Schwerbehinderung: Gericht weist Klage ab – Trotz eindeutiger Benachteiligung

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Wenn ein Arbeitgeber eine Einstellungszusage aus gesundheitlichen Grรผnden zurรผckzieht, dann handelt es sich nicht um eine Benachteiligung wegen Schwerbehinderung. So entschied das Arbeitsgericht Siegburg und lehnte die Klage eines Bewerbers mit Diabetes ab. (3 Ca 1654/23)

Bewerber mit Schwerbehinderung fordert Entschรคdigung

Der Betroffene hatte eine Entschรคdigung nach Paragraf 15 Abs. 2 AGG gefordert. Diese steht Menschen mit Schwerbehinderung zu, wenn sie wegen ihrer Schwerbehinderung wรคhrend der Bewerbung benachteiligt werden. Es liegt in diesen Fรคllen nicht an den Betroffenen, sondern an den Stellenanbietern, den Verdacht auszurรคumen, dass eine Benachteiligung vorliegt.

Diabetes mellitus und Grad der Behinderung von 50

Der Betroffene leidet an Diabetes mellitus Typ 1 und wegen dieser Einschrรคnkung hat er einen anerkannten Grad der Behinderung von 50. Mit diesem gilt er als schwerbehindert und kann die rechtlichen Nachteilsausgleiche fรผr Menschen mit Schwerbehinderung einfordern. Zu diesen gehรถren Sonderbedingungen bei Stellenbewerbungen.

In Bewerbung auf Behinderung hingewiesen

Er bewarb sich auf eine Ausbildungsstelle als StraรŸenwรคrter und wies dabei ausdrรผcklich auf seine Schwerbehinderung hin. Er erhielt eine Zusage zur Einstellung mit dem Vorbehalt einer รคrztlichen Untersuchung und eines einwandfreien polizeilichen Fรผhrungszeugnisses.

Prรผfung Betriebsarzt: Gesundheitsrisiko zu hoch

Die Untersuchung fรผhrte der Betriebsarzt des Stellenanbieters durch und urteilte, dass der Betroffene nicht fรผr die Stelle geeignet sei. Seine Blutzuckerwerte seien instabil und zu hoch, und dies stelle ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Der Arbeitgeber nahm daraufhin die vorherige Zusage zurรผck.

Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung?

Der Betroffene ging davon aus, dass er wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert wurde, und deshalb forderte er eine Entschรคdigung. Die Bewertung des Betriebsarztes sei falsch, er sei fรผr die Stelle geeignet und der Grund fรผr die Ablehnung liege in seiner Schwerbehinderung.

Medizinischer Befund und Schwerbehinderung?

Das Gericht erklรคrte die Klage fรผr unbegrรผndet, ohne darauf einzugehen, ob der Betroffene fรผr die Stelle geeignet sei oder nicht. Vielmehr erklรคrten die Richter, dass die Einschรคtzung des Betriebsarztes auf medizinischen Befunden basiere und nichts mit der Schwerbehinderung zu tun habe. Deshalb fehle eine Kausalitรคt zwischen Merkmal und Benachteiligung.

Anwalt hรคlt Urteil fรผr widersinnig

Dr.Sebastian Frahm, Fachanwalt fรผr Arbeitsrecht, hรคlt die Begrรผndung des Gerichts fรผr widersinnig: โ€žDie Entscheidung beruht darauf, dass der Arbeitgeber lediglich an die Gesundheit und nicht an die Behinderung angeknรผpft habe. Dabei fallen chronische Krankheiten auch unter den Begriff der Behinderung. Wird also die Rรผcknahme der Zusage mit der Gesundheit begrรผndet, ist das gleichbedeutend mit einer Rรผcknahme wegen einer Behinderung, weil hier die Behinderung in Form der Krankheit besteht.โ€œ

Laut Frahm darf ein Arbeitgeber nicht auf eine Einschรคtzung Dritter (hier des Arztes) verweisen, wenn Erkrankung und Behinderung wie in diesem Fall untrennbar verbunden sind: โ€žEine Schlechterbehandlung wegen der schlechten Gesundheit des Bewerbers ist auch eine Schlechterbehandlung wegen der an die Gesundheit anknรผpfende Behinderung, auch wenn sie zu ihrem Schutz erfolgt.โ€œ

Behinderung und medizinischer Befund deckungsgleich

Tatsรคchlich ist eine Behinderung rechtlich nicht identisch mit der Erkrankung selbst, sondern bezeichnet, in welchem AusmaรŸ ein Mensch durch eine (kรถrperliche, geistige oder psychische) Einschrรคnkung an der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sowie im Beruf behindert wird.

Den Betroffenen stehen bei einer Schwerbehinderung rechtlich Nachteilsausgleiche zu. In diesem konkreten Fall entstand die Behinderung aber direkt durch die Diabetes, und die medizinischen Befunde der Einschrรคnkung lassen sich von der anerkannten Schwerbehinderung nicht trennen, sondern sind deckungsgleich.