Müssen Leistungsbehörden die Bürgergeld-Bescheide in Niederdeutsch oder Plattdeutsch verfassen? Darüber hatte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zu entscheiden.
Der Kläger aus dem Regierungsbezirk Detmold hatte 2017 Hartz-IV-Leistungen (heutiges Bürgergeld) erhalten. Mit Bescheid vom 20. Februar 2017 wies ihm das Jobcenter eine Arbeitsgelegenheit in einem Bauernmuseum zu. Für seine museumspädagogische Tätigkeit erhielt er 1,30 Euro pro Arbeitsstunde. Laut Vermerk des Jobcenters war der Hartz IV-Beziehende mit der Tätigkeit „sehr zufrieden“.
Widerspruch gegen den Bescheid vom Jobcenter
Dennoch legte der Mann Widerspruch gegen den Bescheid des Jobcenters ein. Inhaltlich sei dieser in Ordnung und er gebe „sein Bestes“. Als Angehöriger der niederdeutschen Volksgruppe hätte der Bescheid jedoch in Plattdeutsch und nicht in Hochdeutsch verfasst werden müssen. Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen schreibe den Schutz der Regionalsprachen vor.
Er warf dem Jobcenter „rassistische Diskriminierung“ vor, weil ihm als Angehörigen der plattdeutschen Sprachminderheit die „Gleichbehandlung mit Hochdeutschen“ verwehrt werde. Plattdeutsch sei zu Zeiten der Hanse eine „Weltsprache“ gewesen und müsse erhalten bleiben.
Das Hochdeutsche sei ihm von Geburt an aufgezwungen worden. Seine Klage sei der erste Schritt, „Rassismus“ und „Apartheid“ gegen Plattdeutsche zu beenden.
Sowohl das Sozialgericht Detmold als auch das LSG haben jedoch entschieden, dass das Jobcenter seine Bescheide nicht auf Plattdeutsch verfassen muss. Zwar umfasse die deutsche Sprache neben dem Hochdeutschen auch alle Mundarten und Dialekte. Es gelte aber das Gebot, dass ein Verwaltungsverfahren „einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen“ sei.
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„Dieses Gebot würde beeinträchtigt, wenn es (angesichts der Vielzahl gesprochener Dialekte und des häufigen Fehlens einer standardisierten Schriftsprache) zu einem unübersichtlichen Nebeneinander verschiedener Sprachvarianten mit unterschiedlichen Schreibweisen käme, die allenfalls von einem räumlich begrenzten Teil der Bevölkerung verstanden würden“, heißt es in dem Urteil des LSG weiter.
Auch aus der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen ergebe sich kein Anspruch auf die Abfassung von Bescheiden in Plattdeutsch. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch das Land Nordrhein-Westfalen hätten Vorschriften zur Verwendung der plattdeutschen Sprache erlassen.
Zudem sei der Kläger selbst der hochdeutschen Sprache „mit einem durchaus beachtlichen Wortschatz“ voll mächtig und verstehe die Bescheide. Zudem habe er nicht nachgewiesen, dass er überhaupt Plattdeutsch sprechen könne.
Schließlich benachteilige ihn die geltend gemachte Zugehörigkeit zur plattdeutschen Volksgruppe auch nicht wegen seiner ethnischen Herkunft. Denn Nieder- und Plattdeutsche bildeten keine eigenständige Volksgruppe, so das LSG.
Keine Pflicht für Bescheide in Niederdeutsch oder Plattdeutsch
Jobcenter müssen müssen demnach ihre Bescheide an Bürgergeld-Beziehende nicht auf deren Wunsch in Niederdeutsch oder Plattdeutsch verfassen.
Zwar schützt die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ eine Regionalsprache, ein Anspruch auf die Abfassung von Jobcenter-Bescheiden in Plattdeutsch als Teil des Niederdeutschen ergibt sich daraus aber nicht, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 8. September 2022 (Az.: L 7 AS 1360/21). fle
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