Schwerbehinderung: Krankenkasse verweigert Assistenzhund-Ausbildung und bekommt Recht

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Die gesetzliche Krankenversicherung muss keine Ausbildung eines Haushundes als Assistenzhund fรผr eine Autistin รผbernehmen. Da die Betroffene ihre Alltagsgeschรคfte auch allein erledigen kรถnne, bestehe keine Leistungspflicht der Krankenkasse. Die Aufgabe des Hunden als Gefรคhrten reiche dazu nicht aus. (L 16 KR 131/23).

Der Hund erleichtert die soziale Kommunikation

Die Klรคgerin ist von Autismus betroffen. Sie arbeitete in Teilzeit als Angestellte und bezog zudem eine Erwerbsminderungsrente. Ihre Diagnosen umfassen eine Autismusspektrumstรถrung, eine depressive Stรถrung und eine Angststรถrung. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50.

Ihre Therapeutin empfahl ihr 2016, sich einen Hund zu halten. Dieser sollte ihr helfen, die Wohnung zu verlassen, unter Menschen zu kommen und soziale Kontakte zu pflegen. Soziale Kommunikation fรคllt der Betroffenen wegen ihres Autismus schwer.

Antrag auf Ausbildung zum Autismus-Assistenzhund

Die Frau schaffte sich einen Hund an. 2018 beantragte sie bei ihrer Krankenversicherung die Kostenรผbernahme, um das Tier als Autismus-Assistenzhund auszubilden.

Sie begrรผndete den Antrag damit, dass der Hund ihr emotionalen Rรผckhalt und Schutz bei sozialen Kontakten biete. Selbst die regelmรครŸigen Spaziergรคnge oder die Begegnung mit anderen Hundehaltern wรผrden ihre Gesundheit fรถrdern.

Sie stรผtzte diese Erklรคrung mit einer Bescheinigung ihrer Psychologischen Psychotherapeutin, wonach sie soziale Kontakte vermeide und dadurch unter einem erheblichen Stress und Leidensdruck stehe. Durch den Hund sei sie verpflichtet am sozialen Leben teilzunehmen, durch die Hundeschule und den Kontakt mit anderen Hunden und Hundebesitzern. Die Anschaffung eines Hundes sei insofern ausgesprochen sinnvoll.

Ein zweites Gutachten eines Diplom-Psychologen kam zum gleichen Ergebnis. Dieser hatte die Diagnosen Panikstรถrung, sozialphobische Symptome mit Rรผckzugs- und Vermeidungsverhalten sowie Depression gestellt.

Zusรคtzlich zur Psychotherapie empfahl er die Haltung eines Hundes, um Stress zu reduzieren, und die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen zu verbessern. Der Hund helfe auch, das Vermeidungsverhalten abzuschwรคchen.

Krankenkasse sieht keine Notwendigkeit

Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab, weil sie ihn als unberechtigt ansah. Denn es bestehe keine Notwendigkeit, den Hund speziell auszubilden. Sie kรถnnte Alltagsgeschรคfte auch ohne das Tier bewรคltigen. Dafรผr verwies die Krankenkasse auf ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK).

Dieses diagnostizierte Asberger-Syndrom, und eine rezidivierende depressive Stรถrung mit einer gegenwรคrtig mittelgradigen Episode. Das Ergebnis des Gutachtens lautete, dass das beantragte Hilfsmittel (das ausgebildete Assistenzhund) medizinisch nicht erforderlich sei.

Assistenzhund kann Erwerbsfรคhigkeit wieder herstellen

Die Betroffene legte hingegen eine Bescheinigung einer Klinik vor, die ausfรผhrte, dass es dringend erforderlich sei, dass sie kontinuierlich von dem fรผr sie speziell ausgebildeten Assistenzhund begleitet werde.

Auch eine Stellungnahme einer Betriebsรคrztin empfahl dem Arbeitgeber, der Begleitung durch einen auszubildenden Assistenzhund zuzustimmen. Denn damit bestehe die Chance, dass die Betroffene ihre Erwerbsfรคhigkeit teilweise wiedererlange.

