Schulgeld für eine private Berufsfachschule kann dann vom Einkommen abgesetzt werden

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Mit wegweisendem Urteil gibt das Landessozialgericht Hamburg ( Az. L 4 AS 223/23 D – Revision anhängig beim BSG Az. B 4 AS 8/25 R ) folgendes bekannt: Die Absetzung von Schulgeld ist als mit der Einkommenserzielung verbundene notwendige Ausgabe zu werten.

Der 4. Senat des LSG Hamburg vertritt die Auffassung, dass im Einzelfall Schulgeld für eine private Berufsfachschule beziehungsweise Studiengebühren für eine private Hochschule als notwendige Ausgaben im Sinne von § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II zu betrachten und diese deshalb von den als Einkommen anzurechnenden Leistungen der Ausbildungsförderung abzusetzen sein können.

Diese Betrachtungsweise ist nach Ansicht der Richter aber an eine Voraussetzung geknüpft

Voraussetzung dabei ist allerdings, dass konkret keine vernünftige kostenfreie Alternative zur gewählten Ausbildung zur Verfügung steht.

Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn eine kostenfreie Ausbildung aus Gründen, die in der persönlichen Lebenssituation der bzw. des Betroffenen wurzeln, nicht zumutbar möglich ist, beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen oder Alleinerziehung von Kindern ( Vgl. dazu LSG Hamburg, Beschluss vom 18.6.2019 – L 4 AS 155/19 B ER D – ).

Derlei Umstände, welche die Klägerin im vorliegenden Fall an einer betrieblichen Ausbildung gehindert haben könnten, sind hier in diesem Einzelfall für das Gericht aber nicht ersichtlich

Denn die Klägerin konnte deshalb auf die duale Ausbildung verwiesen werden, so dass es sich beim Schulgeld nicht um von den BAföG-Leistungen abzusetzende notwendige Ausgaben gehandelt hat.

Klägerin konnte auch nicht den Nachweis erbringen, dass sie keinen betrieblichen Ausbildungsplatz erlangen konnte

Die Klägerin hat auch nicht den Nachweis führen können, dass sie keinen betrieblichen Ausbildungsplatz erlangen konnte, sondern vielmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht selbst dargelegt, einen betrieblichen Ausbildungsplatz gesucht und auch eine mündliche Zusage erhalten zu haben.

Es kann nach Ansicht des Gerichts deshalb offenbleiben, ob es nicht ohnehin genügt, dass jedenfalls grundsätzlich die Möglichkeit der betrieblichen (dualen) Ausbildung zur Kosmetikerin besteht.

Verweisung auf eine duale Ausbildung war der Antragstellerin zumutbar – Berufsfreiheit Art.12 Abs. 1 Grundgesetz

Das Gericht betont, dass nicht der Auffassung der Antragstellerin zu folgen ist, wonach die schulische Ausbildung von höherer Qualität sei oder bestimmte Inhalte nur oder aber jedenfalls besser im Rahmen der rein schulischen Ausbildung erlernt werden könnten.

Denn auch vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit (Art.12 Abs. 1 Grundgesetz) ist die Frage der vernünftigen kostenfreien Alternative nur anhand des angestrebten Berufsabschlusses zu beantworten. Ausschlaggebend ist, dass der Beruf der Kosmetikerin bzw. des Kosmetikers sowohl in dreijähriger dualer Ausbildung als auch rein schulisch (meist in zwei Jahren) erlernt werden kann.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten von Tacheles e. V.

Die Zahlung von Schulgeld kann im – Einzelfall – eine notwendige mit der Einkommenserzielung verbundene Ausgabe sein, wenn keine konkrete kostenfreie Alternative zur gewählten Ausbildung zur Verfügung steht.

Rechtstipp vom Sozialrechtsexperten

Beim 4. Senat des Bundessozialgerichts ist hinsichtlich der gleichen Rechtsfrage: ” Zur Absetzbarkeit von Schulgeld für den Besuch einer privaten Berufsfachschule als eine mit der Einkommenserzielung verbundene notwendige Ausgabe im Sinne des § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 SGB II von den als Einkommen zu berücksichtigenden Leistungen der Ausbildungsförderung.”

Noch ein 2. Verfahren anhängig Az. B 7 AS 7/25 R – Vorinstanz LSG Mecklenburg-Vorpommern, L 10 AS 230/20, 06.02.2025

Das LSG Mecklenburg – Vorpommern hatte in dieser Entscheidung wie folgt geurteilt:

Die Zahlung von Schulgeld ist keine notwendig mit der Einkommenserzielung verbundene Ausgabe, wenn eine grundsätzliche Möglichkeit zur Ausbildung ohne Schulgeld besteht.

Persönlicher Hinweis

Man darf gespannt sein, wie hier das Bundessozialgericht entscheiden wird. Nach meiner Meinung kann das Schulgeld für eine Berufsfachschule im – Einzelfall – absetzbar sein vom Einkommen.

Einige Landessozialgerichte haben bisher wie folgt entschieden

Ob das Schulgeld für den Besuch einer kostenpflichtigen privaten Schule oder Bildungseinrichtung überhaupt eine mit der Erzielung von Einkommen verbundene Aufwendung sein kann, wird uneinheitlich beantwortet (bejahend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6.3.2008 – L 28 AS 1276/07; LSG Hamburg, Beschluss vom 18.6.2019 – L 4 AS 155/19 B ER D –, Beschluss vom 30.11.2022 – L 4 AS 252/23 B ER D – und Beschluss vom 9.1.2023 – L 4 AS 275/22 B ER D; ablehnend hingegen LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.7.2007 – L 5 AS 1191/05 –, vom 20.1.2009 – L 28 AS 1919/07 – und vom 17.10.2023 – L 4 AS 1273/20 –, dort auch mit Übersicht zum Streitstand; LSG Sachsen, Beschluss vom 26.9.2012 – L 3 AS 408/12 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 4.3.2008 – L 13 AS 205/07).