Ein Arbeitgeber kann es verweigern, bei einer Krankschreibung das Entgelt fortzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet herbeigeführt hat, indem sich eine Tätowierung entzündete. So entschied das Landesarbeittsgericht Schleswig-Holstein (2 Sa 284 a/24).
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Tattoo entzündet sich
Die Betroffene arbeitete als Pflegehilfskraft. Sie ließ sich ein Tattoo auf den Unterarm stechen. In der Folge entzündete sich die Haut, und die Frau war mehrere Tage krankgeschrieben. Ihre Arbeitgeberin verweigerte ihr die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und begründete dies damit, dass sie die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet habe.
Seltene Komplikation
Die Arbeitnehmerin argumentierte, dass sie keine Zahlung für den Tag der Tätowierung erwarte, sondern für die Entzündung in der Folge. Es handle sich um eine seltene Komplikation, die nur in rund ein bis fünf Prozent der Fälle entstehe. Zudem seien Tattoos heute weit verbreitet und gehörten zur privaten Lebensführung.
Betroffene vergleicht Tattoo mit Sport
Sie verglich diese Komplikation mit dem Ausüben von verletzungsanfälligen Sportarten. Auch bei diesen werde das Entgelt bei Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt, wennFolgeerkrankungen aufträten, für die ein geringes Risiko bestehe.
Einwilligung in Körperverletzung
Die Arbeitgeberin vertrat hingegen den Standpunkt, dass eine Tätowierung bedeute, freiwillig eine Körperverletzung auf sich zu nehmen.
Wenn daraus eine Infektion entstehe, gehöre dies nicht zum allgemeinen Krankheitsrisiko, das der Arbeitgeber tragen müsse. Auch Krankenkassen müssten keine Leistungen erbringen, wenn Erkrankungen infolge kosmetischer Operationen, Tattoos oder Piercings entstünden.
Sportler rechnen nicht damit, verletzt zu werden
Ein Vergleich mit Sportarten sei nicht angebracht, da Sportler auch bei gefährlichen Sportarten nicht damit rechnen würden, verletzt zu werden. Bei einer Tätowierung stimmten Betroffene hingegen dem Eingriff und den möglichen Komplikationen ausdrücklich zu.
Richter entscheiden zugunsten der Arbeitgeberin
Vor dem Landesarbeitsgericht argumentierte die Betroffene, ihr Vorsatz habe sich nur auf die Tätowierung, nicht aber auf die unwahrscheinliche Komplikation bezogen. Die Richter am Landesarbeitsgericht teilten jedoch die Auffassung der Arbeitgeberin.
Zwar sei die Betroffene tatsächlich arbeitsunfähig gewesen, habe dies aber selbst verschuldet. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfalle, wenn der Arbeitgeber grob gegen das eigene Gesundheitsinteresse verstoße.
Bewusstes Risiko bedeutet grober Verstoß
Die Hautentzündung sei nicht außergewöhnlich, denn Komplikationen in bis zu fünf Prozent der Fälle seien nicht zu vernachlässigen. Eine Tätowierung sei dabei ein medizinisch nicht notwendiger Eingriff in den unversehrten Körper.
Ein solches Risiko bewusst einzugehen, sei ein grober Verstoß gegen die eigenen Gesundheitsinteressen und überschreite das normale Krankheitsrisiko. Die Richter nannten dabei die Definition von „häufig“ bei Nebenwirkungen von Medikamenten. Diese umfasse ein Spektrum von mehr als eins und weniger als zehn Prozent.