Schwerbehinderung: Merkzeichen B nur bei Hilfe – neues Urteil klärt auf

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Ein aktueller Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Februar 2025 stellt klar: Das Merkzeichen B im Schwerbehindertenausweis darf nur dann vergeben werden, wenn eine behinderte Person regelmäßig auf fremde Hilfe beim Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist. Wer nur gelegentlich Unterstützung braucht, erfüllt die rechtlichen Voraussetzungen nicht. Für Betroffene bringt das Urteil konkrete Auswirkungen mit sich. (AZ:
L 2 SB 102/24)

Wann ist das Merkzeichen B überhaupt gerechtfertigt?

Das Merkzeichen B erlaubt schwerbehinderten Menschen die unentgeltliche Mitnahme einer Begleitperson im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Doch damit diese Unterstützung gewährt wird, müssen klare Kriterien erfüllt sein.

Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ist entscheidend, dass die betreffende Person regelmäßig Hilfe benötigt – etwa beim Ein- und Aussteigen oder bei der Orientierung im Verkehr. Ein bloß gelegentlicher oder situationsabhängiger Bedarf reicht nicht aus.

Der Fall: Cochlea-Implantate ersetzen nicht den Anspruch auf B

Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen jungen Kläger mit beidseitiger Schwerhörigkeit. Nach mehreren Infektionen war er bereits im Kleinkindalter nahezu vollständig ertaubt. Zwar wurde ihm im Rahmen eines früheren Vergleichs unter anderem das Merkzeichen B zugesprochen – später entzog die Behörde dieses jedoch.

Der Grund: Der inzwischen volljährige Kläger könne öffentliche Verkehrsmittel im Alltag weitgehend selbstständig nutzen.

Zwar wies er darauf hin, dass bei Ausfall eines seiner Cochlea-Implantate keine Durchsagen mehr verstanden werden könnten und er sich in fremder Umgebung unsicher fühle.

Dennoch bestätigte ein ärztliches Gutachten, dass er mit den Implantaten nahezu normal hören könne. Die Richter stellten daraufhin klar: Nur weil in seltenen Fällen Hilfe nötig sein könnte, ergibt sich kein Anspruch auf das Merkzeichen B.

Merkzeichen G war Grundlage – und wurde entzogen

Das Gericht betonte außerdem: Die ursprüngliche Zuerkennung des Merkzeichens B basierte auf dem gleichzeitig vorliegenden Merkzeichen G. Dieses wiederum war an die Annahme geknüpft, dass die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei.

Doch genau dieses Merkzeichen wurde dem Kläger zwischenzeitlich entzogen – und damit entfiel auch die Grundlage für das Merkzeichen B.

Das Landessozialgericht stellte unmissverständlich fest: Ist das Merkzeichen G nicht mehr anerkannt, kann auch das Merkzeichen B nicht bestehen bleiben – es sei denn, die betroffene Person erfüllt andere gleichwertige Voraussetzungen wie eine starke Seh- oder geistige Behinderung. Diese lagen im Fall des Klägers jedoch nicht vor.

Entscheidung gegen das subjektive Sicherheitsgefühl

Ein weiterer zentraler Punkt: Die Richter erteilten der Auffassung eine Absage, dass ein subjektives Sicherheitsbedürfnis oder die bloße Möglichkeit einer Begleitung ausreichen könnten. Der Wunsch, eine Begleitperson mitzunehmen, müsse auf einem tatsächlichen und regelmäßigen Bedarf basieren – nicht auf hypothetischen Situationen oder der vorsorglichen Absicherung für den Notfall.

Weder das Grundgesetz noch die UN-Behindertenrechtskonvention stehen dieser Auslegung entgegen. Die Regelungen verlangen zwar Gleichbehandlung, schreiben jedoch nicht vor, dass jeder gelegentliche Unterstützungswunsch mit dem Merkzeichen B abgesichert werden muss.

Für Betroffene: Was bedeutet das Urteil konkret?

Das Urteil hat Signalwirkung für alle, denen das Merkzeichen B entzogen wurde, oder die es neu beantragen möchten. Entscheidend ist:

  • Eine regelmäßige Hilfe beim Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel ist Voraussetzung.
  • Es genügt nicht, wenn die Unterstützung nur bei Ausnahmesituationen erforderlich ist.
  • Wer das Merkzeichen G verliert, verliert meist auch das Merkzeichen B – sofern keine weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Auch wenn Sie sich subjektiv unsicher fühlen, reicht das rechtlich nicht aus.
  • Nur wer objektiv nachweisen kann, dass er regelmäßig Hilfe benötigt, hat Aussicht auf Erfolg.

Rechtliche Grundlagen im Überblick

Kriterium Bedeutung für das Merkzeichen B
Regelmäßige Hilfebedürftigkeit Muss eindeutig nachgewiesen werden
Vorliegen von G, Gl oder H Voraussetzung für die Prüfung des Merkzeichens B
Subjektive Einschätzung Reicht rechtlich nicht aus
UN-Behindertenrechtskonvention Erfordert Gleichbehandlung, aber keinen bedingungslosen Anspruch
Entscheidung des LSG Bayern Nur wer regelmäßig Hilfe benötigt, hat Anspruch auf B

Merkzeichen B ist kein „Vorsorge-Werkzeug“

Das Merkzeichen B soll konkrete Nachteile ausgleichen – nicht abstrakte Unsicherheiten oder Einzelfälle. Die Entscheidung des LSG macht deutlich: Der Gesetzgeber darf die Gewährung des Merkzeichens an objektive und überprüfbare Kriterien knüpfen. Das schützt das System vor Missbrauch – auch wenn das im Einzelfall als hart empfunden werden kann.

Wer nur gelegentlich Begleitung benötigt, muss künftig genau begründen können, in welchen Situationen und wie häufig diese Hilfe tatsächlich erforderlich ist. Andernfalls ist der Anspruch auf das Merkzeichen B nicht durchsetzbar.