Die Krankenkasse holte weitere Stellungnahmen des MDK ein. Laut diesen bestehe kein Anspruch fรผr die Ausbildung des Hundes. Ein Autismus-Assistenzhund sei kein Hilfsmittel im Sinne des Sozialgesetzbuches V. Er sei auรŸerdem medizinisch nicht erforderlich.

Assistenzhund ist Hilfsmittel, aber in diesem Fall nicht notwendig

Die Betroffene akzeptierte die Ablehnung nicht, und es ging vor das Sozialgericht Oldenburg. Dieses kam zwar im Unterschied zur Krankenkasse zu dem Ergebnis, dass ein ausgebildeter Assistenzhund sehr wohl ein Hilfsmittel im Sinne des Sozialgesetzbuches V sei.

In diesem Fall sei ein Assistenzhund aber nicht erforderlich. Ein positiver Einfluss des Hundes reiche nicht aus. Denn der Hund diene in diesem Fall nicht dazu, Grundbedรผrfnisse wie Sehen, Hรถren oder Gehen zu befriedigen, oder dazu, im Nahbereich liegende Stellen zu erreichen.

Weiter hieรŸ es in der Ablehnung der Klage: “Die Ausbildung des Hundes der Klรคgerin zum Autismus-Assistenzhund diene auch nicht dem Versorgungsziel der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung. Dies sei nur der Fall, soweit der ausgebildete Hund spezifisch im Rahmen der รคrztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden wรผrde, um zu deren Erfolg beizutragen.”

Betroffene sieht Unverstรคndnis ihrer Erkrankung

In der Klage erklรคrte die Frau, die Krankenkasse wรผrde ihre Erkrankung nicht richtig verstehen. Die Autismusstรถrung schrรคnke vorrangig kรถrperlich ihre Wahrnehmunghsfunktionen ein, und dies ergebe sich aus der Anomalie im Gehirn. Es handle sich um eine neuronale Stรถrung.

Hund hilft, Isolation zu รผberwinden

Sie fรผhle sich isoliert und traue sich allein oft nicht aus der Wohnung. Der Hund helfe ihr, diese Isolation zu รผberwinden. Eine zertifizierte Ausbildung sei nรถtig, damit sie den Hund รผberall hin mitnehmen kรถnne. Ohne diese Ausbildung sei es nicht mรถglich, dass der Hund sie in Supermรคrkte, Arztpraxen oder ihren Arbeitsplatz begleite.

Gericht sieht keine Notwendigkeit fรผr eine Ausbildung

Das Landessozialgericht erkannte im Berufungsverfahren zwar an, dass der Hund fรผr die Betroffene als Sozialgefรคhrte nรผtzlich und sinnvoll sei. Doch eine spezielle Ausbildung sei nicht notwendig. Denn auch ohne Ausbildung kรถnne ein Hund ihr helfen, das Haus zu verlassen, mit Menschen zu kommunizieren und ihr Sicherheit vermitteln.

Assistenzhund wird nur fรผr allgemeine Grundbedรผrfnisse finanziert

So wรผrde weder der Erfolg der Krankenbehandlung gesichert noch ein unmittelbarer Behinderungsausgleich gewรคhrleistet. Bei einem nur mittelbaren Behinderungsausgleich mรผssten die Krankenkassen nur einen Basisausgleich liefern. Das seien Hilfsmittel fรผr die allgemeinen Grundbedรผrfnisse des tรคglichen Lebens. Der Einfluss eines Assistenzhundes gehรถre nicht dazu.

Krankenkasse bietet keine Optimalversorgung

Die Betroffene wรผrde den Umfang verkennen, in dem die gesetzliche Krankenklasse verpflichtet sei, Leistungen zu erbringen. Diese dienten nicht dazu, sรคmtliche Folgen einer Behinderung in allen Lebensbereichen auszugleichen.

Das Hilfsmittelrecht kenne keinen Anspruch auf eine Optimalversorgung. Die Krankenkassen seien auch nicht fรผr Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft oder zur Teilhabe am Arbeitsleben zustรคndig. Es beste also keine rechtliche Erfordernis, eine entsprechende Ausbildung zu finanzieren.