Schwerbehinderung: Kein Vorstellungsgespräch ohne Mindestnote

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Menschen mit Schwerbehinderung müssen bei einer Stellenbewerbung zum Vorstellungsgespräch geladen werden. Damit soll verhindert werden, dass die Betroffenen wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert werden.

Ohne Vorstellungsgespräch gibt es Entschädigung

Unterlässt es ein Arbeitgeber, Bewerber mit Schwerbehinderungen zu dem Vorstellungsgespräch zu laden, haben diese nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einen Anspruch auf Entschädigung.

Sie können darauf verweisen, dass Sie aufgrund ihrer Schwerbehinderteneigenschaft benachteiligt wurden.

“Kein Vorstellungsgespräch ohne Mindestnote”

Das gilt aber nicht immer, wie ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt: Demnach ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, einen Stellenbewerber mit Schwerbehinderung zum Vorstellungsgespräch zu laden, wenn dieser die im Stellenprofil geforderte Mindestnote nicht erreicht. (8 AZR 279/20)

Worum ging es konkret?

Die Behörde hatte mehrere Stellen beim Bundesamt für Verfassungsschutz ausgeschrieben und als Voraussetzungen angegeben: „Sie verfügen über ein wissenschaftliches Hochschulstudium (…) der Politik-, Geschichts- oder Verwaltungswissenschaften (…) mit mindestens der Note ‚gut‘.”

Befriedigend statt gut

Der Bewerber hatte ein Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Deutsche Philologie absolviert und lediglich mit “befriedigend” abgeschlossen.

Er hatte sich innerhalb der Bewerbungsfrist beworben und dabei seine Schwerbehinderung angegeben.

“Nicht in die engere Auswahl einbezogen”

Er wurde nicht zum Vorstellungsgespräch geladen. Stattdessen bekam er per E-Mail mitgeteilt, dass er nicht in die engere Auswahl gekommen sei.

“Formale Kriterien nicht erfüllt”

Der Betroffene wollte außergerichtlich eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend machen.

Das lehnte die Behörde ab und erklärte, er entspreche nicht den formalen Kriterien der Stellenausschreibung, da er sein Stuidum mit der Note “befriedigend” abgeschlossen habe.

Deshalb hätte er laut Paragraf 165 Absatz 4 SGB IX nicht zum Vorstellungsgespräch geladen werden müssen.

Es geht vor Gericht

Der Bewerber klagte deshalb und argumentierte, er sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden, da er nicht zum Vorstellungsgespräch geladen worden sei.

Sein Standpunkt war: Die zugelassene Ausnahme von der Einladungspflicht sei eng auszulegen. Die Abschlussnote eines Studiums könne keinen solchen Ausschluss rechtfertigen.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, doch eine Revision vor dem Bundesgericht war teilweise erfolgreich.

Bundesarbeitsgericht sieht Ausschlusskriterium

Das Bundesarbeitsgericht teilte die Ansicht, dass der Arbeitgeber berechtigt gewesen sei, die Mindestnote “gut” als zwingendes Kriterium zu setzen. Offensichtlich fehlte dem Bewerber demzufolge die fachliche Eignung für die Stelle, so das Gericht.

Zurückverweisung wegen fehlender Prüfung

Allerdings bemängelte das Bundesarbeitsgericht, dass die vorherige Instanz nicht sauber gearbeitet hätte. So hätte das Landesarbeitsgericht nicht geprüft, ob der Arbeitgeber auch niemand anders eingeladen hätte, der nicht die Mindestnote “gut” vorweisen konnte.

Die Beweislast liege beim Arbeitgeber. Dieser müsse darlegen, ob die Auswahl der zum Vorstellungsgespräch Geladenen konsequent erfolgt sei.

Obwohl das Bundesarbeitsgericht die Kriterien selbst nicht in Frage stellte. verwies es das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Wenn nämlich der Arbeitgeber andere Bewerber, die ebenfalls nur die Note “befriedigend” erreichten, zum Vorstellungsgespräch geladen hätte, dann handelte es sich tatsächlich um eine Benachteiligung. Der Arbeitgeber müsste dann eine Entschädigung zahlen.

Was bedeutet das Urteil für Bewerber mit Schwerbehinderung?

Dieses Urteil zeigt, dass Arbeitgeber bei Bewerbungen von Menschen mit Schwerbehinderungen die vorgeschriebenen Schritte einhalten müssen.

Das Bundesarbeitsgericht hat hier sogar noch einmal geklärt, dass der Arbeitgeber selbst den Verdacht ausräumen muss, dass eine Benachteiligung vorliegt.

Formale Kriterien in der Stellenausschreibung reichen dafür nicht aus, sondern der Stellenausschreiber muss diese auch tatsächlich einhalten.