Bundesgerichtshof entscheidet erneut รผber eine Entgeltklausel sowie weitere Allgemeine Geschรคftsbedingungen fรผr Pfรคndungsschutzkonten
17.07.2013
Der u. a. fรผr das Bankrecht zustรคndige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Anschluss an seine beiden Urteile vom 13. November 2012 (AZ: XI ZR 500/11 und AZ: XI ZR 145/12) erneut รผber eine Entgeltklausel sowie darรผber hinaus erstmals auch รผber weitere Allgemeine Geschรคftsbedingungen fรผr die Fรผhrung eines Pfรคndungsschutzkontos (kurz: P-Konto) entschieden (AZ: XI ZR 260/12).
In der heute verhandelten Sache (vgl. dazu auch Pressemitteilung Nr. 102/2013) macht der klagende Verbraucherschutzverband gegenรผber der beklagten Bank im Wege der Unterlassungsklage die Unwirksamkeit der im Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten enthaltenen Entgeltklausel sowie weiterer Bedingungen fรผr ein P-Konto geltend.
Die Beklagte weist in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis im Abschnitt "Preise fรผr Dienstleistungen im standardisierten Geschรคftsverkehr mit Privatkunden" fรผr von ihr angebotene Girokontenarten ("Kontopakete") mit jeweils unterschiedlichen Leistungsbestandteilen verschiedene Monatsgrundpreise aus, nรคmlich (jeweils ohne "Familien"- oder "Berufseinsteigerbonus")
1. "Das Junge Konto" โ kostenlos
2. "โฆ AktivKonto" โ 4,99 EUR
3. "โฆ PlusKonto" โ 7,99 EUR
4. "โฆ BestKonto" โ 9,99 EUR.
In der hieran anschlieรenden Rubrik "Pfรคndungsschutzkonto" heiรt es sodann unter anderem: "Es wird ein monatlicher Grundpreis von 8,99 EUR berechnet. [โฆ] Die Kontofรผhrung erfolgt grundsรคtzlich auf Guthabenbasis. [โฆ] Die Ausgabe einer โฆ Bank Card oder einer Kreditkarte sowie die Nutzung des Karten-und Dokumentenservices sind nicht mรถglich. [โฆ] Die weiteren Leistungen entsprechen denen des โฆ AktivKontos und sind der oben stehenden รbersicht zu entnehmen. Soweit Leistungen des โฆ AktivKontos nicht in dessen monatlichem Grundpreis enthalten sind, werden fรผr diese Leistungen gesondert ausgewiesene Preise auch beim Pfรคndungsschutzkonto gesondert berechnet."
Der Klรคger beanstandet diese Regelungen zum P-Konto in vierfacher Hinsicht, nรคmlich
โ den monatlichen Grundpreis von 8,99 EUR fรผr die Fรผhrung des P-Kontos,
โ die Bestimmung รผber die Kontofรผhrung auf Guthabenbasis,
โ die Klausel, wonach beim P-Konto die Ausgabe einer โฆ Bank Card oder einer Kreditkarte sowie die Nutzung des Karten- und Dokumentenservices nicht mรถglich ist, sowie
โ die beim P-Konto vorgesehene gesonderte Bepreisung von Leistungen, die nicht im monatlichen Grundpreis des โฆ AktivKontos enthalten sind.
Das Landgericht hat die Unterlassungsklage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der beklagten Bank hat der Bundesgerichtshof zurรผckgewiesen. Alle vier streitigen Regelungen benachteiligen die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind daher gemรคร ยง 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* unwirksam.
