten. Dieses Vorgehen soll verhindern, dass Streitigkeiten รผber Zustรคndigkeiten auf dem Rรผcken der Leistungsberechtigten ausgetragen werden.
Klare rechtliche Vorgaben zum Schutz Betroffener
Die Richter verwiesen auf ยง 14 Sozialgesetzbuch IX, wonach Antrรคge von Menschen mit Behinderung zรผgig bearbeitet werden mรผssen, um ihnen Rechtssicherheit und schnelle Unterstรผtzung zu garantieren. Der Klรคger hat seine Pflicht zur Weiterleitung trotz eindeutiger Rechtslage ignoriert.
Eine nachtrรคgliche Kostenerstattung sei daher ausgeschlossen, um die korrekte und schnelle Bearbeitung der Antrรคge nicht zu untergraben.
Auswirkungen des Urteils fรผr die Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass Sozialhilfetrรคger ihre internen Verfahren eindeutig regeln und einhalten mรผssen. Sie dรผrfen Antrรคge auf Eingliederungshilfe nicht eigenmรคchtig bewilligen, wenn die Zustรคndigkeit eines anderen Trรคgers offensichtlich ist.
Der aktuelle Fall zeigt, wie wichtig die Einhaltung von Fristen und klaren Zustรคndigkeiten ist, um unnรถtige finanzielle Belastungen der รถffentlichen Hand zu vermeiden.
Was bedeutet das Urteil fรผr Betroffene?
Fรผr Menschen mit Behinderung bringt das Urteil mehr Klarheit und Schutz. Sozialhilfetrรคger mรผssen zukรผnftig Antrรคge konsequent innerhalb der gesetzlichen Fristen bearbeiten.
Verzรถgerungen aufgrund interner Streitigkeiten zwischen รmtern dรผrfen nicht auf Kosten der Leistungsberechtigten gehen. Betroffene kรถnnen somit darauf vertrauen, dass notwendige Hilfen rechtzeitig und zuverlรคssig gewรคhrt werden.