Die Entgeltklausel รผber den monatlichen Grundpreis von 8,99 EUR unterliegt, wie das Berufungsgericht โ inhaltlich รผbereinstimmend mit den eingangs genannten Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12) โ zutreffend angenommen hat, nach ยง 307 Abs. 3 Satz 1 BGB* der Inhaltskontrolle. Es handelt sich nicht um eine kontrollfreie Preisabrede, weil das P-Konto keine besondere Kontoart mit selbstรคndigen Hauptleistungspflichten darstellt, sondern ein herkรถmmliches Girokonto ist, das aufgrund einer den Girovertrag ergรคnzenden Vereinbarung zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden "als Pfรคndungsschutzkonto gefรผhrt" wird (ยง 850k Abs. 7 ZPO**). Die Fรผhrung eines P-Kontos stellt auch keine zusรคtzliche, rechtlich nicht geregelte Sonderleistung der Bank dar; diese erfรผllt vielmehr eine ihr durch ยง 850k Abs. 7 ZPO auferlegte gesetzliche Pflicht.
Der danach erรถffneten Inhaltskontrolle hรคlt die angegriffene Entgeltklausel nicht stand, weil die Berechnung eines zusรคtzlichen Entgelts fรผr die Fรผhrung des Girokontos als P-Konto โ hier in Gestalt eines insbesondere gegenรผber dem โฆ AktivKonto um 4 EUR hรถheren monatlichen Grundpreises โ mit wesentlichen Grundgedanken von ยง 850k Abs. 7 ZPO nicht zu vereinbaren ist. Das hat das Berufungsgericht ebenfalls in รbereinstimmung mit den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12) entschieden. Danach muss ein P-Konto zwar weder kostenlos noch zwangslรคufig zum Preis des gรผnstigsten Kontomodells des betreffenden Kreditinstituts gefรผhrt werden. Der Aufwand fรผr die Kontofรผhrung, zu der das Kreditinstitut gesetzlich verpflichtet ist, darf aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch ein zusรคtzliches Entgelt gegenรผber einem normalen Girokonto mit entsprechenden Leistungen auf den Kunden abgewรคlzt werden. Das ist jedoch bei der hier streitigen Klausel sowohl im Vergleich zum โฆ AktivKonto als auch โ unter Berรผcksichtigung der beim P-Konto gesondert entgeltpflichtigen Leistungen โ im Vergleich zu den รผbrigen "Kontopaketen" der Fall.
Die darรผber hinaus beanstandeten Klauseln รผber die Fรผhrung des P-Kontos auf Guthabenbasis sowie zu der beim P-Konto fehlenden Mรถglichkeit der Ausgabe einer โฆ Bank Card oder einer Kreditkarte halten ebenfalls nach ยง 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie kรถnnen bei der gebotenen "kundenfeindlichsten Auslegung" so verstanden werden, dass bei der Umwandlung eines bestehenden Girokontos in ein P-Konto die Berechtigung des Kunden zur Inanspruchnahme eines mit der Bank vereinbarten Dispositionskredits bzw. einer รberziehungsmรถglichkeit oder zur Nutzung einer ihm zur Verfรผgung gestellten Debitkarte oder Kreditkarte automatisch โ also ohne die insoweit von Rechts wegen erforderliche (wirksame) Kรผndigung der zugrunde liegenden Kreditvereinbarung oder des Kartenvertrages โ entfallen soll. Ein solcher kรผndigungsunabhรคngiger "Beendigungsautomatismus" wรผrde die Kunden der Beklagten ebenfalls entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Im Grundsatz die gleichen Erwรคgungen fรผhren zur Unwirksamkeit auch der Bestimmung รผber die beim P-Konto fehlende Mรถglichkeit der Nutzung des Karten- und Dokumentenservices. Hier soll ebenfalls, soweit der Kunde aufgrund des von ihm bislang gewรคhlten "Kontopakets" zur Inanspruchnahme dieser Leistung berechtigt war, anlรคsslich der Umwandlung in ein P-Konto der mit dem Kunden vereinbarte Vertragsinhalt automatisch zum Nachteil des Kontoinhabers verรคndert werden.
Die Klausel รผber die dem โฆ AktivKonto entsprechende gesonderte Berechnung von Leistungen schlieรlich ist unwirksam, weil sie fรผr Inhaber anderer "Kontopakete" wiederum in unzulรคssiger Weise die Berechnung eines zusรคtzlichen Entgelts fรผr die Fรผhrung des Girokontos als P-Konto zur Folge hat. (pm)
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